2015
Wählen Sie das Licht!
November 2015


Wählen Sie das Licht!

Wir müssen auf den Rat der Propheten hören, die Eingebungen des Heiligen Geistes erkennen und entsprechend handeln, Gottes Gebote befolgen und uns um persönliche Offenbarung bemühen.

Vor kurzem wollten meine Frau und ich hinaus in die schöne Natur im Nordwesten Montanas, wo wir wohnen. Wir hatten eine Fahrradtour entlang des Hiawatha Trail vor. Dies ist eine stillgelegte Eisenbahnstrecke, die von Montana durch die Rocky Mountains nach Idaho führt. Wir freuten uns schon darauf, gemeinsam mit guten Bekannten die landschaftliche Schönheit zu genießen.

Uns war bekannt, dass die 24 Kilometer lange Strecke über Eisenbahnbrücken hoch über tiefen Schluchten und durch lange Tunnel führt, die die zerklüftete Bergwelt durchziehen. Daher bereiteten wir uns vor und brachten an unseren Helmen und an den Fahrrädern Lampen an.

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Eingang zum Taft-Tunnel

Bekannte, die diese Tour bereits unternommen hatten, machten uns darauf aufmerksam, dass es in den Tunneln stockfinster ist und man daher sehr helle Lampen benötigt. Vor dem steinernen Portal zum Taft-Tunnel machte uns ein Tunnelaufseher auf einige Gefahren auf der Strecke aufmerksam, wie etwa tiefe Gräben am Wegrand, raue Tunnelwände und dichte Finsternis. Erwartungsvoll radelten wir in den Tunnel hinein. Schon nach wenigen Minuten umschloss uns die angekündigte Finsternis. Meine Lampen erwiesen sich bald als unzureichend und konnten nichts gegen die Dunkelheit ausrichten. Mir war mit einem Mal bange. Ich war verunsichert und orientierungslos.

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Fahrräder im Tunnel
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Fahrrad mit Rückstrahlern im Tunnel

Es war mir aber peinlich, meinen Bekannten und meiner Familie meine Ängste einzugestehen. Obwohl ich ein erfahrener Radfahrer bin, hatte ich plötzlich das Gefühl, ich hätte noch nie auf einem Rad gesessen. Meine Bestürzung nahm immer mehr zu, und ich konnte mich kaum noch im Sattel halten. Als ich der Gruppe endlich mitgeteilt hatte, wie unbehaglich mir zumute war, konnte ich dichter neben einem Bekannten fahren, der eine hellere Lampe hatte. Auch alle anderen scharten sich eng um ihn. Wir blieben alle dicht bei ihm und verließen uns eine Zeit lang ganz auf seine Lampe sowie auf das gebündelte Licht der gesamten Gruppe. So drangen wir immer tiefer in das Dunkel des Tunnels vor.

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Licht am Ende des Tunnels

Nach gefühlten Stunden sah ich einen winzigen Lichtpunkt. Da war ich sogleich zuversichtlicher, dass alles gut gehen werde. Ich strebte weiter vorwärts und verließ mich auf das Licht meiner Freunde und den allmählich immer größer werdenden Lichtpunkt. Als das Licht an Größe und Helligkeit zunahm, kehrte auch mein Selbstvertrauen zurück. Und schon lange bevor wir das Ende des Tunnels erreichten, war ich dann nicht mehr auf die Hilfe meiner Freunde angewiesen. Alle Unruhe war verflogen, und wir radelten zügig auf das Licht zu. Und noch ehe wir in den strahlend warmen Vormittag hinausfuhren, war ich wieder gefasst und ruhig.

Wir leben in einer Welt, in der unser Glaube auf die Probe gestellt wird. Vielleicht fühlen wir uns sicher und meinen, wir seien gegen solche Herausforderungen gewappnet – nur um dann festzustellen, dass unsere Vorbereitungen unzureichend waren. Und so, wie ich von meinem Bekannten auf die Dunkelheit hingewiesen worden war, werden auch wir heute gewarnt. Die Apostel rufen uns auf, uns mit dem machtvollen Licht geistiger Stärke zu wappnen.

