2018
Gottesverehrung in einem digitalen Zeitalter
August 2018


Gottesverehrung in einem digitalen Zeitalter

Befassen Sie sich mit den drei hier genannten Grundsätzen zum angemessenen Gebrauch von digitalen Geräten in der Kapelle.

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sitting in sacrament meeting

Als an einem Sonntag das Abendmahl ausgeteilt wurde, holte eine FHV-Leiterin, die ich kenne, ihr Smartphone hervor, um die Erklärung „Der lebendige Christus – das Zeugnis der Apostel“ zu lesen. Inspiriert von diesem apostolischen Zeugnis für den Erretter war sie erneut fest entschlossen, immer an ihn zu denken.

Doch ihre guten Gefühle verflogen, als sie wenige Tage später einen anonymen Brief von einem Mitglied ihrer Gemeinde erhielt. Der Verfasser warf ihr vor, sie habe anderen ein schlechtes Beispiel gegeben, indem sie während der Abendmahlsversammlung ihr Smartphone benutzt habe. Sie war am Boden zerstört.

Keineswegs hatte sie andere vor den Kopf stoßen wollen, als sie ihr Handy benutzte. Sie holte es nur selten in der Kapelle hervor und auch nur dann, wenn es ihr angemessen schien. Nachdem sie jedoch diesen Brief erhalten hatte, kamen ihr Selbstzweifel.

Eine neue Herausforderung

Jede Generation muss ganz eigene Herausforderungen bewältigen. Einer Studie zufolge wird es bis 2020 mehr Handybesitzer geben (5,4 Milliarden) als Menschen mit Zugang zu fließendem Wasser (3,5 Milliarden).1 Wenn man dann noch Tablets, „Phablets“ und andere internetfähige Geräte dazuzählt, stellt sich auf einmal weltweit die schwierige Frage: Was sind angemessene „digitale Umgangsformen“?

Während Eltern, Führungsbeamte und Lehrer mit der Frage ringen, was zu den angemessenen digitalen Umgangsformen in der Kirche zählt, gibt es aufgrund unterschiedlicher Standpunkte zuweilen widersprüchliche Verhaltensweisen, was den Gebrauch von digitalen Geräten in Versammlungen in der Kirche anbelangt.

Die Führer der Kirche haben erläutert, welche Segnungen und Gefahren mit der Verwendung von Technik einhergehen. Allerdings geben sie uns nicht immer bis aufs Kleinste vor, was man tun oder lassen soll, wenn man nach dem Evangelium lebt (siehe Mosia 4:29,30). Jedes Mitglied soll sich selbst mit dem Thema befassen und sich bei Entscheidungen um die Führung des Heiligen Geistes bemühen. Wie in der eingangs geschilderten Situation entwickeln wir manchmal nicht nur einen eigenen Standpunkt, sondern leider auch eine kritische Einstellung denjenigen gegenüber, die eine andere Sichtweise vertreten.

Von Gott inspiriert, vom Satan instrumentalisiert

Gott hat uns die Segnungen der Technik zu unserem Nutzen und zur Verrichtung seines Werks zur Verfügung gestellt.2 Zwar nutzen manche Mitglieder ihre digitalen Geräte nicht so, wie es angemessen wäre, doch hat Elder David A. Bednar vom Kollegium der Zwölf Apostel erklärt: „Wir sollten uns nicht aus Angst, Fehler zu begehen, davon abhalten lassen, die großen Segnungen zu empfangen, die diese Mittel uns zugänglich machen können.“3 Wir müssen lernen, ein digitales Gerät auf angemessene Weise zu nutzen, und unseren Kindern dies ebenfalls beibringen.

Mobilgeräte sind den Mitgliedern der Kirche eine große Hilfe – beim Evangeliumsstudium, bei der Familienforschung und Tempelarbeit sowie bei der Verkündigung des Evangeliums. Im Januar 2018 beispielsweise hatte die App „Archiv Kirchenliteratur“ mehr als 3 Millionen Nutzer. Zusammengerechnet betrug ihre „Studienzeit“ über tausend Jahre!

Die Führer der Kirche haben nicht nur auf die Segnungen, sondern auch auf potenzielle Gefahren hingewiesen, wie etwa Zeitverschwendung, Schädigung von Beziehungen und Verstrickung in Sünde.4 In der Kirche kann der unangemessene Gebrauch uns und andere von der Gottesverehrung und vom Lernen, das zur Entwicklung unserer Beziehung zu Gott ja notwendig ist, ablenken.

