Lehren der Präsidenten der Kirche
Das Wunder der Vergebung


Kapitel 4

Das Wunder der Vergebung

Durch aufrichtige Umkehr und die erlösende Kraft des Erretters können wir das Wunder der Vergebung erfahren.

Aus dem Leben von Spencer W. Kimball

Präsident Kimball hat gesagt: „Umkehr ist immer der Schlüssel zu einem besseren, glücklicheren Leben. Wir alle haben sie nötig.“1

Er erklärte auch: „Hoffnung ist … der große Antrieb für die Umkehr, denn ohne sie würde niemand die großen, umfassenden Anstrengungen unternehmen, die … nötig sind.“ Zur Veranschaulichung berichtete er, wie er einer Frau geholfen hatte, die zu ihm gekommen war. Sie hatte eine Sünde begangen und war nun ganz niedergeschlagen. Sie sagte: „Ich weiß, was ich getan habe. Ich habe die Schrift gelesen und kenne die Folgen. Ich weiß, ich bin verdammt und kann niemals Vergebung erlangen, und warum soll ich dann versuchen umzukehren?“

Präsident Spencer W. Kimball sagte darauf: „Meine liebe Schwester, Sie kennen die Schrift nicht. Sie wissen nichts von der Macht Gottes und seiner Güte. Sie können diese schandbare Sünde tatsächlich vergeben bekommen, aber dazu wird viel aufrichtige Umkehr nötig sein.“

Dann zitierte er ihr verschiedene Schriftstellen über Vergebung, die man erlangt, wenn man aufrichtig umkehrt und Gottes Geboten gehorcht. Während er sie weiter unterwies, sah er Hoffnung in ihr aufkeimen, bis sie schließlich ausrief: „Danke! Ich danke Ihnen! Ich glaube Ihnen. Ich werde wirklich umkehren und meine schmutzigen Kleider im Blut des Lammes waschen; und so werde ich diese Vergebung erlangen.“

Präsident Kimball erinnerte sich, dass diese Frau schließlich wieder in sein Büro kam; sie war „ein anderer Mensch geworden: Ihre Augen leuchteten, ihr Schritt war beschwingt und sie strahlte vor Hoffnung. Seit dem denkwürdigen Tag, da sie sich an eine neue Hoffnung geklammert hatte, habe sie [diese Sünde] nie wieder begangen, sagte sie, vielmehr allen Verlockungen widerstanden.“2

Lehren von Spencer W. Kimball

Das Wunder der Vergebung bringt Frieden und hilft uns, Gott näher zu kommen.

Auf jeden, der bereit ist, sich zu ändern, wartet ein herrliches Wunder. Umkehr und Vergebung verwandeln die finsterste Nacht in einen strahlend hellen Tag. Wenn jemand von neuem geboren wird, wenn sich sein Leben ändert, dann geschieht das große Wunder, das alles schön und warm und erhebend macht. Wenn geistiger Tod gedroht hat, jetzt aber Wiederbelebung einsetzt, wenn das Leben den Tod vertreibt – wenn das geschieht, ist es das Wunder der Wunder. Solche Wunder werden niemals aufhören, solange es auch nur einen Menschen gibt, der sich der erlösenden Kraft des Erretters und seiner eigenen Werke bedient, um wiedergeboren zu werden. …

Das Wesentliche am Wunder der Vergebung ist, dass die angsterfüllte, ruhelose, unglückliche und vielleicht gepeinigte Seele dadurch Frieden findet. In einer Welt voll Unruhe und Streit ist das fürwahr ein höchst kostbares Geschenk.3

In der heutigen Welt voll Unruhe ist es nicht leicht, inneren Frieden zu haben. Seelenfriede ist notwendigerweise etwas, was man sich selbst erarbeiten muss. … Er [kann] nur dadurch erworben werden, dass man ständig umkehrwillig ist, nach Vergebung für die großen und kleinen Sünden strebt und auf diese Weise Gott immer näher kommt. Für die Mitglieder der Kirche ist das besonders wichtig, wenn sie sich bereitmachen, Christus bei seinem Kommen zu begegnen. … Wer bereit ist, wird im Herzen Frieden haben. Er wird an den Segnungen teilhaben, die der Erretter seinen Aposteln verheißen hat: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.“(Johannes 14:27.)

