Die Aufgaben der FHV-Leiterin im Bereich Wohlfahrt

Grundlagen der Wohlfahrt und Selbständigkeit, (2009), 4–6


Julie B. Beck

Julie B. Beck Präsidentin der Frauenhilfs-vereinigung

Der Zweck der Frauenhilfsvereinigung

Meine lieben Brüder und Schwestern, es ist mir eine Ehre, zu Ihnen über die Aufgaben der Gemeinde-FHV-Leiterin im Bereich Wohlfahrt zu sprechen. Hinter mir hängen die Porträts der Frauen, die einmal Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung waren. Als ich mich mit ihren Biografien befasste, musste ich daran denken, dass diese Organisation ihre Arbeit in Zeiten von Wachstum und Wohlstand, aber auch während Kriegen, Hungersnöten, Epidemien und Wirtschaftskrisen verrichtet hat. Die Lektionen, die wir aus der Vergangenheit lernen, können uns auch heute helfen, wenn wir Naturkatastrophen, Kriege, politische Um-wälzungen, Prüfungen im Privatleben oder finanzielle Schwierigkeiten erleben. Der englische Name der FHV lautet „Relief Society“ und relief bedeutet emporheben, erleichtern, jemandem aus Schwierigkeiten auf- oder heraushelfen.1 Es war schon immer unser Auftrag, Frauen und ihre Familien bei ihrer lebenslangen Aufgabe zu unterstützen, gläubiger und rechtschaffener zu werden, die Familie und das Zuhause zu stärken und dem Herrn und seinen Kindern zu dienen. Heute befassen wir uns mit dem Teil unserer Arbeit, der die Wohlfahrt betrifft, und wir sprechen darüber, wie wir unter der Leitung des Bischofs die Schwestern organisieren, belehren und motivieren können, damit sie sich um die Armen und Bedürftigen kümmern und ihnen helfen, auf eigenen Füßen zu stehen.

Für die Armen und Bedürftigen sorgen

Die FHV hat die Aufgabe, „sich um das geistige Wohlergehen und die geistige Errettung … aller weiblichen Mitglieder der Kirche“2 zu kümmern und wurde gegründet, um „den Armen, den Notleidenden, den Witwen und den Waisen Linderung zu verschaffen und alle wohltätigen Absichten zu erfüllen.“3 Dazu gehört: „Linderung von Armut, Linderung von Krankheit, Linderung von Zweifel, Linderung von Unwissenheit – Linderung von allem, was die Freude und den Fortschritt der Frau behindert.“4

Ich habe Präsident Monson mit Hochachtung über die FHV-Leiterinnen sprechen hören, die mit ihm während seiner Zeit als junger Bischof zusammenarbeiteten. Er und diese FHV-Leiterinnen hielten sich an das gleiche Muster, das wir auch heute haben. Auf seine Weisung besuchte die FHV-Leiterin die Mitglieder zu Hause und stellte fest, ob genügend zu essen vorhanden war, ob es an Einrichtungsgegenständen, Fertigkeiten, seelischer Stärke oder anderem fehlte. Mithilfe des Gebets und ihrer geistigen Gaben trachteten die FHV-Leiterinnen nach Inspiration, damit sie die Bedürfnisse einer Familie richtig einschätzen konnten. Anhand ihrer Einschätzung konnte er dann planen, wie diese Menschen unabhängiger werden konnten.

Selbständigkeit und eine vorausschauende Lebensweise

Die FHV-Leiterin hat aber nicht nur die Aufgabe, dem Bischof dabei zu helfen, sich um die Bedürftigen zu kümmern, die FHV nimmt es auch in die Hand, die FHV-Schwestern zu organisieren, zu belehren und zu motivieren, damit jede von ihnen auf eigenen Beinen steht. Damit die Führungsbeamten noch besser verstehen, was ihre Pflichten sind, können sie sich einige wichtige Fragen stellen:

  1. 1.

    Was bedeutet Selbständigkeit?

  2. 2.

    Welche Pflichten hat jede Schwester in puncto Selbständigkeit?

  3. 3.

    Wie gut kommen die Schwestern in meiner Gemeinde allein zurecht?

  4. 4.

    Welche Fertigkeiten, die für die Selbständigkeit unerlässlich sind, müssen die Schwestern in meiner Gemeinde entwickeln?

  5. 5.

    Wie können wir einander helfen, mehr auf eigenen Füßen zu stehen?

„Selbständigkeit bedeutet, dass man alle Segnungen vom himmlischen Vater nutzt, um für sich selbst und seine Familie zu sorgen und selbst Lösungen für seine Probleme zu finden.“5 Jeder von uns muss versuchen, Problemen vorzubeugen, und lernen, Schwierigkeiten zu meistern, wenn sie eintreten.

