Geschichte der Kirche
Kapitel 5: „Die Liebe hört niemals auf‘


Kapitel 5

„Die Liebe hört niemals auf“

Als Schwester Emmeline B. Wells 1910 zur fünften Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung berufen wurde, war sie für diese Aufgabe gerüstet. Als jemand, der den Zug ins Salzseetal miterlebt hatte, hatte sie an der Seite von Schwestern gearbeitet, die ein festes Zeugnis vom Evangelium Jesu Christi hatten und die elementaren Grundsätze der Frauenhilfsvereinigung verstanden. Von 1888 bis 1910 war sie die Sekretärin zweier Präsidentinnen der Frauenhilfsvereinigung, nämlich Zina D. H. Young und Bathsheba W. Smith.

Schwester Wells und ihre Ratgeberinnen Clarissa S. Williams und Julina L. Smith hatten ein Zeugnis davon, dass die Frauenhilfsvereinigung durch Offenbarung gegründet worden war, und waren daher fest entschlossen, die Grundsätze zu bewahren, die das Fundament der Vereinigung bildeten. Im Oktober 1913 verkündeten sie:

„Wir erklären es zu unserem Ziel, den ursprünglichen Namen und den anfänglichen Charakter und Zweck dieser großartigen Organisation zu wahren und an den inspirierten Lehren des Propheten Joseph Smith festzuhalten, der den Plan offenbarte, wie die Frauen durch Berufung durch das Priestertum ermächtigt werden sollten, sich in entsprechenden Gruppen zu organisieren, um die Kranken zu pflegen, den Bedürftigen zu helfen, die Alten zu trösten, die Unvorsichtigen zu warnen und sich der Waisen anzunehmen.“1

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Relief Society seal

Ein paar Monate zuvor hatten Schwester Wells und ihre Ratgeberinnen mit diesem Ziel vor Augen einen Wahlspruch ausgewählt, der stets an die elementaren Grundsätze und den inspirierten Ursprung der Vereinigung erinnern sollte. Sie wählten dafür eine Aussage aus der Schrift: „Die Liebe hört niemals auf.“2 Diese kurze Aussage schloss den Auftrag ein, den der Prophet Joseph Smith den Schwestern in der Frauenhilfsvereinigung erteilt hatte, nämlich „den Armen zu helfen“ und „Seelen zu erretten“.3

In der Vergangenheit hatten die Pionierfrauen den Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung Nächstenliebe erwiesen. Nun organisierten sich die FHV-Schwestern, um auch ihren Mitmenschen auf der ganzen Welt „die reine Christusliebe“4 erweisen zu können.

Schwester Wells und ihre Ratgeberinnen führten diesen Wahlspruch zu einer Zeit relativen Friedens und Wohlstands ein. Sie ahnten nicht, wie die Ereignisse in den kommenden Jahren ihren Wahlspruch auf die Probe stellen würden.

Friedfertigkeit in Kriegszeiten

„Unsere Gefühle für die Welt der Menschen im Allgemeinen sollten die gleichen sein, wie Jesus sie zum Ausdruck brachte. Er war um ihr Wohlergehen bemüht, und unser Motto sollte immer das gleiche sein wie das seine: ‚Friede auf Erden und Wohlgefallen den Menschen seiner Gnade.‘“

John Taylor

Lehren der Präsidenten der Kirche: John Taylor, Seite 27; mit Bezug auf Lukas 2:14

1914 brach in Europa Krieg aus. Bis zum Kriegsende im November 1918 waren viele Nationen in diesen Konflikt, den Ersten Weltkrieg, eingetreten. In einer Zeit, als Bitterkeit und Intoleranz das Mitgefühl, das von den FHV-Schwestern erwartet wurde, hätten beeinträchtigen können, wandten sich Schwester Emmeline B. Wells und ihre Ratgeberinnen mit dieser Botschaft an alle Frauen in der Kirche:

„Geht liebevoll und geduldig mit eurem Mann und euren Kindern um. Achtet auf eure Kleinen. Lasst nicht zu, dass sie sich von Intoleranz und Hass gegen irgendein Land oder ein Volk anstecken lassen. Haltet sie von Waffen fern. Erlaubt ihnen nicht, Krieg zu spielen oder sich damit zu vergnügen, dass sie nachahmen, wie jemand im Kampf fällt. Lehrt sie, ihrem Land und ihrer Fahne treu zu sein, macht ihnen aber bewusst, dass sie Soldaten des Kreuzes Christi sind und dass sie, falls sie zur Verteidigung der Freiheit, des Landes und ihrer Familie die Waffen aufnehmen müssen, dies ohne Hass und Bitterkeit tun müssen. … Lehrt das Friedfertige des Reiches [und] kümmert euch noch eifriger als zuvor um die Bedürftigen.“5

Mit dieser Botschaft forderte Schwester Wells die Schwestern auf, Nächstenliebe in die Tat umzusetzen, wie es der Prophet Joseph Smith über siebzig Jahre zuvor gelehrt hatte. Sie spornte sie an, geduldig mit ihrer Familie umzugehen und ihrem Nächsten – auch den Feinden – freundlich zu begegnen und denen zu helfen, die in Not waren. Die FHV-Schwestern folgten diesem Rat. Sie strebten danach, die reine Christusliebe zu empfangen und weiterzugeben, denn sie wussten, dass sie niemals aufhört.6 Diese Liebe sollte ihnen in Kriegs- wie in Friedenszeiten Halt geben.

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Relief Society sisters preparing layettes

FHV-Schwestern stellen Babyausstattungen für bedürftige Familien zusammen.