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage hat den Auftrag, die Menschen in aller Welt zur Umkehr zu rufen. Wer diesem Ruf Folge leistet, sei er nun Mitglied oder nicht, kann am Wunder der Vergebung teilhaben. Dann wischt ihm Gott die Tränen der Seelenpein, der Gewissensqual und Bestürzung, der Furcht und Schuld von den Augen ab. Das Weinen hat ein Ende, ein befreites Lächeln tritt an die Stelle des sorgenvollen, ängstlichen Blicks.

Welch eine Erleichterung! Welcher Trost! Welche Freude! Wer mit Übertretung und Kummer und Sünde beladen ist, kann Vergebung empfangen und gereinigt und geläutert werden, sofern er zum Herrn zurückkommt, von ihm lernt und seine Gebote hält. Wir alle haben es ja nötig, Tag für Tag von unseren Torheiten und Schwächen umzukehren, und darum können wir ebenso alle an diesem Wunder teilhaben.4

Wir alle müssen umkehren.

„Es kann nichts Unreines in das Reich Gottes eingehen.“ (1 Nephi 15:34.) Und: „Nichts Unreines kann bei Gott wohnen.“ (1Nephi 10:21.) Den Propheten bedeutet unrein in diesem Zusammenhang das, was es auch Gott bedeutet. Den Menschen mag die Bedeutung des Wortes relativ sein – ein winziger Schmutzfleck macht ein weißes Hemd oder Kleid beispielsweise noch nicht unrein. Gott aber, der vollkommen ist, meint die sittliche und persönliche Reinheit. Was dem nicht entspricht, ist mehr oder weniger unrein und kann deshalb nicht bei Gott wohnen.

Wären wir nicht mit der Gabe der Umkehr und Vergebung gesegnet, so befänden wir uns in einer hoffnungslosen Lage, da ja auf der Erde außer dem Herrn niemand je ohne Sünde gelebt hat.5

Im Leben des Menschen gibt es nicht einen Tag, an dem er nicht zu seinem Wohlergehen und ewigen Fortschritt umkehren müsste.

Wir setzen aber meist, wenn wir an Umkehr denken, Scheuklappen auf und meinen, das sei nur für unseren Mann, unsere Frau, unsere Eltern, unsere Kinder, unsere Nachbarn, unsere Bekannten, die Welt – für alle und jeden, nur nicht für uns selbst. Desgleichen herrscht das vielleicht unbewusste Gefühl vor, der Herr habe die Umkehr nur für diejenigen vorgesehen, die Mord oder Ehebruch oder Diebstahl und andere schändliche Verbrechen begehen. Das ist natürlich nicht so. Wenn wir demütig sind und gern nach dem Evangelium leben möchten, ist uns bewusst, dass die Umkehr für alles gilt, was wir im Leben tun, sei es geistiger oder zeitlicher Natur. Umkehr hat jeder nötig, der noch nicht vollkommen ist.6

Die Umkehr ist der Schlüssel zur Vergebung. Sie öffnet das Tor zum Glücklichsein und zum Frieden; sie weist den Weg zur Errettung im Reich Gottes. Sie weckt im Menschen Demut und bringt ihn zur Zerknirschung, sodass er sich dem Willen Gottes unterordnet.

„Sünde ist Gesetzwidrigkeit“ (1 Johannes 3:4), und für ein solches Vergehen ist im Rahmen des ewigen Gesetzes eine Strafe festgesetzt. Jeder normale Mensch ist für die Sünden, die er begeht, verantwortlich und wäre deshalb auch den Strafen unterworfen, die für einen solchen Gesetzesbruch festgesetzt sind. Durch den Kreuzestod Christi ist uns aber, was die meisten Sünden betrifft, Befreiung von der ewigen Strafe in Aussicht gestellt. Er hat die Strafe für alle Sünden der ganzen Menschheit auf sich genommen – worunter man zu verstehen hat, dass diejenigen, die umkehren und zu ihm kommen, Vergebung ihrer Sünden erlangen und von der Strafe ausgenommen werden.7

Zur wahren Umkehr gehört, dass man Sünde erkennt und gottgewollte Traurigkeit empfindet.

