2016
Der Zehnte und ein Transportmittel zur rechten Zeit
September 2016


Der Zehnte und ein Transportmittel zur rechten Zeit

Der Verfasser lebt in São Paulo in Brasilien.

Wir hatten kein Geld, um mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Kirche zu fahren. Daher machten wir uns zu Fuß auf den Weg.

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family crossing the street

An einem Samstag stellten meine Frau und ich fest, dass wir nicht mehr genug Geld übrig hatten, um am nächsten Tag mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Kirche zu fahren. Wir konnten auch nirgendwo mehr Bargeld abheben. Unser Zehntengeld steckte bereits in dem Spendenumschlag, den wir dem Bischof geben wollten. Wir überlegten, wie wir zur Kirche kommen sollten. Nähmen wir das Zehntengeld, um davon Fahrkarten zu kaufen, dann würde der Herr das bestimmt verstehen. Aber wir hielten das irgendwie nicht für richtig.

Die andere Option wäre, nicht in die Kirche zu gehen. Auch das, so meinten wir, würde der Herr sicher verstehen. Schließlich ließen wir sonst ja nie eine Sonntagsversammlung aus. Dann allerdings könnten wir dem Bischof nicht den Zehnten übergeben, also schlossen wir diese Möglichkeit auch gleich wieder aus.

Wir wollten dem Herrn gerne treu sein; daher beschlossen wir, früher als gewöhnlich aufzubrechen und den Weg zur Kirche zu Fuß zurückzulegen. So verließen wir unser Zuhause an einem herrlichen Sonntagmorgen und machten uns auf den Weg. Das Gemeindehaus war knapp fünf Kilometer weit weg. Unsere vier Kinder (das älteste war sechs) fanden den Fußmarsch toll, sie rannten voran und spielten miteinander.

Als wir an einer breiten, viel befahrenen Straße eine bestimmte Stelle erreichten, flüsterte der Geist mir zu: „Geht jetzt auf die andere Seite!“ Ich sagte das meiner Frau, doch sie erwiderte, an dieser Stelle sei es zu gefährlich, da die Straße eine Kurve machte und man herannahende Autos nicht sehen konnte. Doch ich erklärte ihr, ich habe das Gefühl, wir sollten die Straße hier und jetzt überqueren. Wir beide nahmen je ein Kind an die Hand und eilten rasch zur anderen Straßenseite hinüber. Wir waren kaum auf dem Bürgersteig, da hielt ein Auto neben uns und der Fahrer fragte: „Gehen Sie zur Kirche?“

Er war Mitglied der Kirche, gehörte aber nicht zu unserer Gemeinde. Ich kannte ihn, weil ich seine Gemeinde schon einmal besucht hatte. Wir bejahten, und er bot uns an, uns mitzunehmen. Als wir im Auto saßen, erklärte der Bruder, dass er die Strecke normalerweise nie nehme. Er war an diesem Sonntag nur deshalb dort entlanggefahren, weil sein Geschäftspartner die Büroschlüssel verloren hatte, und nun brachte er ihm stattdessen seine eigenen Schlüssel.

Das kann kein Zufall sein, dachte ich bei mir. Der Herr wusste, dass wir ein Transportmittel brauchten, um zur Kirche zu kommen. Mit dem Zehntengeld in der Tasche hatten wir die gute Gelegenheit, unseren Kindern zu erklären, dass man gesegnet wird, wenn man den Zehnten zahlt. Wir kamen beim Gemeindehaus so früh an wie noch nie und waren glücklich und dankbar. Wir nahmen an allen Versammlungen teil, erzählten jedoch niemandem, was wir erlebt hatten.

Im Sommer ist es in São Paulo immer sehr heiß, besonders zur Mittagszeit, wenn unsere Versammlungen zu Ende sind. Wir machten uns gerade für den Rückweg bereit, als jemand auf uns zukam und fragte: „Nimmt euch schon jemand mit zurück?“ Wir verneinten, und der Bruder erklärte, er könne uns gerne mitnehmen. Dieses Angebot nahmen wir mit Freuden an. Gerührt und lächelnd sahen meine Frau und ich einander an.

Der Herr hatte uns mehr als einmal sehr für unseren Gehorsam gesegnet.