2014
Mit Heiligem nicht leichtfertig umgehen
November 2014


Mit Heiligem nicht leichtfertig umgehen

Überprüfen Sie Ihre Entscheidungen mit der Frage: „Sind meine Entscheidungen fest im fruchtbaren Boden des Evangeliums Jesu Christi verwurzelt?“

Brüder und Schwestern, die Entscheidungen, die wir in diesem Leben treffen, beeinflussen in hohem Maße den Verlauf unseres ewigen Lebens. Dabei gibt es sowohl sichtbare als auch unsichtbare Kräfte, die auf unsere Entscheidungen Einfluss nehmen. Das wurde mir vor etwa fünf Jahren in einer Weise vor Augen geführt, die mich beinahe teuer zu stehen gekommen wäre.

Wir waren mit Freunden und der Familie im Süden Omans unterwegs. Wir wollten am Strand des Indischen Ozeans etwas entspannen. Kaum waren wir da, fragte unsere 16-jährige Tochter Nellie, ob sie bis zu einer Sandbank hinausschwimmen dürfe, die sie ausgemacht zu haben glaubte. Als ich das aufgewühlte Wasser sah, sagte ich ihr, ich würde zuerst schwimmen; ich dachte nämlich, es könnte gefährliche Strömungen geben.

Nachdem ich ein wenig geschwommen war, rief ich meiner Frau die Frage zu, ob ich schon in der Nähe der Sandbank sei. Sie antwortete: „Du bist schon weit darüber hinaus.“ Ohne es zu bemerken, war ich in eine Rippströmung1 geraten und wurde zügig aufs Meer hinausbefördert.

Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Mir fiel nur ein, umzudrehen und an Land zurückzuschwimmen. Doch das war genau das Falsche. Ich fühlte mich hilflos. Kräfte, die ich nicht beherrschen konnte, zogen mich noch weiter aufs Meer hinaus. Was die Sache noch schlimmer machte war, dass mir meine Frau, die meinem Urteilsvermögen vertraut hatte, gefolgt war.

Brüder und Schwestern, ich dachte, ich würde höchstwahrscheinlich nicht überleben und durch meine Entscheidung auch für den Tod meiner Frau verantwortlich sein. Nach großer Anstrengung und – wie ich glaube – göttlichem Eingreifen berührten unsere Füße irgendwie wieder den sandigen Grund und wir gelangten sicher zu unseren Freunden und zu unserer Tochter zurück.

Es gibt viele Strömungen in diesem irdischen Leben – die einen sind sicher, die anderen nicht. Präsident Spencer W. Kimball hat gesagt, dass in unserem Leben mächtige Kräfte am Werk seien, von denen viele den unsichtbaren Meeresströmungen gleichen.2 Diese Kräfte gibt es wirklich. Wir dürfen sie niemals ignorieren.

Ich möchte von einer anderen Strömung erzählen, einer göttlichen Strömung, die mein Leben sehr bereichert hat. Ich habe mich zur Kirche bekehrt. Vor meiner Bekehrung lag mein ganzer Ehrgeiz im Skisport, und deshalb zog ich nach dem Schulabschluss nach Europa, um dieser Leidenschaft zu frönen. Nach einigen Monaten eines dem Anschein nach idealen Lebens spürte ich, dass ich Europa wieder verlassen sollte. Damals verstand ich nicht, woher dieses Gefühl kam, aber ich entschied mich, ihm zu folgen. So landete ich gemeinsam mit ein paar guten Freunden, die wie ich Mitglieder einer anderen Glaubensgemeinschaft waren, in Provo in Utah.

In Provo traf ich Leute, die ein völlig anderes Leben führten als ich. Ich fühlte mich zu ihnen hingezogen, ohne zu wissen warum. Anfänglich widerstand ich diesen Gefühlen, aber bald empfand ich einen Frieden und Trost, die mir bis dahin völlig unbekannt gewesen waren. Ich ließ mich von einer anderen Strömung erfassen – einer, die mich zur Erkenntnis des liebevollen Vaters im Himmel und zu seinem Sohn Jesus Christus brachte.

Ich ließ mich gemeinsam mit meinen Freunden 1972 taufen. Diese neue Strömung, der zu folgen ich mich entschieden hatte – das Evangelium Jesu Christi –, gab meinem Leben Richtung und Sinn. Das alles ging jedoch nicht ohne Schwierigkeiten. Alles war neu für mich. Manchmal fühlte ich mich verloren und verwirrt. Sowohl Freunde als auch Angehörige stellten Fragen und zweifelten an mir.