Umkehr ist ein gütiges, barmherziges Gesetz; es ist weitreichend und allumfassend. … Es [besteht] aus vielen Einzelteilen, ein jeder unerlässlich für die vollständige Umkehr. …

Es gibt keinen leichten, bevorzugten Weg der Umkehr, keine Begünstigung, wenn man Vergebung erlangen will. Jeder Mensch muss denselben Weg gehen, sei er reich oder arm, gebildet oder ungeschult, hoch gewachsen oder klein, Fürst oder Bettelmann, König oder einfacher Bürgerlicher. „Denn Gott richtet ohne Ansehen der Person.“ (Römer 2:11.) …

Bevor man die vielen einzelnen Teile der Umkehr ins Werk setzt, muss es einen ersten Schritt geben, und das ist der Wendepunkt, an dem der Sünder seine Sünde bewusst erkennt. Das ist das Erwachen, das Schuldbewusstsein, ohne das es keine wahre Umkehr geben kann, weil die Sünde nicht zugegeben wird. …

Erst wenn wir gewahr werden, wie schwerwiegend unsere Sünde ist, können wir uns das vornehmen, was uns von den Auswirkungen der Sünde zu befreien vermag. Alma versuchte, seinen Sohn Korianton davon zu überzeugen; er sagte: „[Lass] dich nur von deinen Sünden beunruhigen …, mit jener Unruhe, die dich hinabführt zur Umkehr. … Unterfange dich nicht, dich deiner Sünden wegen im geringsten zu entschuldigen.“ (Alma 42:29,30.)8

Der Heilige Geist kann dabei eine wichtige Rolle spielen, indem er den Sündigen von seinem Fehler überzeugt. Er tut von allem kund, „ob es wahr ist“ (Moroni 10:5), lehrt uns alles und erinnert uns an alles (Johannes 14:26), er überführt die Welt und deckt auf, was Sünde ist (Johannes 16:8).

Viele drücken ihr Bedauern darüber aus, dass sie falsch gehandelt haben, und sagen dann, sie hätten damit Umkehr geübt. Die wahre Umkehr zeichnet sich aber durch eine gottgewollte Traurigkeit aus, die den Menschen ändert, umwandelt und errettet. Es ist nicht damit getan, dass es einem Leid tut. … Paulus macht das den Heiligen in Korinth folgendermaßen klar:

„Jetzt freue ich mich, nicht weil ihr traurig geworden seid, sondern weil die Traurigkeit euch zur Sinnesänderung geführt hat. Denn es war eine gottgewollte Traurigkeit; so ist euch durch uns kein Nachteil erwachsen.

Die gottgewollte Traurigkeit verursacht nämlich Sinnesänderung zum Heil, die nicht bereut zu werden braucht; die weltliche Traurigkeit aber führt zum Tod.“ (2 Korinther 7:9,10.)9

Zu jeder Vergebung gibt es eine Bedingung, nämlich dass das Pflaster so groß sein muss wie die Wunde. Das Fasten, das Beten, die Demut müssen ebenso groß sein wie die Sünde oder noch größer. Es muss ein reuiges Herz und ein zerknirschter Geist vorhanden sein. Es muss „Sack und Asche“ geben. Es muss Tränen und eine echte Herzenswandlung geben.10

Abkehr von Sünde schließt mit ein, dass man ein neues Leben aufbaut.

Natürlich genügt es nicht, dass man seine Schuld einsieht. Wäre diese Einsicht nicht von dem Bemühen begleitet, sich von der Schuld zu reinigen, so könnte das verheerende Auswirkungen haben. Mit der Einsicht muss also der ernste Wunsch einhergehen, die Schuld loszuwerden und den Verlust, der durch den Fehler entstanden ist, wieder wettzumachen.11

Für die Umkehr gibt es einen entscheidenden Prüfstein: Hat sich der Betreffende von der Sünde abgewendet? Sofern jemand aus dem rechten Beweggrund – weil er sich der Tragweite der Sünde immer mehr bewusst wird und er sich den Gesetzen des Herrn unterordnen möchte – aufhört zu sündigen, so ist anzunehmen, dass er wirklich umkehrt. Der Herr selbst hat dieses Kennzeichen festgesetzt: „Ob jemand von seinen Sünden umkehrt, könnt ihr daran erkennen: Siehe, er wird sie bekennen und von ihnen lassen.“ (LuB 58:43, Hervorhebung hinzugefügt.)

Mit anderen Worten, man übt erst dann wirklich Umkehr, wenn man den Fehler aufgegeben hat und einen neuen Weg beschreitet. … Die Macht der Errettung erstreckt sich nicht auf einen Menschen, der nur den Wunsch hat, sein Leben zu ändern. Wahre Umkehr treibt einen zur Tat.