Während des Ersten Weltkriegs arbeitete die FHV in den Vereinigten Staaten einträchtig mit Organisationen wie dem nationalen Verteidigungsrat und dem amerikanischen Roten Kreuz zusammen. Die Schwestern wirkten unter anderem bei der Lebensmittelproduktion und -konservierung, Gesundheitspflege, Jugendfürsorge oder bei Spendenaktionen mit. Sie unterstützten diese kommunalen Projekte effektiv und tatkräftig. Ihr Prophet machte ihnen aber bewusst, dass sie den göttlichen Ursprung der FHV nie aus den Augen verlieren durften.

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President Joseph F. Smith

Joseph F. Smith

Ausschnitt aus dem Gemälde Joseph F. Smith von Albert E. Salzbrenner

Präsident Joseph F. Smith, der sechste Präsident der Kirche, sagte, während weltliche Organisationen „von Männern oder Frauen geschaffen seien“, sei die Frauenhilfsvereinigung „von Gott geschaffen, von Gott bevollmächtigt, von Gott dazu eingerichtet, für die Errettung der Menschenseele zu wirken“. Er wollte nicht „erleben, dass sich unsere Frauenhilfsvereinigung mit den von Frauen geschaffenen Organisationen, die entstehen, vermischt oder ihnen folgt und dadurch ihre Identität verliert. … Ihr sollt die Welt führen und vor allem die Frauen der Welt“, sagte er den FHV-Schwestern, „nämlich in allem, was lobenswert ist, in allem, was gottgleich ist, in allem, was erhebt und die Menschenkinder rein macht. Ihr sollt vorausgehen, nicht hinterherlaufen.“7 Schwester Emmeline B. Wells hatte die gleiche Vorstellung. Sie leitete die FHV in der Zusammenarbeit mit anderen Organisationen an, sorgte aber auch dafür, dass der besondere Zweck der FHV und ihr gottgegebener Auftrag bewahrt wurden.

Die FHV-Schwestern arbeiteten nicht nur mit anderen Organisationen zusammen, sondern unternahmen selbst vieles – allein und mit der Gemeinde –, um Hilfsgüter zu beschaffen und Geld für die Bedürftigen zu sammeln. Manche Schwestern fertigten Kleider, Schürzen, Kinderkleidung, Decken, Hüte und handgewebte Teppiche an und verkauften sie. Andere züchteten Rinder und Schafe und verkauften sie.

Eine Schwester in Tooele in Utah erfuhr, dass eine Decke, die sie angefertigt hatte, schließlich einer britischen Familie im Krieg Trost brachte. Die FHV-Schwester hatte die Decke 1906 genäht, ein Briefchen hineingesteckt und sie für die Opfer eines schrecklichen Erdbebens nach San Francisco geschickt. Elf Jahre später wurde die Decke dem Roten Kreuz gespendet und nach Großbritannien geschickt. Die Frau, die die Decke erhielt, fand das Briefchen und schrieb einen Dankesbrief, in dem sie erklärte, dass die Decke „sehr gelegen kam, da mein Mann an der Front gefallen ist“. Sie blieb mit acht Kindern zurück und hatte keine Möglichkeit zu arbeiten. Die Witwe schrieb: „Ich kann einfach nur versuchen, mich nicht unterkriegen zu lassen.“8

Viele britische FHV-Schwestern boten sich an, für die Soldaten zu nähen und zu stricken, aber sie hatten kein Geld, um das notwendige Material zu kaufen. Amerikanische und kanadische Frauenhilfsvereinigungen spendeten eifrig für einen Notfallfonds, um Abhilfe zu schaffen. Sie sandten jedem Zweig in Großbritannien Geld, damit die britischen FHV-Schwestern Material kaufen konnten, um Bettlaken, Kissenbezüge und Kleidung zu nähen.

Als die FHV im Jahr 1918 der amerikanischen Regierung ihren restlichen Weizen verkaufte (siehe Kapitel 4), sagte Schwester Wells: „In all den Jahren haben wir das Getreide, das wir zu einem bestimmten Zweck gelagert haben, kaum gebraucht, aber nun, da diese düstere Wolke über der Welt schwebt, sehen wir, mit welch prophetischer Weisheit Präsident Young die Schwestern damals aufgerufen hat, Getreide für Notzeiten einzulagern.“9

Der Verkauf des Weizens linderte nicht nur Hunger. Schwester Clarissa S. Williams, Ratgeberin von Schwester Wells in der FHV-Präsidentschaft, empfahl, dass der Verkaufserlös in einem gemeinsamen Konto angelegt werden und die Zinsen dazu verwendet werden sollten, Projekte zur Verbesserung der Gesundheit von Frauen und Kindern zu finanzieren. Später, als Schwester Williams die sechste Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung war, wurden diese Gelder unter ihrer Aufsicht für ebendiesen Zweck verwendet.

