2017
Das Gleichnis von der törichten Biene
February 2017


Bis aufs Wiedersehen

Das Gleichnis von der törichten Biene

Nach einem Artikel aus der Zeitschrift Improvement Era vom September 1914, Seite 1008f.

Wie viele von uns sind klüger als die törichte Biene?

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Foto © iStock/Thinkstock

Manchmal macht es meine Arbeit erforderlich, dass ich mich an einen Ort zurückziehe, der mir Stille und Abgeschiedenheit bietet. Dann suche ich am liebsten ein Zimmer im obersten Stockwerk eines hohen Gebäudes auf. Dieses Zimmer ist nicht so leicht zugänglich und man wird kaum von anderen gestört.

Ganz allein bin ich dennoch nicht immer, vor allem im Sommer, denn wenn die Fenster offen sind, kommt gelegentlich ein Insekt hereingeflogen und leistet mir Gesellschaft.

Einmal kam eine Wildbiene aus den nahegelegenen Bergen ins Zimmer geflogen. Während der nächsten Stunde oder so erfreute ich mich immer wieder an ihrem Summen. Das kleine Insekt spürte, dass es gefangen war, fand aber trotz aller Anstrengungen nicht den Weg durch das nur teilweise geöffnete Fenster nach draußen. Als ich das Zimmer verlassen und abschließen wollte, machte ich vorher das Fenster weit auf und versuchte – erst einmal vorsichtig und dann immer nachdrücklicher – die Biene durch das Fenster in Freiheit und Sicherheit zu scheuchen. Mir war nämlich klar, dass sie sterben musste, wenn sie im Zimmer blieb, so wie andere Insekten gestorben waren, die in diesem Zimmer mit seiner trockenen Luft gefangen gewesen waren. Doch je mehr ich mich bemühte, die Biene hinauszubefördern, desto heftiger widersetzte sie sich. Ihr vorher friedliches Summen verwandelte sich in ein wütendes Brummen; ihre hektischen Flugbewegungen wurden feindselig und bedrohlich.

Als meine Aufmerksamkeit einmal kurz nachließ, stach sie mir in die Hand – die Hand, die ihr den Weg in die Freiheit weisen wollte. Schließlich ließ sie sich auf einer Lampe an der Decke nieder, wo ich sie zwar nicht mehr stören, aber ihr auch nicht mehr helfen konnte. Der Stich verursachte einen brennenden Schmerz, erweckte in mir aber eher Mitleid als Zorn. Ich kannte ja die unausweichliche Strafe für ihren törichten Widerstand und Trotz und musste sie nun ihrem Schicksal überlassen. Drei Tage später ging ich wieder in das Zimmer und fand den vertrockneten, leblosen Körper der Biene auf dem Schreibtisch. Sie hatte ihren Eigensinn mit dem Leben bezahlt.

Die Biene war zu kurzsichtig und egoistisch gewesen, um meine Absicht zu verstehen. In ihren Augen war ich ein Tor, ein hartnäckiger Verfolger, ein Todfeind, der ihr schaden wollte, während ich in Wirklichkeit ihr Freund war und ihr das Leben retten wollte, das sie durch eigene Schuld in Gefahr gebracht hatte. Ich wollte sie aus dem Gefängnis retten, das ihr den Tod brachte, und ihr die Freiheit zurückgeben, obwohl sie sich dagegen wehrte.

Sind wir denn so viel klüger als die Biene? Gibt es denn keine Parallele zwischen ihrem törichten Verhalten und unserem Leben? Wir sind doch auch geneigt, gegen ein Unglück anzugehen – manchmal voller Heftigkeit und Zorn –, das in Wirklichkeit vielleicht nur höhere Weisheit und liebevolle Fürsorge deutlich macht und sich nur gegen unsere irdische Bequemlichkeit richtet, uns aber auf die Dauer zum Segen gereichen soll. Bei allen Schwierigkeiten und allem Leid hier auf der Erde zeigt sich doch das Wirken Gottes, das nur die gottlose Seele vollständig leugnen kann. Für viele Menschen hat sich der Verlust ihres Reichtums als Segen erwiesen und sie aus den engen Grenzen egoistischer Genusssucht zu Sonnenschein und Freiheit geführt, wo unzählige Chancen auf sie warten – sofern sie sie ergreifen. Enttäuschung, Kummer und Leid sind vielleicht nur ein Beweis für die Güte des allweisen Vaters.

Denken Sie darüber nach, was man von der törichten Biene lernen kann!