2017
Der Zauber von Weihnachtsliedern
December 2017


Der Zauber von Weihnachtsliedern

Die Jugendlichen ahnten nicht, wie viel Freude sie mit ein paar einfachen Liedern bereiten konnten.

Ein Weihnachtslied für Joaquín

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singing Christmas carols

Illustrationen von Michael Mullan

In Argentinien ist es nicht üblich, zu Weihnachten bei Leuten vorbeizugehen und ihnen Weihnachtslieder zu singen. Eigentlich hat Weihnachten dort gar nichts mit der schneebedeckten Szenerie zu tun, die euch wahrscheinlich in den Sinn kommt. Da wir uns auf der südlichen Halbkugel befinden, verbinde ich Weihnachten sogar immer mit einem großen Obstsalat.

Als meine Eltern vorschlugen, dass wir alle gemeinsam Weihnachtslieder singen gehen, waren meine Geschwister und ich ziemlich erstaunt, fanden es aber auch spannend. Da wir nicht sicher waren, wie unsere stimmlichen Qualitäten ankommen würden, beschlossen wir, Plätzchen zu backen, damit die Leute, die wir besuchten, zumindest einen Grund zur Freude hatten.

So lange ich zurückdenken konnte, gehörte ein Bruder namens Joaquín zu unserer Gemeinde. Er war in jenem Dezember schwer erkrankt und konnte die Abendmahlsversammlung nicht mehr besuchen. Man brachte ihm sonntags nach der Kirche das Abendmahl ins Krankenhaus, auch mein Vater und meine Brüder gingen manchmal hin.

Am vierten Advent stieg die ganze Familie ins Auto. Wir wollten Joaquín besuchen und hofften, ihm den frohen Geist der Weihnacht zu bringen. Im Krankenhaus führte uns die Krankenschwester zu seinem Bett. Seine heiligen Schriften und sein Gesangbuch lagen auf dem Nachttisch, als hätte er uns bereits erwartet.

Offenkundig freute er sich, dass wir gekommen waren, und unser Herz war ihm sofort zugetan. Meine Brüder bereiteten das Abendmahl vor, segneten es und teilten es aus. Bevor wir wieder gingen, sangen wir das Lied „Weit, weit entfernt, dort im Morgenland“ (Gesangbuch, Nr. 141). Im Refrain heißt es so schön: „Ehre sei Gott in der Höhe, Fried und Freude aller Welt, wie’s den Menschen wohlgefällt.“

Als Joaquín uns „Engel“ nannte und uns für den Besuch dankte, waren wir es, deren Herz voller Frieden und Freude war – dabei hatten wir doch ihm diese Gefühle bringen wollen.

Julia G., Buenos Aires, Argentinien

Beim letzten Versuch

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singing carols

Es war Heiligabend, und ich hatte keine Lust auf Weihnachtslieder.

Meine Mutter hingegen hatte die glorreiche Idee, uns alle in unser altes Auto zu quetschen, bei Eiseskälte durch die Nachbarschaft zu fahren und drei Witwen aus der Gemeinde Weihnachtslieder vorzusingen. Mein Vater war von dem Vorschlag natürlich ebenfalls begeistert.

Ich fand das ziemlich peinlich. Wer würde uns überhaupt zuhören wollen? Wenn uns jemand sah, den ich kannte, würde ich vor Scham im Erdboden versinken. Ich nörgelte und schmollte, als ich mich mit meinem Bruder und meiner Schwester auf die Rückbank setzte.

Die erste Wohnung befand sich nur ein paar Straßen weiter. Niemand öffnete die Tür. Wir fuhren zum zweiten Haus. Wieder niemand daheim. Meine Laune besserte sich.

„Bitte, bitte lass niemand da sein“, dachte ich, als wir in die schmale Einfahrt des letzten Hauses einbogen.

Draußen war es bereits stockduster. Meine Mutter klopfte und wartete, aber vor der Haustür blieb es dunkel. Prima! Bald waren wir wieder zu Hause und ich konnte mich endlich in mein Zimmer zurückziehen.

Plötzlich ging das Licht auf der Veranda an und jemand öffnete die Tür. Ich schämte mich – bestimmt störten wir!

„Kommt rein, kommt rein“, sagte die kleine, drahtige Frau. Sie zeigte auf ihr altes Klavier.

„Können Sie spielen?“, fragte sie meine Mutter. „Wir könnten am Klavier singen.“

Ihre Freundlichkeit und ihre Begeisterung erwärmten mir das Herz. Vielleicht störte es sie doch gar nicht so sehr, dass wir hergekommen waren. Nach ein paar Liedern bot sie uns heiße Schokolade an.

„Kannst du mir helfen?“, fragte sie mich. In der Küche fiel mir sofort der wunderschön weihnachtlich gedeckte Tisch auf. Er sah richtig festlich aus! Bei jedem Gedeck lag ein kleines, sorgsam eingepacktes Geschenk.

„Für wen sind die denn?“, fragte ich. Sie wohnte schließlich allein.

„Für meine Nachbarn“, erklärte sie. „Ich lade am 1. Weihnachtstag alle aus der Nachbarschaft, die wie ich keine Familie haben, zum Frühstück ein und besorge immer eine Kleinigkeit für sie.“

Mein 13-jähriger Verstand war überwältigt von so einer Idee. Mein stures Herz füllte sich mit Bewunderung. Das Zimmer war so schön! Die zierliche alte Frau war so schön! Und es war so schön, dass meine Mutter uns hergebracht hatte. Endlich freute auch ich mich.

Im nächsten Monat dankte diese Schwester uns in der Kirche nochmals für den Besuch. Sie erklärte uns, dass niemand sonst in diesem Jahr an sie gedacht hatte. Ein paar Monate später verstarb sie unerwartet.

Wenn ich an jenes Weihnachtsfest denke, bin ich dankbar für meine tollen Eltern und für diese ältere Schwester, die alle jemandem zu Weihnachten eine Freude machen wollten.

Brooke K., Utah