Zur Stärkung des Einzelnen und der Familie

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sisters in Kidderminster, England

FHV-Schwestern in Kidderminster in England

Am Ende des Ersten Weltkriegs litten viele Menschen und viele Familien große Not – finanziell, körperlich, seelisch und geistig. Um dem allen gerecht zu werden, richtete die Frauenhilfsvereinigung im Jahr 1919 mit der uneingeschränkten Unterstützung von Präsident Heber J. Grant, dem siebten Präsidenten der Kirche, den FHV-Sozialdienst ein. Schwester Amy Brown Lyman, die später die achte Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung wurde, leitete die Abteilung. Durch den Sozialdienst arbeitete die FHV mit den Gemeinden und Pfählen zusammen, beispielsweise um bedürftigen Frauen und Mädchen dabei zu helfen, Arbeit zu finden, oder um Adoptionen von Kindern zu regeln. Der Hauptzweck des Sozialdienstes war jedoch, Familien praktische Anleitung zu geben. Schwester Lyman sagte, der FHV-Sozialdienst sei keine „mildtätige Organisation“, sondern eine „Dienstabteilung“ mit dem Schwerpunkt „die Lage der Familien zu erfassen, Pläne und ein Budget aufzustellen, Hilfe für Familien, die der Kirche angehören, zu organisieren und die Mitarbeiter zu schulen“.10

Mit diesem Ziel vor Augen entwickelte der Sozialdienst einen sechswöchigen Kurs in Familienwohlfahrt. Mitarbeiter aus den Pfählen absolvierten den Kurs und vermittelten die Inhalte dann in ihren Gemeinden und an ihrem Wohnort. Über viertausend Frauen wurden ausgebildet.

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nurses and children at LDS Hospital

Krankenschwestern und Kinder haben Freude am Musizieren, LDS Hospital in Salt Lake City, 1934

1902 hatte die FHV-Präsidentschaft erstmals ein Programm zur Ausbildung von Krankenschwestern gefördert. Bis zum Jahr 1920 war die professionelle Ausbildung zur Krankenschwester jedoch sehr viel umfangreicher geworden, daher richtete die FHV ein Programm zur Ausbildung von Schwesternhelferinnen ein. Der einjährige Kurs, der anfangs am LDS Hospital in Salt Lake City unterrichtet wurde, kostete keine Gebühren. Stattdessen wurde von den Teilnehmern erwartet, dass sie auf kommunaler Ebene dreißig Tage lang ehrenamtlich als Pflegekraft arbeiteten. Nach vier Jahren, in denen 46 Schwesternhelferinnen ausgebildet wurden, stellte die FHV das Programm ein und unterstützte stattdessen vom Roten Kreuz durchgeführte Kurse in häuslicher Krankenpflege. Wie bei manchen anderen Programmen deckte die FHV auch mit diesem Programm einen vorübergehenden Bedarf und überließ diese Arbeit danach anderen Einrichtungen.

Die Führungsbeamtinnen der FHV spornten die Schwestern an, sich weiterhin liebevoll umeinander zu kümmern, wie es die Frauen seit den Anfängen in Nauvoo getan hatten. Die Schwestern pflegten die Kranken, nähten Kleidung für Bedürftige und linderten auf andere Weise Not. Beispielsweise musste 1921 eine Gruppe armenischer Mitglieder der Kirche, die in der Türkei lebten, ihre Häuser verlassen. Joseph W. Booth, Präsident der Palästinensisch-Syrischen Mission, half ihnen, in Aleppo in Syrien Fuß zu fassen, wo er einen Zweig gründete. Zur FHV gehörten etwa dreißig Schwestern. Die meisten dieser Frauen waren sehr arm, und doch betrachteten sie es als ihre ehrenvolle Aufgabe als FHV-Schwestern, denen beizustehen, denen es noch schlechter ging als ihnen. Also kamen sie zusammen und nähten aus knapp hundert Metern Stoff, den Präsident Booth erworben hatte, Kleidung. Für Menschen, die wie sie geflüchtet und zudem unterernährt waren, bereiteten sie Essen zu.

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Joseph Booth and Relief Society sisters from Armenia

Joseph W. Booth und FHV-Schwestern aus Armenien, Anfang der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts

Im April 1921 wurde Schwester Clarissa S. Williams die neue Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung. Da sie Ratgeberin ihrer Vorgängerin Schwester Emmeline B. Wells gewesen war, war sie für die Herausforderungen, die sie erwarteten, gerüstet. Sie war für ihr Organisationstalent und ihren liebevollen und freundschaftlichen Umgang mit allen Menschen bekannt.

Schwester Williams war besorgt wegen der hohen Sterblichkeitsrate von Müttern und Säuglingen. Auch die wenigen Entwicklungsmöglichkeiten für Behinderte und die schlechten Lebensbedingungen vieler Frauen machten ihr Sorgen. Unter ihrer klugen und fähigen Führung arbeiteten die Frauenhilfsvereinigungen weiterhin daran, solche Zustände zu verbessern. 1924 richtete die FHV des Pfahles Cottonwood mit der Unterstützung der führenden Brüder der Kirche sowie örtlicher Priestertumsführer und Schwester Williams’ ein Entbindungsheim ein. Dieses Krankenhaus wurde später Teil eines Verbunds kircheneigener Krankenhäuser.

Schwester Williams fand, dass ein großer Bedarf bestand, „Gesundheit, Chancen und vernünftige Lebensbedingungen für alle [zu fördern], mit denen wir in Kontakt kommen“. Sie sagte: „Ein solches Unterfangen, allgemein die Bedingungen zu verbessern, erfordert sorgfältige Vorbereitung, Schulung, Weiterbildung sowie tatkräftigen Einsatz“.11 Diese Arbeit trug dazu bei, auf aktuelle Erfordernisse einzugehen, und gab den Bischöfen die Möglichkeit, bedürftigen Familien Unterstützung zukommen zu lassen. Sie bereitete die Kirche auch darauf vor, auf Probleme zu reagieren, die einige Jahre später folgen sollten.