Mitunter ist es auch uns vielleicht peinlich oder wir finden es beunruhigend oder verwirrend, wenn unser Glaube gefordert wird. Wie intensiv und anhaltend solche Gefühle sind, hängt im Allgemeinen davon ab, wie wir mit ihnen umgehen. Wenn wir nichts unternehmen, können uns Zweifel, Stolz und schließlich der Abfall vom Glauben vom Licht wegtreiben.

Aus meinem Erlebnis im Tunnel habe ich einige wichtige Lektionen gelernt. Ein paar davon will ich hier ansprechen:

Erstens: Ganz gleich, wie schwarz die Finsternis des Zweifels sein mag – wir entscheiden selbst, wie lange und in welchem Ausmaß sie auf uns einwirkt. Wir dürfen nie vergessen, wie sehr der Vater im Himmel und sein Sohn uns lieben. Sie lassen uns niemals im Stich. Und wenn wir sie um Hilfe bitten, lassen sie auch nicht zu, dass wir besiegt werden. Wissen Sie noch, was Petrus auf den stürmischen Wassern des Sees Gennesaret erlebt hat? Als er spürte, wie sich kalte Dunkelheit um ihn zusammenzog, erkannte er sofort seine missliche Lage und beschloss, ohne Aufschub um Hilfe zu rufen. Er fragte sich nicht, ob denn der Erlöser die Macht habe, ihn zu retten – er rief einfach aus: „Herr, rette mich!“1

In unserem Alltag findet sich die ausgestreckte Hand des Erretters vielleicht im Beistand eines treuen Freundes, eines geistigen Führers oder liebevoller Eltern. Wenn wir uns gerade durch die Dunkelheit kämpfen, ist es völlig in Ordnung, uns eine Weile auf das Licht derer zu verlassen, die uns lieb haben und die unser Bestes wollen.

Denkt man ernsthaft darüber nach, so fragt man sich: Weshalb sollten wir denn auf jene anonymen, zynischen Stimmen hören, die aus dem großen und geräumigen Gebäude unserer Zeit erschallen, und die flehentlichen Appelle derer beiseiteschieben, denen wirklich an uns liegt? Zweifler und Zyniker gibt es allenthalben. Sie reißen lieber nieder, statt dass sie aufbauen, und sie machen sich lieber lustig über andere, statt dass sie ihnen Mut machen. Durch spöttische Bemerkungen bohren sie sich in unser Leben und finden den Zugang oftmals in jenem Bruchteil einer Sekunde, in dem auf digitalem Wege verzerrte Botschaften, bewusst aussagekräftig formuliert, unseren Glauben attackieren. Ist es weise, unser ewiges Wohlergehen in die Hände von Fremden zu legen? Ist es weise, Erleuchtung bei denjenigen zu suchen, die selbst kein Licht haben oder womöglich irgendwelche heimlichen Absichten verfolgen? Wenn uns diese anonymen Streiter offen und ehrlich gegenüberstünden, würden wir ihnen nicht einmal eine Sekunde unserer Zeit schenken. Doch weil sie sich der sozialen Netzwerke bedienen, wo sie nicht überprüft werden, gelten sie unverdienterweise als glaubwürdig.

Wenn wir denen Aufmerksamkeit schenken, die Heiliges in den Schmutz ziehen, entfernen wir uns vom rettenden und lebenspendenden Licht des Erlösers. Johannes schreibt: „Als Jesus ein andermal zu ihnen redete, sagte er: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.“2 Bedenken wir bitte auch, dass Menschen, die uns aufrichtig lieben, unseren Glauben stärken können.

So wie ich mich im Tunnel geschämt habe, meine Lage zuzugeben, kann es jedem von uns peinlich sein, um Hilfe zu bitten, wenn uns Zweifel bedrängen. Vielleicht waren wir früher einmal wie der Fels in der Brandung, und nun brauchen wir Hilfe. Wenn wir uns bewusst machen, dass das Licht und der Trost, die der Erlöser spenden kann, viel zu kostbar sind, als dass wir weiterhin unserem Stolz frönen sollten, dann können uns inspirierte Führer, Eltern und treue Freunde beistehen. Sie wollen uns helfen, geistig stärker verankert zu werden, denn dies wappnet uns gegen Glaubenskrisen.