Diese Gefahren gehen jedoch nicht nur mit digitalen Geräten einher. „Einige dieser Werkzeuge können … gefährlich sein – so wie jedes Werkzeug in einer ungeübten oder undisziplinierten Hand“, erklärt M. Russell Ballard, Amtierender Präsident des Kollegiums der Zwölf Apostel. „Es ist genau wie bei der Überlegung, wie man das Fernsehen, Filme oder auch eine Bibliothek nutzt. Der Satan ist immer schnell dabei, die negativen Seiten einer neuen Erfindung herauszustellen, etwas zu verderben und herabzuziehen und damit die guten Seiten zu unterminieren.“5

Mobilgeräte in der Abendmahlsversammlung

Wenn man sowohl die potenziellen Segnungen bedenkt, die mit digitalen Geräten einhergehen, als auch deren Ablenkungspotenzial, wie soll man dann als Mitglied der Kirche entscheiden, welche Herangehensweise richtig ist? Joseph Smith hat erklärt, wie überaus wirkungsvoll eine auf Grundsätzen basierende Herangehensweise ist: „Ich lehre sie die richtigen Grundsätze und sie regieren sich selbst.“6

Schauen wir uns nun einige Grundsätze an, anhand derer wir vielleicht besser entscheiden können, wie wir unser Mobilgerät in der Abendmahlsversammlung nutzen wollen. Auf Seite 30 dieser Ausgabe des Liahonas geht Brian K. Ashton, Zweiter Ratgeber in der Präsidentschaft der Sonntagsschule, in dem Artikel „Technik im Unterricht: Wie man die Jugendlichen in einer digitalen Welt zur Mitarbeit anspornen kann“ auf den angemessenen Gebrauch von digitalen Geräten im Unterricht ein.

1. Grundsatz: Meine Entscheidungen sind der Gottesverehrung zuträglich.

In der Abendmahlsversammlung sollen wir „dem Allerhöchsten [unsere] Gottesverehrung … entrichten“ (LuB 59:10). Präsident Dallin H. Oaks, Erster Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft, hat betont, dass wir während dieser Zeit unsere Aufmerksamkeit darauf richten sollen, unsere Bündnisse und unseren Glauben an den Herrn Jesus Christus und an sein Sühnopfer zu erneuern.7 Was wir gemäß unserer freien Entscheidung in der Abendmahlsversammlung tun, sollte diesen Zielen zuträglich sein.

Mit den genannten Zielen im Hinterkopf können wir unser Gerät bei Bedarf zum Beispiel für folgende Zwecke nutzen:

  • Unsere Gottesverehrung fördern. Man kann in der Abendmahlsversammlung ein digitales Gerät benutzen, um Schriftstellen nachzuschlagen, Lieder zu singen oder geistige Eindrücke festzuhalten.

  • Geistlich dienen. Der Bischof bemerkt vielleicht, wie ein neues oder weniger aktives Mitglied während der Abendmahlsversammlung hinten in der Kapelle Platz nimmt. Wenn er sich dazu inspiriert fühlt, kann er dem Gemeindemissionsleiter eine SMS schicken und ihn bitten, den Betreffenden nach der Versammlung zu begrüßen und zum Sonntagsschulkurs „Grundbegriffe des Evangeliums“ einzuladen.

  • Bei Notfällen erreichbar sein. Ärzte, Rettungspersonal und andere Berufstätige mit Rufbereitschaft können am Gottesdienst teilnehmen, weil sie bei Bedarf über ihr Mobilgerät erreichbar sind.

Während wir uns bemühen, unsere Aufmerksamkeit auf den Erretter zu richten, gilt es zu bedenken: Unser Gerät kann uns das Studium zwar erleichtern, doch das Lernen kann es uns nicht abnehmen. Es kann uns zum Nachdenken anregen, doch für uns denken kann es nicht. Es kann uns sogar daran erinnern, unsere Gebete zu sprechen, doch beten müssen wir selbst.

Elder Bednar hat erklärt, dass unsere Beziehung zu Gott nicht virtuell, sondern wirklich existent ist.8 Wir können sie nicht per Doppelklick aufrufen oder herunterladen.9 Die eingangs erwähnte FHV-Leiterin nutzte zwar ihr Handy, um sich besser auf Christus zu konzentrieren, doch das Bündnis, das sie erneuerte, war kein Bündnis mit ihrem Handy, sondern mit dem Herrn. Ihr Gerät half ihr, einen Vorgang in Bewegung zu setzen, der in ihren Gedanken, durch ihre Gebete und durch ihr Tun vervollständigt werden musste.

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youth on phone during church

2. Grundsatz: Ich vermeide Ablenkungen, so gut es geht.

Wir müssen alle darum bemüht sein, ein Umfeld zu schaffen, in dem wir uns besser auf die Gottesverehrung und das Lernen konzentrieren können. Es ist wichtig, Ablenkungen möglichst gering zu halten. Dieser Grundsatz trifft auf viele Situationen zu: wie man miteinander spricht, mit unruhigen Kindern umgeht oder sein digitales Gerät benutzt.

Man kann sich auf unzählige Weise von einem Gerät ablenken lassen, das mit unzähligen Funktionen ausgestattet worden ist. Wenn man sich ein Video anschaut, Musik anhört oder ein Spiel spielt, ist es fraglos schwierig, sich auf den Abendmahlsgottesdienst zu konzentrieren. Doch das ist es auch, wenn man seine E-Mails, SMS, soziale Netzwerke oder den Spielstand eines Fußballspiels checkt. Hinzu kommen noch all die ständig auftauchenden Bilder, Hinweise und Geräusche, die unseren Blick auf Ereignisse, Beziehungen und Gespräche außerhalb der Versammlung lenken. All dies und noch mehr kann uns und andere ablenken, selbst diejenigen, die mehrere Reihen von uns entfernt sitzen.