Die Förderung der Eigenständigkeit

„Wir … legen ernsthaft und wiederholt Nachdruck darauf, dass es für die Mitglieder vor allem notwendig ist, rechtschaffen zu leben, Verschwendung zu meiden, sich Sparsamkeit und Fleiß zur Gewohnheit zu machen, auf keinen Fall mehr auszugeben, als sie einnehmen, und immer etwas für größere Notzeiten zu sparen – ganz gleich, wie wenig das sein mag.“

Die Erste Präsidentschaft (Heber J. Grant, Anthony W. Ivins, J. Reuben Clark Jr.)

Deseret News, 2. September 1933, Church section, Seite 7

Nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete die FHV mehr als zehn Jahre lang daran, die Lebensbedingungen für Frauen und Familien zu verbessern, wobei der Schwerpunkt auf Gesundheit, Arbeit und Ausbildung gelegt wurde. Die FHV hielt die Schwestern auch weiterhin zu Rechtschaffenheit und Werken der Nächstenliebe an. Dann stürzte die Welt ohne große Vorwarnung Ende 1929 in die große Weltwirtschaftskrise.

Wieder einmal wurden Einzelne und Familien durch die Fähigkeiten, die in der FHV gelehrt und gelernt wurden, in einer Krise gestärkt. Die Frauen in der Kirche fanden Halt in ihrem Glauben an den Vater im Himmel und Jesus Christus, nutzten ihre Fertigkeiten im Hinblick auf Eigenständigkeit und brachten die Nächstenliebe, die sie im Herzen trugen, durch ihre Werke zum Ausdruck. Von diesen Grundsätzen geleitet waren sie imstande, für sich und ihre Familie zu sorgen und sich zudem noch um andere zu kümmern.

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Präsident Heber J. Grant

Heber J. Grant

Ausschnitt aus dem Gemälde Heber J. Grant von C. J. Fox; © IRI

1928 berief Präsident Heber J. Grant Schwester Louise Y. Robison als siebte Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung. Schwierige wirtschaftliche Verhältnisse waren für Schwester Robison nichts Neues. Sie war in einem einfachen Blockhaus im ländlichen Scipio in Utah aufgewachsen, wo sie gelernt hatte, Land zu bebauen, einen Garten anzulegen, zu nähen, fleißig zu arbeiten, mit wenig auszukommen und frohen Mutes zu sein.

Sieben Jahre bevor Präsident Grant Schwester Robison als Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung berief, hatte er sie als Zweite Ratgeberin in der FHV-Präsidentschaft eingesetzt. Sie hatte sich sehr unzulänglich gefühlt, wie ihre Tochter berichtete:

„Als Mutter zu Präsident Grants Büro ging, um eingesetzt zu werden, war sie überzeugt, dass er nicht richtig informiert war, was ihre Fähigkeiten anbelangte; daher sagte sie ihm, sie wolle gern bei allem, womit er sie beauftrage, ihr Bestes geben, aber er müsse wissen, dass sie nur eine geringe Bildung, wenig Geld und keine gesellschaftliche Stellung besaß. Sie fürchtete, sie sei nicht das Vorbild, das die Frauen in der FHV von einer Präsidentin erwarteten. Schließlich sagte sie noch: ‚Ich bin nur eine einfache Frau!‘ Präsident Grant antwortete: ‚Schwester Louizy, 85 Prozent der Frauen in der Kirche sind einfache Frauen. Wir berufen Sie dazu, sie anzuführen.‛“12

Durch Präsident Grants Worte ermutigt, setzte Schwester Robison ihre einzigartigen Gaben ein und erfüllte ihre Aufgabe von ganzem Herzen, zunächst als Ratgeberin und später als Präsidentin. Sie war weise, mitfühlend und fleißig. Da sie selbst keine umfangreiche formelle Ausbildung genossen hatte und in bescheidenen Verhältnissen lebte, konnte sie Frauen in ähnlichen Lebensumständen verstehen und ihnen helfen. Ihr Rat an die Hausfrauen und Mütter war praktisch und einfühlsam. Sie wusste, was für ein Kampf es war, mit knappen Mitteln auszukommen, und doch auch, wie wichtig der Einfluss der Mutter in der Familie war. Daher spornte sie die Mütter an, alles zu tun, was möglich war, damit sie zuhause bei ihren Kindern bleiben konnten und sie nicht zurücklassen mussten, um irgendwo einer Arbeit nachzugehen.

Die US-Regierung ergriff viele Hilfsmaßnahmen in dem Versuch, die Wirtschaftskrise zu überwinden. Eine Zeit lang arbeitete der FHV-Sozialdienst mit kommunalen Einrichtungen zusammen, um bedürftigen Familien beizustehen, aber der Bedarf an Hilfe wurde so groß, dass dies nicht mehr bewältigt werden konnte. Eine Mitarbeiterin des Sozialdienstes, die 1929 noch für 78 Familien zuständig gewesen war, musste sich 1934 schließlich um über 700 Familien kümmern.13

Die Kirche war für die Arbeit der staatlichen Einrichtungen dankbar. Schwester Robison sagte, die US-Regierung helfe notleidenden Menschen auf „ganz wunderbare Weise“. Doch wie die Priestertumsführer erklärte sie, dass die Mitglieder der Kirche weiterhin die grundlegenden Ideale der Eigenständigkeit fördern mussten. Sie sagte: „Seit 93 Jahren verkündet die FHV, dass wir uns um unsere Bedürftigen kümmern. Ich frage mich, ob wir dies nun zu oft der Regierung überlassen.“14

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sisters in California preserving food

FHV-Schwestern in Kalifornien konservieren Lebensmittel im Rahmen des Wohlfahrtsprogramms ihres Pfahles, um 1940

Im April 1936 stellte die Erste Präsidentschaft das Wohlfahrtsprogramm für die ganze Kirche vor. Dies ermöglichte der Kirche, sich besser um bedürftige Mitglieder zu kümmern. Auf der Herbst-Generalkonferenz 1936 erläuterte Präsident Heber J. Grant den Zweck des Programms.