Woman With Food Storage

Frau mit Lebensmittelvorrat, Gemälde von Judith A. Mehr

Dieses Gemälde hängt in meinem Büro. Darauf sieht man eine Frau in einem Lagerraum. Dieses Bild vermittelt etwas, aber seine Hauptaussage ist nicht, wie man Lebensmittel lagert oder konserviert. Schauen Sie die Frau an. Sie steht dort allein, und man weiß nicht, ob sie verheiratet oder alleinstehend ist. Sie hat eine Schürze umgebunden; daran sieht man, dass sie gearbeitet hat. Arbeit ist ein wesentlicher Grundsatz für die Selbständigkeit. Man kann davon ausgehen, dass sie alle Lebensmittel, die man hier sieht, mit eigenen Händen hergestellt hat. Sie hat Vorbereitungen getroffen. Betrachten Sie ihr Gesicht. Sie scheint ein wenig erschöpft, aber von Frieden erfüllt zu sein. An den Augen kann man ihr ablesen, wie ausgeglichen und zufrieden sie ist. Sie sieht aus wie eine Frau, die wahrhaft auf eigenen Beinen steht.

Wie wird man selbständig? Indem man sich ausreichend Wissen aneignet, sich bestmöglich ausbilden lässt und auch sonst umfassend lernt, seine Gesundheit erhält, klug mit Geld und anderen Mitteln umgeht, geistige Stärke entwickelt, für Notfälle und Unvorhergesehenes vorsorgt und darauf achtet, dass es einem in sozialer und seelischer Hinsicht gut geht.

Welche Fertigkeiten brauchen wir also, um mehr auf eigenen Beinen zu stehen? Meine Großmutter musste wissen, wie man ein Huhn schlachtet und rupft. Bisher musste ich noch kein Huhn schlachten oder rupfen. Doch schon in der Anfangszeit der Kirche bat Brigham Young die Schwestern eindringlich, zu lernen, wie man Krankheiten in der Familie vorbeugt, Gebrauchsgegenstände selbst anfertigt und über die Finanzen Buch führt, und sich andere nützliche Fertigkeiten anzueignen.6 Diese Grundsätze gelten auch noch heute. Bildung ist nach wie vor ungemein wichtig. Jeder von uns ist Lehrer und Lernender, und jeden Tag brauchen wir Fertigkeiten im Lesen und Schreiben, wir müssen mit der Technik umgehen und logisch denken können. Außerdem besteht ein großer Bedarf an besseren Kommunikationsfertigkeiten bei Ehepaaren und in Familien; und noch nie war es so wichtig, dass Eltern ihre Sache gut machen. Wir beobachten auch, dass in der Welt Verschuldung und Kaufrausch immer mehr um sich greifen.

Ich habe etliche Bischöfe gefragt, welche Fertigkeiten die Schwestern in ihrer Gemeinde am dringendsten für ihre Unabhängigkeit brauchen, und sie antworteten: Geldeinteilung. Eine Frau muss begreifen, was es zur Folge hat, wenn man auf Kredit kauft und über seine Verhältnisse lebt. Als Zweites nannten die Bischöfe das Kochen. Mahlzeiten, die zu Hause zubereitet und gegessen werden, kosten in der Regel weniger, sind gesünder und stärken die familiären Bande.

Ich habe überall auf der Welt gesehen, wie Schwestern einander beispielhaft helfen, auf eigenen Beinen zu stehen. In den Vereinigten Staaten versammeln sich Schwestern und lernen, mit ihren Geldmitteln hauszuhalten, damit sie umsichtig einkaufen und Schulden abbauen können. Ältere Schwestern bringen jüngeren Frauen bei, wie man kocht und zu Hause gesunde Mahlzeiten zubereitet. In Ghana lernen Schwestern gemeinsam lesen. In Peru verschweißen Schwestern Reis und Bohnen in Tüten, damit sie nicht hungern müssen, wenn es ein Erdbeben gibt. Auf den Philippinen, wo regelmäßig Taifune wüten, bereiten Schwestern Verpflegungspakete für den Fall vor, dass sie ihr Haus verlassen müssen.

The Family Prayer

Das Familiengebet, Gemälde von Abelardo Loria Lovendino, Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Historischen Museums der Kirche

Ein anderes Gemälde, das in meinem Büro hängt, zeigt, wie dieser Grundsatz überall angewandt werden kann. Hier sehen wir eine Familie auf den Philippinen in ihrer Nipa-Hütte, die auf Pfählen über dem Boden steht. Im Vordergrund ist ein großer Krug mit Wasser abgebildet. Da gibt es einen Korb voller Mangos, Brennstoff zum Kochen und eine einfache Lampe, damit man etwas sehen kann. Die Familie sitzt am Esstisch und hat den Kopf zum Gebet geneigt. An der Wand hängt der handgestickte Spruch: „Die Familie ist ewig.“ Ich kann mir vorstellen, dass die Mutter dieser Familie in den Versammlungen und Aktivitäten der FHV viele der zur Unabhängigkeit beitragenden Grundsätze und Fertigkeiten gelernt hat, die hier zu sehen sind.