Ich musste mich entscheiden. Einige ihrer Fragen ließen Zweifel und Unsicherheit in mir aufkommen. Es ging hier um eine bedeutende Entscheidung. Wohin sollte ich mich wenden, um Antwort zu erhalten? Es gab viele, die mich überzeugen wollten, dass ich den falschen Weg eingeschlagen hatte – „Rippströmungen“, die mich wegziehen wollten von der friedlichen Strömung, die mir eine wunderbare Quelle des Glücks geworden war. Mir wurde der Grundsatz, dass es „in allen Dingen einen Gegensatz gibt“, sehr deutlich bewusst, und auch, wie wichtig es ist, selbst zu handeln und meine Entscheidungsfreiheit nicht an andere abzutreten.3

Ich fragte mich: „Warum sollte ich mich von dem abwenden, womit ich mich so wohlfühle?“ Der Herr hatte ja zu Oliver Cowdery gesagt: „Habe ich deinem Sinn nicht Frieden in dieser Angelegenheit zugesprochen?“4 Ich hatte eine ähnliche Erfahrung gemacht. Deshalb wendete ich mich mit noch größerer Verpflichtung unserem liebevollen Vater im Himmel, den heiligen Schriften und vertrauenswürdigen Freunden zu.

Doch es gab noch immer viele Fragen, die ich nicht beantworten konnte. Wie sollte ich mit der damit einhergehenden Unsicherheit umgehen? Anstatt zuzulassen, dass sie den Frieden und das Glück zerstören, die in mein Leben gekommen waren, entschied ich mich, sie für eine Weile ruhen zu lassen und darauf zu vertrauen, dass der Herr zu seiner Zeit alles offenbaren werde. Ich fand Trost in seinen Worten an den Propheten Joseph Smith: „Siehe, ihr seid kleine Kinder, und ihr könnt jetzt noch nicht alles ertragen; ihr müsst in der Gnade und in der Erkenntnis der Wahrheit wachsen.“5 Ich beschloss, dass ich mich von dem, was ich als wahr erkannt hatte, nicht abwenden würde, indem ich einer unbekannten und fragwürdigen Strömung – einer potenziellen „Rippströmung“ – folgte. Ich begriff, was Präsident N. Eldon Tanner gesagt hatte: „Wie viel weiser und besser ist es doch für den Menschen, die einfachen Wahrheiten des Evangeliums anzunehmen … und gläubig das anzunehmen, was er … nicht verstehen kann.“6

Bedeutet das, dass es keinen Raum für aufrichtige Fragen gibt? Fragen Sie doch den Jungen, der im heiligen Hain Zuflucht suchte und wissen wollte, welcher von all den Kirchen er sich anschließen sollte! Nehmen Sie das Buch Lehre und Bündnisse in die Hand und machen Sie sich bewusst, dass vieles von dem, was in diesem inspirierten Bericht offenbart worden ist, das Ergebnis einer demütigen Suche nach Wahrheit war. Joseph Smith hatte richtig erkannt: „Fehlt es aber einem von euch an Weisheit, dann soll er sie von Gott erbitten; Gott wird sie ihm geben, denn er gibt allen gern.“7 Indem wir aufrichtige Fragen stellen und uns um Antworten von Gott bemühen, lernen wir „Zeile um Zeile, Weisung um Weisung“8 und nehmen so an Erkenntnis und Weisheit zu.

Die Frage lautet nicht: „Gibt es Raum für aufrichtige, ernstgemeinte Fragen?“, sondern vielmehr: „Wohin kann ich mich wenden, wenn Fragen auftauchen? Werde ich weise genug sein, an dem festzuhalten, was ich als wahr erkannt habe, auch wenn es unbeantwortete Fragen gibt?“ Ich bezeuge, dass es eine göttliche Quelle gibt – den Einen, der alles weiß und das Ende von Anfang an kennt. Alles ist gegenwärtig bei ihm.9 Die heiligen Schriften bezeugen, dass er „nicht auf krummen Pfaden [wandelt], auch weicht er nicht von dem ab, was er gesprochen hat“10.

Auf unserer irdischen Reise dürfen wir niemals davon ausgehen, dass unsere Entscheidungen nur uns allein betreffen. Vor kurzem besuchte mich ein junger Mann bei mir zu Hause. Er hatte eine gute Ausstrahlung, aber ich bemerkte, dass er in der Kirche nicht gänzlich aktiv war. Er erzählte mir, dass er in einem Zuhause aufgewachsen war, das so lange auf das Evangelium ausgerichtet war, bis sein Vater seiner Mutter untreu wurde, was zur Scheidung führte und dazu, dass alle seine Geschwister die Kirche in Frage stellten und abfielen. Mein Herz war schwer, als ich mit diesem jungen Vater sprach, der nun, beeinträchtigt durch die Entscheidungen seines Vaters, seine kostbaren Kinder ohne die Segnungen des Evangeliums Jesu Christi großzog.