„Es war unser vornehmstes Ziel“, sagte er, „so weit wie möglich ein System zu schaffen, das den Fluch des Müßiggangs und die Nachteile von staatlichen Almosen beseitigt und bei unseren Leuten wieder Unabhängigkeit, Fleiß, Sparsamkeit und Selbstachtung entstehen lässt. Das Ziel der Kirche besteht darin, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Arbeit muss für unsere Mitglieder wieder zum beherrschenden Grundsatz werden.“15

Jahre später bekräftigte Präsident Thomas S. Monson, der sechzehnte Präsident der Kirche, diese Aussage. „Vergessen Sie nicht“, sagte er, „durch die Hilfe der Kirche soll den Leuten in der Weise geholfen werden, dass sie sich selbst helfen können. Die Verantwortung dafür, wieder unabhängig zu werden, liegt beim Einzelnen und bei der Familie, wobei sie vom Priestertumskollegium und von der Frauenhilfsvereinigung unterstützt werden. Wir versuchen, Unabhängigkeit zu entwickeln, nicht Abhängigkeit. Der Bischof muss bestrebt sein, bei jedem, der Hilfe empfängt, Redlichkeit, Selbstachtung und Würde – also den Charakter – zu stärken, wodurch der Betreffende völlig eigenständig wird.“16

Ein leitender Grundsatz des Wohlfahrtsprogramms war, dass die FHV-Schwestern und die Brüder im Priestertum harmonisch zusammenarbeiten sollen. Präsident Harold B. Lee, der elfte Präsident der Kirche, half mit, das Wohlfahrtsprogramm einzuführen, als er Pfahlpräsident war. Er sagte:

„Das wichtigste Ziel, das wir mit [dem Wohlfahrtsprogramm der Kirche] verfolgen, ist, die Zusammenarbeit und Einigkeit in der ganzen Kirche zu fördern. …

Nur in dem Maß, wie die FHV der Gemeinde mit den Priestertumskollegien und der Bischofschaft zusammenarbeitet, gibt es das [Wohlfahrts]programm in dieser Gemeinde.“17

Vor allem die FHV-Leiterin spiele dabei eine wesentliche Rolle, meinte Bischof Joseph L. Wirthlin, der damals Präsidierender Bischof der Kirche war: „Meiner Meinung nach gibt es nur eine, die eine Familie zuhause besuchen, den Bedarf feststellen und dann vernünftig für die notwendige Hilfe sorgen kann, nämlich die Spezialistin auf dem Gebiet der Haushaltsführung: die FHV-Leiterin. Schließlich haben diese großartigen Frauen selbst eine Familie und haben Erfahrung mit Kindern und mit der Haushaltsführung.“18

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sisters in Del Rio, Texas

Eine Gruppe FHV-Schwestern in Del Rio in Texas, um 1950

Die Frauenhilfsvereinigungen waren gut in der Lage, in der Wohlfahrtsarbeit der Gemeinden eine wichtige Rolle zu übernehmen. Auf Weisung der Bischöfe bewerteten sie, was einzelne Familien brauchten, und versorgten sie je nach Bedarf mit eingemachten Obst und Gemüse, Kleidung und Bettzeug. Eine Zeit lang wurden alle Schwestern, die Obst einmachten, gebeten, jedes zehnte Glas für das Wohlfahrtsprogramm zu spenden. Schwester Belle S. Spafford, die neunte Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung, erzählte, dass die Frauen Obst sammelten, das der Wind von den Bäumen geweht hatte, es einmachten und an bedürftige Schwestern austeilten. Durch diesen Dienst lernte sie den Zweck der FHV noch mehr zu schätzen.

Die FHV-Leiterinnen waren ein unerlässlicher Bestandteil des Wohlfahrtssystems der Kirche. Auf oberster Ebene sowie in den Pfählen und Gemeinden nahmen sie an Sitzungen des Wohlfahrtskomitees teil, hatten Einfluss auf Entscheidungen und koordinierten die Bemühungen. Diese Koordinierung war notwendig, weil die Zahl der von der Kirche betriebenen Wohlfahrtsfarmen und -fabriken, Verteilungszentren und sonstigen Einrichtungen anstieg. Der FHV-Sozialdienst ging 1969 in den Wohlfahrts- und Sozialdienst der Kirche über.

Ein festes Band der Nächstenliebe

Von 1939 bis 1945 überzog der Zweite Weltkrieg einen Großteil der Welt. Die meisten Programme der Kirche waren von diesem weltweiten Krieg beeinträchtigt. Im März 1940 kam Präsident J. Reuben Clark Jr., Erster Ratgeber von Präsident Heber J. Grant, mit den Präsidenten und Präsidentinnen der Hilfsorganisationen zusammen, um alle Programme und Aktivitäten einer Prüfung zu unterziehen. Sie legten vier grundlegende Ziele für jeden Bereich der Kirche fest: „die ‚immer größer werdende Last‛ für die Mitglieder, Aktivitäten der Kirche zu unterstützen, zu verringern, die Last des Bischofs zu reduzieren, Programme, die große, teure Gemeindehäuser erforderten, einzuschränken und dafür zu sorgen, dass die Ausgaben der Kirche die Einnahmen nicht überstiegen“. Die FHV und andere Organisationen wurden gebeten, „ihre Arbeit so zu konsolidieren, zu koordinieren, zu reduzieren, zu vereinfachen und anzupassen, dass sie gemeinsam mit der [Ersten] Präsidentschaft die oben genannten Ziele erreichen konnten“.19