Wie gut kommen die Schwestern in Ihrer Gemeinde allein zurecht? Wie können Sie feststellen, was sie brauchen? Und wer soll der FHV-Leiterin bei dieser Aufgabe helfen? Da dies das Werk des Herrn ist und die FHV-Leiterin von Gott berufen ist, hat sie Anspruch auf Gottes Hilfe. Sie hat auch die Unterstützung von guten Besuchslehrerinnen, die wissen, dass sie über die Schwestern wachen und sich um sie kümmern sollen. Aus den Berichten der Besuchslehrerinnen und anderer Schwestern erfährt sie, welche Bedürfnisse es gibt. Sie kann auch auf die Hilfe von Komitees und jüngeren Schwestern zurückgreifen, die voller Energie sind und bereit zu helfen.

Midwife: Thy Path Her Chosen Way

Hebamme: auf deinen Pfaden zu wandeln war ihre Wahl, Gemälde von Crystal Haueter, Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Historischen Museums der Kirche

Dieses dritte Gemälde aus meinem Büro zeigt eine Hebamme aus der Pionierzeit. Es erinnert mich daran, dass eine Schwester, die über eine bestimmte Fertigkeit verfügt, vielen von Nutzen sein kann. Ein Beispiel dafür ist meine Ururgroßmutter, Mary Ann Hamblin. Sie war Hebamme und holte über zweitausend Babys auf die Welt. Sie leistete einen wertvollen Beitrag an Zeit und Talenten für das Vorratshaus des Herrn.

Unsere Pflichten erfüllen

Wenn wir für uns und andere Vorsorge treffen, zeigen wir, dass wir Jünger des Herrn Jesus Christus sind. Wie bei vielen von Ihnen inspirierte auch mich das Beispiel meiner Mutter und anderer FHV-Schwestern, und ich lernte so die Grundsätze der Selbständigkeit. Eine dieser Frauen war meine liebe Schwiegermutter, June, die dreißig Jahre lang fast ununterbrochen in der FHV-Leitung diente. Als sie letztes Jahr plötzlich verstarb, wurde offensichtlich, welch ein unabhängiges Leben sie geführt hatte. Sie hatte einen gültigen Tempelschein und heilige Schriften und Leitfäden zum Studium des Evangeliums, die sie offensichtlich häufig benutzt hatte. Liebevoll teilten wir die Töpfe, Pfannen und das Geschirr auf, mit denen sie tausende Mahlzeiten zubereitet hatte. Sie hinterließ uns Steppdecken, die sie aus alter Kleidung angefertigt hatte. Sie hatte die alte Regel beherzigt: „Flicke es, trage es auf, mach es passend oder verzichte darauf.“ Wir sahen auch ihren Vorrat an Lebensmitteln, die sie selbst angebaut, eingemacht und eingelagert hatte. Besonders zu Herzen gingen uns ihre kleinen Notizbücher, in denen sie viele Jahre lang gewissenhaft über ihre Ausgaben Buch geführt hatte. Dank ihrer vorausschauenden Lebensweise hinterließ sie etwas Geld, das sie für Notfälle gespart hatte, und sie hinterließ keine Schulden! Aber das Wichtigste ist, dass sie die Fähigkeiten, die sie sich während ihres glaubenstreuen Lebens angeeignet hatte, vielen anderen mit auf den Weg gegeben und diese dadurch inspiriert hat.

Als Führungsbeamte zeigen wir unseren Glauben, wenn wir unsere Zeit, unsere Talente, unsere Versammlungen und Aktivitäten dazu nutzen, uns um das zu kümmern, worauf es bei der zeitlichen und geistigen Wohlfahrt und Errettung ankommt. Wenn uns das gelingt, werden wir mehr als genug Liebe, Einigkeit, Freude, schwesterliche Verbundenheit und Segnungen genießen können. Ich bezeuge, dass die Arbeit der FHV ein wesentlicher Bestandteil der wiederhergestellten Kirche des Herrn ist und dass sein Werk heute von einem lebenden Propheten geleitet wird. Im Namen Jesu Christi. Amen.

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    Anmerkungen

  1.   1.

    Siehe Online Etymology Dictionary, „relief“, „relieve“, www.etymonline.com

  2.   2.

    Siehe Lehren der Präsidenten der Kirche: Joseph F. Smith (Leitfaden für das Melchisedekische Priestertum und die FHV, 1998), Seite 185

  3.   3.

    History of the Church, 4:567

  4.   4.

    John A. Widtsoe, Evidences and Reconciliatians, bearbeitet von G. Homer Durham, 1987, Seite 308

  5.   5.

    Unterrichtsmaterial für Schulungsleiter im Bereich Wohlfahrt, Lektion 2: Auf eigenen Füßen stehen, Seite 3; als PDF-Datei zu finden unter providentliving.org

  6.   6.

    Siehe Eliza R. Snow, „Female Relief Society“, Deseret News, 22. April 1868, Seite 1; Brigham Young, Deseret News, 28. Juli 1869, Seite 5