2014
Mein Gebet auf der Nordsee
Oktober 2014


Mein Gebet auf der Nordsee

Olaf Thorlief Jensen, Utah

Bild
drawing for LDS Voices

Illustrationen von Bradley H. Clark

Als ich siebzehn war, wohnten wir auf der Insel Andabeløy in Südnorwegen. Mein Vater schloss sich dort der Kirche an, und ich wurde im Meer getauft.

Ich war damals Fischer und gewohnt, mit dem Boot aufs Meer hinauszufahren. Mein Vater übertrug mir die Verantwortung für unser „Meeres-Taxi“, das von den Einheimischen gern benutzt wurde.

Im Jahr 1941 rief uns einmal der Arzt aus dem nördlich gelegenen Flekkefjord an. Eine Frau, die mit dem Boot etwa zwei Stunden entfernt wohnte, benötigte dringend ärztliche Hilfe. Dr. Hoffman ersuchte mich, ihn zu ihr zu bringen, aber meine Eltern machten sich Sorgen, weil auf der Nordsee ein Sturm tobte. Also beteten wir und fragten den Vater im Himmel, was wir tun sollten. Wir erhielten die Antwort, dass ich die Fahrt übernehmen solle.

Bei schlechtem Wetter und hohem Wellengang glitt ich mit meinem zehn Meter langen Fischerboot Tryg aufs Meer hinaus. Nachdem ich den Arzt abgeholt hatte, fuhr ich durch den Fjord hinaus aufs offene Meer. Unser Ziel war ein Ort nördlich von Lista an der felsigen Südküste Norwegens, wo Stürme und Schiffbrüche keine Seltenheit sind.

Ich steuerte das Boot durch Wind und Wellen bis hin zu der etwa zwölf Meter breiten und beidseits von Felsen gesäumten Einfahrt zu der Bucht, in die wir hineinmussten. Die Wogen brachen sich an den Felsen und die Brandung war so hoch, dass ich das Boot unmöglich hindurchsteuern konnte.

„Was machen wir jetzt?“, rief mir der Arzt durch das Brausen des Windes zu.

„Wir müssen beten und Gott fragen“, erwiderte ich.

Ich hielt an und bat den Vater im Himmel um Führung. Kaum hatte ich Amen gesagt, erhielt ich klar und deutlich eine Antwort. Mir kam plötzlich eine Geschichte in den Sinn, die mir ein alter Fischer erzählt hatte. Er war in dem gleichen Gebiet fischen gewesen, war in ein Unwetter geraten und konnte nicht ans Ufer gelangen. Als er so zuwartete, bis sich das Meer beruhigte, fiel ihm eine gewisse Regelmäßigkeit bei den heranrollenden Wellen auf. Auf drei große Wogen folgte jeweils eine kurze Flaute – gerade lange genug, dass er die Einfahrt passieren konnte.

Ich war schon oft hier fischen gewesen, aber noch nie war mir diese Abfolge bei den Wellen aufgefallen. Dennoch lenkte ich das Boot direkt vor die Einfahrt zur Bucht. Dort warteten wir ab und beobachteten, wie eine nach der anderen drei große Wogen heranrollten. Und tatsächlich – danach gab es eine kurze Atempause. Ich fuhr über die nunmehr glatte Wasseroberfläche in die Bucht hinein und brachte Dr. Hoffman sicher an Land. Rasch eilte er zu der kranken Frau, während ich im Boot wartete und dem Vater im Himmel dankte, dass er mein Gebet erhört hatte.

Als der Arzt etwa eine Stunde später zurückkam, rief er mir zu: „Wir haben ihr das Leben gerettet!“

Erleichtert über die gute Nachricht und die allmähliche Wetterbesserung steuerte ich das Boot ohne weitere Zwischenfälle nach Hause.

Ich gebe Zeugnis, dass wir beten sollen, wenn wir Hilfe brauchen. Ich weiß, dass der Vater im Himmel uns Antwort gibt.

Die Wellen waren so hoch, dass ich das Boot unmöglich durch den schmalen Eingang in die Bucht steuern konnte.