Die Bewahrung der Familie

Bei der Vereinfachung der Programme ging es den führenden Brüdern der Kirche vor allem darum, die Familie zu bewahren. Die Priestertumsführer und die Leitungen der Hilfsorganisationen waren besorgt, dass der Zweite Weltkrieg Familien zerrüttete. Die Männer mussten in den Krieg, und die Frauen mussten für ihre Kinder sorgen, ohne dass ihr Mann oder ihre älteren Söhne sie dabei direkt unterstützen konnten. Wiederum legten die Führer der Kirche den Müttern, die noch Kinder zuhause hatten, ans Herz, wenn möglich für ihre Kinder zu sorgen, ohne einer Vollzeitbeschäftigung außer Haus nachzugehen. Sie forderten die FHV-Schwestern auf, sich Fertigkeiten anzueignen, die ihnen halfen, auf eigenen Füßen zu stehen: Decken und Kleidung zu nähen, einen Garten anzulegen und Obst und Gemüse einzukochen und einzulagern. Außerdem betonten sie, wie wichtig der Einfluss der Mutter für die geistige Gesinnung in der Familie war. Länder, die vom Krieg zerrissen waren, brauchten gute junge Menschen, die von ihren Müttern moralische Grundsätze und Rechtschaffenheit lernten.

Zusammenarbeit mit kommunalen Einrichtungen und mit den Priestertumsträgern

Wie im Ersten Weltkrieg folgten FHV-Schwestern in den Vereinigten Staaten der Aufforderung, sich ehrenamtlich an der Arbeit anderer guter Organisationen zu beteiligen. 1942 absolvierten über zehntausend FHV-Schwestern vom Roten Kreuz durchgeführte Kurse in Krankenpflege, Erster Hilfe und Ernährung. Die Kirche förderte außerdem Kampagnen gegen Tabak und Alkohol, um die Gesundheit der Mitglieder der Kirche, die Militärdienst leisteten, zu schützen. Durch die Unterstützung dieser Programme und ihren mildtätigen Dienst am Nächsten trugen die FHV-Schwestern zur Gesundheitsförderung bei und gewannen an Ansehen.

Dies war eine Zeit, in der die FHV-Schwestern sehr viel mit kommunalen Einrichtungen und mit den Priestertumsführern zusammenarbeiteten. Schwester Amy Brown Lyman, die achte Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung, war zur Zeit des Zweiten Weltkriegs im Amt. Sie sagte:

„Mit am dankbarsten war ich für … die Unterstützung, die die Frauen stets von den Priestertumsträgern erhalten haben – von den Generalautoritäten der Kirche und auch von den örtlichen Priestertumsführern, allen voran den Bischöfen.

Die Generalautoritäten haben den Leiterinnen der Hilfsorganisationen der Kirche nicht nur außergewöhnliche Wirkungsfelder in der Kirche eröffnet, sondern sie auch in ihrer Zusammenarbeit mit anderen humanitären Einrichtungen unterstützt.“20

Ein Beispiel für solche Zusammenarbeit war die Unterbringung von indianischen Schülern bei Familien, die der Kirche angehörten. Dieses Programm wurde 1947 mit Unterstützung von Elder Spencer W. Kimball, damals vom Kollegium der Zwölf Apostel, ins Leben gerufen. Indianische Jugendliche aus kleinen Dörfern lebten auf Einladung eine Zeit lang bei Mitgliedern der Kirche, und zwar an Orten, wo sie die Schule besuchen konnten und die Kirche bereits etabliert war. Durch dieses Programm konnten die Jugendlichen ihren Erfahrungsschatz erweitern, und das Verständnis zwischen unterschiedlichen Kulturen wurde gefördert.

FHV-Führungsbeamtinnen, vor allem Schwester Belle S. Spafford, die neunte Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung, halfen mit, das Programm unter der Leitung von Elder Kimball durchzuführen. Viele Schwestern sorgten für die Jugendlichen, die sie aufnahmen, wie für ihre eigenen Kinder. Das Programm wurde bis 1996 fortgesetzt. Präsident Boyd K. Packer vom Kollegium der Zwölf Apostel sagte später darüber: „Das Programm hat seinen Zweck erfüllt und wurde nun beendet. So ist das eben. … Wenn der Bau fertig ist, wird das Gerüst abgebaut.“21

„Die reine Christusliebe“: Nächstenliebe in Aktion

„Unser ewiges Glück wird danach bemessen werden, wie wir uns selbst dem Dienst am Mitmenschen gewidmet haben.“

George Albert Smith

Herbst-Generalkonferenz 1936

FHV-Schwestern in Europa erlebten die verheerenden Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs. Sie bewiesen auch bewundernswerten Mut, indem sie trotz furchtbarer Lebensbedingungen einander beistanden. Sie gaben nicht auf, blieben treu und vertrauten auf ihr Zeugnis und das Sühnopfer Jesu Christi. Ihr Leben und ihre Zeugnisse aus dieser Zeit sind wahrlich inspirierend.