Man darf sich nicht wundern, dass Anstrengung erforderlich ist und nicht nur der Wunsch. Schließlich ist es die Arbeit, die unsere sittliche Kraft ebenso stärker werden lässt wie unsere Muskeln.12

Wer sich von der Sünde losmachen will, darf nicht nur wollen, dass sich günstigere Bedingungen einstellen, er muss die Bedingungen schaffen. Er wird so weit kommen müssen, dass er seine befleckten Kleider hasst und sich vor der Sünde ekelt. Er muss sich vergewissern, dass er nicht nur die Sünden aufgegeben hat, sondern dass er auch die Umstände ändert, die mit der Sünde zusammenhängen. Er muss die Orte und Situationen und Umstände meiden, wo die Sünde geschehen ist, sonst rufen sie sie möglicherweise wiederum hervor. Er muss die Beziehung zu den Leuten abbrechen, mit denen die Sünde begangen wurde. Er braucht die betreffenden Personen nicht zu hassen, aber er muss sie meiden, ebenso alles, was mit der Sünde zu tun hatte. Er muss alle Briefe und sonstigen Andenken wegwerfen, die ihn an die „alten Tage“, an die „alten Zeiten“ erinnern. Er muss Adressen, Telefonnummern, Leute, Orte und Umstände aus der sündigen Vergangenheit vergessen und sein Leben neu aufbauen. Er muss alles loswerden, was alte Erinnerungen wachrufen könnte.13

Wenn wir uns vom Bösen abwenden, uns ändern, ein neuer Mensch werden wollen, wenn wir unseren Charakter formen oder umformen wollen, brauchen wir die Hilfe des Herrn, und wir dürfen dieser Hilfe sicher sein, wenn wir nur unseren Teil tun. Wer fest auf den Herrn baut, gewinnt Herrschaft über sich selbst und kann das vollbringen, was er sich vorgenommen hat, sei es, dass er Messingplatten sicherstellen oder ein Schiff bauen soll, sei es, dass er eine Gewohnheit aufgeben oder sich einer tief verwurzelten Übertretung entledigen will.14

Bekennen bringt Erleichterung.

Dass man die Sünde bekennt, gehört notwendigerweise zur Umkehr, und ohne solches Bekennen kann man keine Vergebung erlangen. Das ist ein Prüfstein der wahren Umkehr, denn es heißt: „Ob jemand von seinen Sünden umkehrt, könnt ihr daran erkennen: Siehe, er wird sie bekennen und von ihnen lassen.“ (LuB 58:43, Hervorhebung hinzugefügt.) …

Das Bekennen ist vielleicht das schwerste Hindernis, das der bußfertige Sünder überwinden muss. Oftmals hält ihn die Scham davon ab, seine Schuld kundzutun und seinen Fehler zuzugeben. Manchmal hat er zu den sterblichen Menschen, denen er seine Sünde bekennen soll, nicht genügend Vertrauen, und das rechtfertigt es in seinen Augen, wenn er sein Geheimnis im Herzen verschließt. …

Der Herr kennt das Herz des Menschen sowie seine Vorsätze und seine Fähigkeit, Umkehr zu üben und sich zu erneuern; deshalb wartet er mit der Vergebung zu, bis die Umkehr ausgereift ist. Der Übertreter muss „ein reuiges Herz und einen zerknirschten Geist“ haben, er muss bereit sein, sich zu demütigen und alles Erforderliche zu tun. Eine Forderung, die der Herr erhoben hat, besagt, dass der Übertreter größere Sünden dem zuständigen Führer der Kirche bekennen muss, darunter allen Ehebruch, Unzucht und sonstige sexuelle Übertretungen sowie andere Sünden, die in ähnlicher Weise schwerwiegend sind. Durch die Forderung, dass Sünden zu bekennen sind, ist Ordnung und Schutz für die Kirche und ihre Mitglieder gewährleistet, und der Übertreter wird auf den Weg der wahren Umkehr gebracht.