Zweitens: Wer in geistiger Hinsicht auf eigenen Beinen stehen möchte, muss dem Herrn vertrauen. Wir können uns nicht ewig auf das Licht anderer verlassen. Ich wusste, irgendwann würde die Finsternis im Tunnel zu Ende sein, sofern ich nur weiter neben meinem Bekannten und in der Geborgenheit der Gruppe weiterradelte. Aber mein Anspruch an mich war doch, dass ich den Weg alleine fortsetzen wollte, sobald ich das Licht sehen konnte. Der Herr hat gesagt: „Naht euch mir, und ich werde mich euch nahen; sucht mich eifrig, dann werdet ihr mich finden; bittet, und ihr werdet empfangen; klopfet an, und es wird euch aufgetan werden.“3 Wir müssen selbst aktiv werden und davon ausgehen, dass der Herr seine Verheißung, uns aus der Dunkelheit zu führen, erfüllt, wenn wir uns ihm nahen. Der Widersacher versucht uns jedoch einzureden, wir hätten den Einfluss des Heiligen Geistes niemals wirklich verspürt und es wäre einfacher, das Handtuch zu werfen.

Präsident Dieter F. Uchtdorf hat uns geraten: „Zweifeln Sie … an Ihren Zweifeln, ehe Sie an Ihrem Glauben zweifeln!“4 In meiner Heimatgemeinde sagte ein junger Mann vor kurzem: „Was ich schon erlebt und verspürt habe, lässt sich nicht anders erklären – es muss von Gott kommen.“ Das zeugt von geistiger Integrität.

Wenn wir Fragen haben oder versucht sind, zu zweifeln, sollten wir an die geistigen Segnungen und an die Empfindungen denken, die in der Vergangenheit unser Herz und unser Leben durchdrungen haben, und Glauben an den Vater im Himmel und an seinen Sohn Jesus Christus üben. Im Englischen lautet die Aussage eines bekannten Kirchenlieds daher: „Wir zweifeln nicht an seiner Güte, oft schon schenkte er sie uns aufs Neu.“5 Wer frühere geistige Erlebnisse ausklammert oder gering achtet, entfernt sich von Gott.

Unsere Suche nach dem Licht geht leichter, wenn wir dieses Licht auch bereitwillig wahrnehmen, sobald es unser Leben erhellt. Was Licht ist, wird in neuzeitlicher heiliger Schrift definiert. Dort steht auch eine Verheißung für diejenigen, die es annehmen: „Was von Gott ist, das ist Licht; und wer Licht empfängt und in Gott verbleibt, empfängt mehr Licht; und jenes Licht wird heller und heller bis zum vollkommenen Tag.“6 Es ist wie damals in dem Tunnel: Je mehr wir dem Licht entgegengehen, desto heller erstrahlt Gottes Einfluss in unserem Leben. Und so wie das Licht am Ende des Tunnels verleiht uns auch Gottes Einfluss Zuversicht, Entschlossenheit, Trost und – am allerwichtigsten – die Gabe, zu erkennen, dass er lebt.

Drittens: Keine Finsternis ist so undurchdringlich, so bedrohlich oder so aufreibend, dass sie nicht durch Licht besiegt werden könnte. Elder Neil L. Andersen hat unlängst gesagt: „In dem Maß, wie das Böse in der Welt zunimmt, werden die Rechtschaffenen zum Ausgleich vermehrt mit geistiger Macht ausgestattet. Während die Welt die Taue von ihrem geistigen Ankerplatz löst, bereitet der Herr denen, die ihn suchen, den Weg und schenkt ihnen mehr Zuversicht, mehr Gewissheit und mehr Vertrauen in die Richtung, die sie eingeschlagen haben. Im zunehmenden Dämmerlicht strahlt die Gabe des Heiligen Geistes in immer hellerem Schein.“7

Brüder und Schwestern, den Launen und Strömungen der vorherrschenden Meinung sind wir nicht hilflos ausgesetzt. Vielmehr sind wir in der Lage, uns für den Glauben und gegen den Zweifel zu entscheiden. Damit wir die zum Ausgleich verheißene größere geistige Macht erlangen, müssen wir auf den Rat der Propheten hören, die Eingebungen des Heiligen Geistes erkennen und dann entsprechend handeln, Gottes Gebote befolgen und uns um persönliche Offenbarung bemühen. Wir haben die Wahl. Mögen wir alle das Licht des Erlösers wählen. Im Namen Jesu Christi. Amen.