Nach dem Krieg schrieb Maria Speidel, damals FHV-Leiterin des Distrikts Stuttgart:

„Die vergangenen fünf Jahre waren schwierig und haben uns sehr demütig gestimmt. Unser Vertrauen in den Herrn und unser Zeugnis von seiner Kirche waren unsere Stütze. Gott hat uns barmherzig bewahrt, und auch wenn wir viel leiden mussten, hat er uns doch von seiner Kraft gegeben. Manche von uns haben allen weltlichen Besitz verloren, alles Greifbare, was uns lieb und teuer war, und wenn wir sagen, dass es besser sei, mit Gott im Dunkeln zu wandeln, als ohne ihn im Licht, wissen wir, wovon wir sprechen. …

Voll Freude singen wir die Lieder Zions und setzen unser Vertrauen in den Herrn. Er macht alles gut.“22

Gertrude Zippro, FHV-Leiterin eines anderen Distrikts, ging viele Male in der Dunkelheit ihren Weg mit Gott, um ihren Schwestern liebevoll beizustehen. Sie lebte in der Besatzungszeit in Holland. Da Reisende oft von Wachen angehalten und durchsucht wurden, hatte sie immer einen Ausweis bei sich, wenn sie die FHV in den Zweigen in ihrem Distrikt besuchte.

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Gertrude Zippro and children

Getrude Zippro, Mitte, mit ihren Schwestern und ihren Kindern

Schwester Zippros Sohn John berichtete, dass es „immer gefährlicher wurde, abends noch draußen zu sein, als die Besetzung schon fünf Jahre andauerte“. Über das Engagement seiner Mutter sagte er: „Können Sie sich vorstellen, wie meine Mutter diesen schwierigen Bedingungen trotzte und sich viele Male abends mit dem Fahrrad aufmachte, um einen Zweig zu besuchen?“ Er erzählte: „Ungeachtet ihrer eigenen Gefühle und ungeachtet der Umstände erfüllte sie ihre Pflicht. Was für eine großartige Frau und FHV-Leiterin sie doch war! Ich habe heute nicht den geringsten Zweifel, dass der Herr selbst sie dazu ausersehen hat, zu dieser Zeit FHV-Leiterin zu sein.“

Schwester Zippros Sohn sagte weiter: „Sie muss völliges Vertrauen in den Herrn gehabt haben, um unter diesen Bedingungen immer wieder hinauszugehen, ohne zu wissen, auf was für Probleme sie stoßen würde.“23

In Dänemark war die Lage der Mitglieder erträglicher als in vielen anderen Ländern. Sie hatten zu essen, daher teilten sie mit ihren Mitmenschen in Nachbarländern, denen es nicht so gut ging. Eva M. Gregersen, FHV-Leiterin der Dänischen Mission, erzählte: „Im Krieg haben wir uns darangemacht, unserem Nachbarland Norwegen, wo großer Hunger herrschte, zu helfen. Gemeinsam mit dem Missionsbüro haben wir zu diesem Zweck Geld gespendet und jeden Monat etliche Lebensmittelpakete zu unseren Brüdern und Schwestern in Norwegen gesandt, die unbeschreiblich dankbar waren.“24

Präsident Hugh B. Brown wurde selbst Zeuge solcher Nächstenliebe. Er war von 1937 bis 1939 Präsident der Britischen Mission, von 1939 bis 1945 Beauftragter für die Armeeangehörigen in Europa, die der Kirche angehörten, und 1945/46 wiederum Präsident der Britischen Mission. Später gehörte er dem Kollegium der Zwölf Apostel und der Ersten Präsidentschaft an. Er berichtete über den Dienst am Nächsten, den die FHV-Schwestern im Zweiten Weltkrieg leisteten:

„In der Kriegszone gibt es hunderte von FHV-Schwestern, die Gefahren, Prüfungen und Bedrängnissen ausgesetzt sind, vergleichbar mit dem, was unsere Männer auf dem Schlachtfeld erleben. Diese tapferen Frauen sind trotz nahezu unüberwindlicher Schwierigkeiten beharrlich ihren Weg weitergegangen. …

Mit diesen Frauen im Gebet niederzuknien und zu hören, wie sie Gott für ihre einfachen Segnungen danken, dafür, dass er ihr Leben und das Leben ihrer Angehörigen bewahrt hat, für ihre kärglichen Mahlzeiten und ihre fensterlosen Wohnungen, ist Inspiration und Tadel zugleich für viele von uns, deren materielle Segnungen weit über das hinausgehen, was hier vorhanden ist, die sich aber häufig beklagen, dass sie auf ein wenig Luxus verzichten müssen.“25

Hedwig Biereichel, eine Schwester in Ostdeutschland, versorgte hungernde russische Kriegsgefangene mit Lebensmitteln, obwohl sie und ihre Familie für diesen Akt der Nächstenliebe eingesperrt oder erschossen hätten werden können.26 Jahre später wurde sie, wie viele andere, die im Zweiten Weltkrieg ähnliche Prüfungen erlebt hatten, zu ihren Erfahrungen befragt. Am Ende jedes Interviews wurde die Frage gestellt: „Wie haben Sie in all diesen Prüfungen Ihr Zeugnis bewahrt?“ Die Antworten auf diese Frage fasste die Interviewerin so zusammen: „Ich habe mein Zeugnis in diesen Zeiten nicht bewahrt – mein Zeugnis hat mich bewahrt.“27

Als der Zweite Weltkrieg 1945 zu Ende war, hatten FHV-Schwestern in aller Welt viel Kummer und Entbehrung erlitten. Trotz alldem hatten sie sich aber weiterhin umeinander gekümmert, die Familien gestärkt und Zeugnisse gefestigt.