Aus Scham und Stolz haben viele Missetäter ihr Gewissen wenigstens vorübergehend damit beruhigt, dass sie ein paarmal still zum Herrn gebetet haben; sie reden sich ein, das sei ein ausreichendes Bekennen ihrer Sünden. „Aber ich habe doch meine Sünde dem himmlischen Vater bekannt“, beteuern sie, „und mehr ist doch nicht notwendig.“ Das stimmt aber nicht, wenn es sich um eine schwere Sünde handelt. Es ist nämlich zweierlei Vergebung nötig, wenn der Übertreter Frieden haben will: einmal von den zuständigen Autoritäten der Kirche des Herrn und zum anderen vom Herrn selbst. [Siehe Mosia 26:29.] …

Das ideale Geständnis [erfolgt] freiwillig, nicht unter Druck. Es nimmt seinen Ausgang im Innern des Übertreters und wird nicht dadurch ausgelöst, dass er in seiner Sünde ertappt wird. So ein Geständnis … ist ein Zeichen von zunehmender Umkehr, denn es lässt darauf schließen, dass der Sünder sich seiner Sünde bewusst ist und das Böse ablegen möchte. In den Augen des Herrn ist das freiwillige Geständnis unendlich viel annehmbarer als ein Eingestehen unter Zwang, wo es dem Betreffenden an Demut fehlt und er nur auf Befragung hin bekennt, obwohl seine Schuld offensichtlich ist. Ein derart erzwungenes Eingestehen ist aber kein Beweis für das demütige Herz, das die Barmherzigkeit des Herrn hervorruft: „Denn ich, der Herr, vergebe Sünden und bin barmherzig zu denen, die ihre Sünden mit demütigem Herzen bekennen.“ (LuB 61:2, Hervorhebung hinzugefügt.)15

Die schweren Sünden – wie zu Anfang angeführt – sollen den zuständigen Führern der Kirche gestanden werden; das heißt aber nicht, dass ein solches Geständnis bei allen Sünden notwendig oder wünschenswert ist. Weniger schwere Sünden haben oft andere Menschen verletzt – Auseinandersetzungen in der Ehe, kleinere Zornesausbrüche, Unstimmigkeiten und dergleichen –, und sie sollen daher denen gestanden werden, denen weh getan worden ist. Die Sache soll normalerweise zwischen den Betroffenen bereinigt werden, ohne dass man sich an eine kirchliche Autorität wendet.16

Das Geständnis bringt Frieden. … Es besteht ja nicht nur darin, dass man seinen Fehler vor der zuständigen Autorität zugibt, sondern man gibt auch etwas von seiner Last ab, und dadurch wird sie leichter. Man entledigt sich zumindest eines Teiles seiner Bürde und legt sie auf andere Schultern, die fähig und bereit sind, die Last tragen zu helfen. Außerdem kommt es zu einer inneren Befriedigung, weil man in dem Bestreben, alles zu tun, um die Bürde der Übertretung loszuwerden, einen weiteren Schritt vorangekommen ist.17

Wiedergutmachung ist ein wesentlicher Teil der Umkehr.

Wenn jemand die tiefe Traurigkeit und Zerknirschung erlebt hat, die sich aus der Schuldeinsicht ergeben, wenn er die Sünde von sich gestoßen hat und fest entschlossen ist, sie hinfort zu verabscheuen, wenn er seine Sünde Gott und den zuständigen Männern auf Erden bekannt hat – wenn das alles getan ist, bleibt noch die Forderung nach Wiedergutmachung. Man muss den Schaden wiedergutmachen, das zurückgeben, was man gestohlen hat, und für angetanes Unrecht Genugtuung leisten.18

Der umkehrwillige Sünder [muss] so weit wie möglich Wiedergutmachung leisten. Ich sage „so weit wie möglich“, weil es einige Sünden gibt, bei denen eine angemessene Wiedergutmachung nicht möglich ist, und einige, bei denen sie nur teilweise geleistet werden kann.

Ein Dieb oder Einbrecher kann teilweise Wiedergutmachung leisten, indem er das Gestohlene zurückgibt. Ein Lügner kann die Wahrheit sagen und in gewissem Maß den Schaden gutmachen, den die Lüge verursacht hat. Eine Klatschbase, die den Charakter eines anderen in den Schmutz gezogen hat, kann die Sache teilweise dadurch gutmachen, dass sie sich ernstlich bemüht, den guten Ruf des Betroffenen wiederherzustellen. Wenn jemand durch Sünde oder Unachtsamkeit das Eigentum eines anderen zerstört hat, kann er es wieder instand setzen oder ganz oder teilweise bezahlen.