Ein anderer Mann, den ich kenne, ein ehemals gläubiges Mitglied der Kirche, hatte Fragen zu bestimmten Punkten der Lehre. Anstatt den Vater im Himmel um Antworten zu bitten, verließ er sich einzig und allein auf weltliche Quellen. Er wendete sein Herz in die falsche Richtung und strebte offensichtlich nach den Ehren der Menschen. Sein Stolz mag zumindest vorübergehend befriedigt worden sein, aber er war von den Mächten des Himmels abgeschnitten.11 Anstatt die Wahrheit zu finden, verlor er sein Zeugnis und zog viele Familienmitglieder mit sich.

Diese beiden Männer verfingen sich in unsichtbaren Rippströmungen und zogen viele mit sich.

Als Gegenbeispiel fallen mir LaRue und Louise Miller, die Eltern meiner Frau, ein, die zwar nie viel weltlichen Besitz ihr Eigen nennen konnten, sich aber dafür entschieden, ihre Kinder die reine Lehre des wiederhergestellten Evangeliums zu lehren und jeden Tag danach zu leben. Dadurch beschenkten sie ihre Nachkommen mit den Früchten des Evangeliums und der Hoffnung auf ewiges Leben.

Sie sorgten dafür, dass bei ihnen zu Hause stets das Priestertum respektiert wurde, Liebe und Harmonie herrschten und die Grundsätze des Evangeliums richtungsweisend waren. Seite an Seite lebten Louise und LaRue vor, was es bedeutet, sich an Jesus Christus auszurichten. So konnten ihre Kinder deutlich sehen, welche Strömungen des Lebens ihnen Frieden und Glück bescheren würden. Und entsprechend haben sie sich entschieden. Präsident Kimball hat gesagt: „Wenn wir es schaffen, … eine starke Strömung zu erzeugen, die sich unablässig auf unser Ziel, nämlich ein rechtschaffenes Leben, zubewegt, so können wir und unsere Kinder trotz der Gegenwinde der Bedrängnis, der Enttäuschung und der Versuchung vorangetrieben werden.“12

Spielen unsere Entscheidungen eine Rolle? Betreffen sie uns allein? Folgen wir mit unserem Kurs standhaft der ewigen Strömung des wiederhergestellten Evangeliums?

Von Zeit zu Zeit bedrückt mich eine bestimmte Vorstellung. Was, wenn ich an jenem Septembertag, als wir uns am Strand des Indischen Ozeans entspannten, zu meiner Tochter Nellie gesagt hätte: „Ja, geh nur. Schwimm ruhig hinaus bis zur Sandbank.“ Oder wenn auch sie mir gefolgt wäre und es nicht geschafft hätte, zurückzuschwimmen? Was, wenn ich mit der Erkenntnis leben müsste, dass sie meinetwegen von einer Rippströmung in die offene See hinausgetragen worden wäre und nie zurückgekommen wäre?

Sind die Strömungen, denen zu folgen wir uns entscheiden, wichtig? Spielt unser Beispiel eine Rolle?

Der Vater im Himmel hat uns mit der himmlischen Gabe des Heiligen Geistes gesegnet, um uns bei unseren Entscheidungen zu führen. Er hat uns Inspiration und Offenbarung verheißen, sofern wir würdig leben, sie zu empfangen. Ich empfehlte Ihnen, diese göttliche Gabe zu nutzen und Ihre Entscheidungen zu prüfen, indem Sie sich fragen: „Sind meine Entscheidungen fest im fruchtbaren Boden des Evangeliums Jesu Christi verwurzelt?“ Ich empfehle Ihnen, jede Änderung vorzunehmen, die nötig ist – sei sie klein oder groß –, um sich selbst und Ihren Lieben die ewigen Segnungen zu sichern, die im Plan des himmlischen Vaters vorgesehen sind.

Ich bezeuge, dass Jesus Christus unser Heiland und Erlöser ist. Ich bezeuge, dass die Bündnisse, die wir mit ihm eingehen, heilig sind. Wir dürfen mit Heiligem niemals leichtfertig umgehen.13 Mögen wir stets treu bleiben. Dafür bete ich im Namen Jesu Christi. Amen.