Schwester Amy Brown Lyman, die so viel Leid und so viel selbstlosen Dienst miterlebt hatte, erklärte:

„[Mein] Zeugnis war mein Anker und mein Halt, meine Erfüllung in Zeiten der Freude und Unbeschwertheit und mein Trost in Zeiten des Kummers und der Enttäuschung. …

Ich bin dankbar, dass ich in der Frauenhilfsvereinigung … dienen konnte, wo ich die meiste Zeit meines Erwachsenenlebens so glücklich und zufrieden mit den tausenden FHV-Mitgliedern zusammengearbeitet habe. Ich habe sie zuhause besucht, bei ihnen übernachtet und an ihrem Tisch gegessen und habe ihren schönen Charakter, ihre Selbstlosigkeit, ihr verständnisvolles Herz, ihre Glaubenstreue und ihre Opferbereitschaft kennengelernt. Diese großartige, füreinander sorgende Gemeinschaft von Schwestern achte ich höher, als ich es auszudrücken vermag.“28

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Christ healing a man

„Nächstenliebe ist die reine Christusliebe, und sie dauert für immer fort.“ (Moroni 7:47)

Ausschnitt aus dem Gemälde Christus heilt einen Blinden von Del Parson; © 1983 IRI

In Zeiten der Prüfung und der Ungewissheit haben FHV-Schwestern auf der ganzen Welt Mormons Aufforderung befolgt, „an der Nächstenliebe [festzuhalten], die von allem das Größte ist“. Sie haben gezeigt, dass sie wirklich verstanden haben, dass „die Nächstenliebe … die reine Christusliebe [ist und] für immer [fortdauert]“, während alles andere aufhören muss.29 Immer wieder haben sie nach ihrem Wahlspruch gehandelt: „Die Liebe hört niemals auf.“

Kapitel 5

  1. Emmeline B. Wells, Clarissa S. Williams und Julina L. Smith, „Resolutions of Relief Society“, Woman’s Exponent, November 1913, Seite 79

  2. 1 Korinther 13:8; siehe Moroni 7:46; siehe auch General Board Minutes, 1842–2007, 3. Juli 1913, Historisches Archiv der Kirche

  3. Joseph Smith, zitiert in Relief Society Minute Book, Nauvoo, Illinois, 9. Juni 1842, Seite 63, Historisches Archiv der Kirche

  4. Moroni 7:47

  5. Emmeline B. Wells, Clarissa S. Williams und Julina L. Smith, „Epistle to the Relief Society Concerning These War Times“, Relief Society Magazine, Juli 1917, Seite 364

  6. Siehe Moroni 7:46,47

  7. Joseph F. Smith, zitiert in Minutes of the General Board of Relief Society, 17. März 1914, Seite 54f., Historisches Archiv der Kirche

  8. Zitiert in „Notes from the Field“, Relief Society Magazine, September 1917, Seite 512

  9. Emmeline B. Wells, „The Grain Question“, Relief Society Bulletin, September 1914, Seite 1f.

  10. Amy Brown Lyman, „Social Service Work in the Relief Society, 1917–1928“, Schreibmaschinenmanuskript, Seite 2, Historisches Archiv der Kirche

  11. Clarissa S. Williams, zitiert in „Relief Society Gives Hard Job to General Head“, Deseret News, 23. September 1925, Abschnitt 2, Seite 1

  12. Gladys Robison Winter, zitiert in The Life and Family of Louise Yates Robison, Hg. Gladys Robison Winter, Historisches Archiv der Kirche

  13. Siehe Evelyn Hodges Lewis, Niederschrift eines Interviews mit Loretta Hefner, September 1979, Historisches Archiv der Kirche

  14. Louise Y. Robison, „Officers’ Meeting“, Relief Society Magazine, Mai 1935, Seite 272

  15. Heber J. Grant, Herbst-Generalkonferenz 1936

  16. Thomas S. Monson, „Guiding Principles of Personal and Family Welfare“, Ensign, September 1986, Seite 5

  17. Harold B. Lee, „Place of the Relief Society in the Church Security Plan“, Relief Society Magazine, März 1937, Seite 143

  18. Joseph L. Wirthlin, „Relief Society – An Aid to the Bishops“, Relief Society Magazine, Juni 1941, Seite 417

  19. „Memo of Suggestions“, Seite 1ff., Church Union Board Executive Committee Minutes, Historisches Archiv der Kirche

  20. Amy Brown Lyman, zitiert in Mayola R. Miltonberger, Fifty Years of Relief Society Social Services, 1987, Seite 2

  21. Boyd K. Packer, unveröffentlichtes Manuskript

  22. Maria Speidel, zitiert in „Notes from the Field“, Relief Society Magazine, Februar 1946, Seite 123

  23. John Zippro, „Life Story of John Zippro“, unveröffentlichtes Manuskript, zitiert in Jill Mulvay Derr, Janath Russell Cannon und Maureen Ursenbach Beecher, Women of Covenant: The Story of Relief Society, 1992, Seite 301f.

  24. Eva M. Gregerson, zitiert in „Notes from the Field“, Relief Society Magazine, Februar 1946, Seite 118

  25. Hugh B. Brown, zitiert in „Notes from the Field“, Relief Society Magazine, Oktober 1944, Seite 591f.

  26. Siehe Hedwig Biereichel, zitiert in Roger P. Minert, In Harm’s Way: East German Saints in World War II, 2009, Seite 209

  27. Siehe Jennifer A. Heckmann, zitiert in Nathan N. Waite, „Steadfast German Saints“, BYU Magazine, Winter 2010, Seite 57

  28. Amy Brown Lyman, In Retrospect, 1945, Seite 160f.

  29. Moroni 7:46,47