Wer digitale Ablenkungen komplett vermeiden möchte, hält es vielleicht für angebracht, seine Geräte zu Hause zu lassen oder sie abzuschalten. Möchte jemand sein Gerät mit dem Ziel einer innigeren Gottesverehrung benutzen, ohne dabei jedoch andere zu stören, reicht es vielleicht schon aus, das Gerät auf lautlos zu schalten, auf „Nicht stören“ zu stellen oder den Flugmodus zu aktivieren.10

3. Grundsatz: Ich konzentriere mich auf meine Gottesverehrung.

Die ein oder andere Ablenkung besteht immer, und nicht jede davon ist digitaler Art: ein unruhiges Baby, ein summendes Insekt oder der Verkehrslärm von draußen. In erster Linie sind wir selbst dafür verantwortlich, was wir aus unserer Gottesverehrung mitnehmen. Wenn jemand also vergisst, den Flugmodus auf seinem Handy zu aktivieren, müssen wir versuchen, für uns selbst den Modus „Ablenkungen ignorieren“ einzuschalten.

Präsident Russell M. Nelson hat erklärt: „Jedes Mitglied der Kirche muss dafür sorgen, dass die Abendmahlsversammlung ein geistiges Erlebnis ist.“11

Wenn wir merken, dass jemand ein digitales Gerät benutzt, dürfen wir nicht automatisch davon ausgehen, dass er es für etwas Unangemessenes nutzt. Handelt es sich dabei um ein Kind oder um jemanden, um dessen Beaufsichtigung wir gebeten wurden, kann es – so wie der Geist uns leitet – angebracht sein, zu prüfen, was der Betreffende gerade macht. Ansonsten versuchen wir, uns wieder unserer eigenen Gottesverehrung zuzuwenden.

Gemeinsam lernen

In einer Aussage, die die genannten Grundsätze umfasst, hat Präsident Oaks uns ans Herz gelegt: „Während der Abendmahlsversammlung – und insbesondere während des Abendmahls – müssen wir uns auf die Gottesverehrung konzentrieren und alles andere unterlassen, vor allem alles, was andere in ihrer Andacht stören könnte.“12

Es gibt viele weitere Grundsätze, von denen wir uns beim Gebrauch digitaler Geräte leiten lassen können. Solche Geräte werden immer mehr zu einem selbstverständlichen Bestandteil unserer Kultur, und deshalb müssen wir uns gemeinsam mit der Frage auseinandersetzen, was bei ihrem Gebrauch angemessen ist. Da keine Situation wie die andere ist und die Technik sich immer weiterentwickelt, müssen wir unsere Nutzungsgewohnheiten kontinuierlich überprüfen, neue oder andere Sichtweisen in Betracht ziehen und bereit sein, einander zu vergeben, während wir gemeinsam lernen.

Anmerkungen

  1. Siehe „10th Annual Cisco Visual Networking Index (VNI) Mobile Forecast Projects 70 Percent of Global Population Will Be Mobile Users“, 3. Februar 2016, newsroom.cisco.com

  2. Siehe David A. Bednar, „Apostle Offers Counsel about Social Media“, Ensign, Januar 2015, Seite 17; Discourses of Brigham Young, Hg. John A. Widtsoe, 1954, Seite 18f.

  3. Zitiert in Sarah Jane Weaver, „Elder Bednar Tells 2016 Mission Presidents Not to Fear Technology“, 6. Juli 2016, news.lds.org

  4. Siehe „Elder Bednar Tells 2016 Mission Presidents“

  5. M. Russell Ballard, „Die Verbreitung des Evangeliums mithilfe des Internets“, Liahona, Juni 2008, Lokalteil, Seite N2

  6. Lehren der Präsidenten der Kirche: Joseph Smith, Seite 314

  7. Siehe Dallin H. Oaks, „Die Abendmahlsversammlung und das Abendmahl“, Liahona, November 2008, Seite 17–20

  8. Siehe David A. Bednar, „Dinge, wie sie wirklich sind“, Liahona, Juni 2010, Seite 22–31

  9. Siehe Scott D. Whiting, „Digital Detachment and Personal Revelation“, Ensign, März 2010, Seite 16–21

  10. Siehe M. Russell Ballard, „Seid ruhig und wisst, dass ich Gott bin“, CES-Andacht für junge Erwachsene, 4. Mai 2014, lds.org/broadcasts

  11. Russell M. Nelson, „Wie man Gott in der Abendmahlsversammlung verehrt“, Liahona, August 2004, Seite 14

  12. Dallin H. Oaks, „Die Abendmahlsversammlung und das Abendmahl“, Seite 19