2015
Das Fenster am Schwimmbecken
August 2015


Betrachtungen

Das Fenster am Schwimmbecken

Die Verfasserin lebt in Utah.

Unsere Beziehungen in der Familie können uns helfen, das Evangelium kennenzulernen, zu verstehen und zu leben.

Bild
A young girl jumping into a swimming pool. Her father has his arms outstretched to catch her.

Illustration von Allen Garns

Der letzte Tag unseres Urlaubs war angebrochen. Bei einem Frühstück mit leckeren Waffeln besprachen wir, wie wir die Zeit im Hotel am besten nutzen konnten, bevor wir die fünfstündige Heimreise antreten mussten. Mein Mann beschloss, unseren drei kleinen Töchtern ein letztes Abenteuer im Schwimmbecken zu gönnen. Unterdessen wollte ich mich im Fitnessraum auf dem Laufband betätigen.

Ich suchte ein Laufband aus, das vor einem riesigen Fenster mit Blick auf das Schwimmbecken stand. Bald schon sah ich, wie eine Familie auf das Schwimmbecken zusteuerte. Es war meine Familie. Begeistert warfen die Mädchen ihre Handtücher, Schuhe und T-Shirts einfach von sich, um ins Wasser zu springen. Normalerweise hätte ich jetzt ihre Sachen hinter ihnen aufgelesen und mich, zugegeben, sicher auch ein wenig darüber geärgert. Jetzt aber sah ich die Familie sozusagen als Außenstehende – als wäre das riesige Fenster vor mir eine Kinoleinwand. Meine Füße bewegten sich rhythmisch auf dem Laufband, und ich beobachtete meine Familie.

Wie glücklich sie alle miteinander lachten und spielten! Ich musste daran denken, dass ich mich zuweilen von den belanglosen Streitereien, die in jeder Familie vorkommen, entmutigen ließ und die Sorge nicht loswurde, dass ich es trotz aller Bemühungen nicht schaffte, meinen Kindern beizubringen, einander zu lieben. Nun sah ich aber Menschen, die miteinander glücklich waren. Mir wurde klar, dass ich mich nicht vergebens darum bemüht hatte, ihnen einen liebevollen Umgang miteinander beizubringen. Ich hatte nur nicht bemerkt, dass sie es auch tatsächlich konnten.

Ich sah zu, wie eins der Mädchen immer wieder vom Beckenrand in die Arme seines Vaters sprang. Dabei musste ich an die großen Sprünge denken, die meiner Tochter im Laufe ihres Lebens noch bevorstehen, und ich hoffte, dass sie darauf vertraut, dass der Vater im Himmel sie jedes Mal auffangen wird. Mit jedem Sprung wuchs ihr Vertrauen, und mir wurde bewusst, dass sie dieses Vertrauen auf sichere Weise im Schoß unserer Familie entwickeln kann.

Eine andere meiner Töchter übte einen Schwimmstil. Ich sah, dass sie nicht aufgab, weil ihre Familie sie anfeuerte. Angesichts viel größerer Herausforderungen, die noch auf sie zukommen werden, wird es Zeiten geben, da sie auf ebendiese Unterstützung angewiesen sein wird.

Dann sah ich, wie unsere dritte Tochter aus Versehen ins Becken geschubst wurde. Prustend stieg sie aus dem Wasser und warf sich beleidigt und verärgert auf einen Liegestuhl. Sofort fiel den anderen auf, dass sie fehlte. Ich beobachtete, wie sie von allen liebevoll ermuntert wurde, sich wieder zu ihnen zu gesellen. Das tat sie schließlich auch, und ich dachte wieder an die Zukunft und daran, dass es wohl häufiger vorkommen wird, dass sie sich verletzt fühlt und lieber aufgeben will. Hoffentlich, dachte ich, wird die Liebe ihrer Familie ihr immer wieder die Kraft geben, weiterzumachen.

Plötzlich wurde mir bewusst, welch entscheidende Rolle die Familie dabei spielt, das Evangelium kennenzulernen, zu verstehen und zu leben. Nephi erklärte, „dass der Herr durch kleine Mittel Großes zuwege bringen kann“ (1 Nephi 16:29). So ist es auch in einer Familie. Ja, den Eltern gelingt nicht alles. Aber jede noch so kleine Anstrengung, unsere Kinder zu unterweisen und zu erziehen und ihnen Liebe zu erweisen, ist von Bedeutung.

Meine private Filmvorführung ging langsam zu Ende. Als ich das Laufband abschaltete und zusah, wie meine Familie ihre Sachen einsammelte, fasste ich neuen Mut, weiterhin all das Unscheinbare zu tun, wovon man manchmal befürchtet, es sei völlig wirkungslos.