Wenn ein Mann seiner Frau und seinen Kindern Leid zugefügt und ihnen Schande gemacht hat, muss er bei seiner Wiedergutmachung alles daransetzen, ihr Vertrauen und ihre Liebe wiederzugewinnen; er muss ein Höchstmaß an ehelicher Treue und Hingabe zeigen. Dasselbe gilt auch für eine Ehefrau und Mutter. Auch wenn ein Kind seinen Eltern ein Unrecht angetan hat, muss es im Rahmen seiner Umkehr das Unrecht wieder gutmachen und seinen Eltern Ehre erweisen.

In der Regel gibt es vieles, was jemand, der umkehrwillig ist, tun kann, um Fehler zu bereinigen. Wer „ein reuiges Herz und einen zerknirschten Geist“ hat, findet im Allgemeinen einen geeigneten Weg. Wahre Umkehr erfordert, dass derjenige, der den Schaden verursacht hat, alles in seiner Kraft Stehende tut, um die Sache wieder in Ordnung zu bringen.19

Im Rahmen der Umkehr müssen wir dort, wo es möglich ist, volle Wiedergutmachung leisten, sonst aber wenigstens im erreichbaren Maß. Und dabei dürfen wir nicht vergessen, dass der Sünder, der Vergebung sucht und das, was er getan hat, wieder gutmachen will, auch den anderen Menschen alles, was sie ihm angetan haben, vergeben muss. Der Herr vergibt uns erst, wenn unser Herz von allem Hass, aller Verbitterung und jeder Anschuldigung gegen unsere Mitmenschen völlig frei geworden ist.20

Wahre Umkehr erfordert die Verpflichtung, nach den Geboten des Herrn zu leben.

Im Geleitwort zur neuzeitlichen Offenbarung umreißt der Herr eine der schwierigsten Forderungen der wahren Umkehr. Für einige Menschen bedeutet sie den schwersten Teil ihrer Umkehr, weil sie einen veranlasst, das ganze Leben lang ständig auf der Hut zu sein. Der Herr sagt:

„Ich, der Herr, kann nicht mit dem geringsten Maß von Billigung auf Sünde blicken;

doch wer umkehrt und die Gebote des Herrn tut, dem wird vergeben werden.“ (LuB 1:31,32; Hervorhebung hinzugefügt.)

Diese Schriftstelle trifft sehr genau. Zuerst übt man Umkehr. Sobald man wieder Boden unter den Füßen hat, muss man nach den Geboten des Herrn leben, um das Erreichte zu halten. Das ist für die völlige Vergebung notwendig. …

Da wir alle mehr oder minder sündigen, bedürfen wir alle der ständigen Umkehr, und wir müssen uns höhere Ziele setzen und ein besseres Leben führen. Man kann die Gebote des Herrn wohl kaum an einem Tag, in einer Woche oder einem Monat befolgen. Dazu muss man sich das ganze übrige Leben lang anstrengen. …

Umkehr verlangt, dass man sich dem Plan des Herrn völlig und uneingeschränkt überlässt. Wenn ein Übertreter das Zehntenzahlen vernachlässigt, die Versammlungen nicht besucht, den Sabbat entweiht, das Familiengebet nicht pflegt, die Führer der Kirche nicht unterstützt, das Wort der Weisheit nicht einhält und weder den Herrn noch seine Mitmenschen liebt, so ist seine Umkehr nicht vollständig. … Gott kann erst dann vergeben, wenn der Übertreter wahre Umkehr zeigt, die alle Bereiche seines Lebens erfasst. …

„Die Gebote tun“ schließt vieles ein, was die Getreuen tun sollen. … Im Allgemeinen sind gute Werke und Bereitwilligkeit mit positiver Einstellung notwendig. Darüber hinaus kann man die Auswirkungen der Sünde recht gut dadurch beseitigen, dass man das Licht des Evangeliums anderen Menschen bringt, die es jetzt noch nicht haben. Das kann bedeuten, dass man sich um inaktive Mitglieder, aber auch um Nichtmitglieder bemüht – vielleicht meistens um letztere. Man beachte, wie der Herr die Sündenvergebung damit in Zusammenhang bringt, dass man über das Werk der Endzeit Zeugnis gibt:

„Denn ich will euch eure Sünden mit diesem Gebot vergeben – dass ihr standhaft bleibt in eurem Sinn, voll ernster Besinnung und im Geist des Betens, und indem ihr aller Welt Zeugnis gebt von all jenem, was euch mitgeteilt wird.“ (LuB 84:61, Hervorhebung hinzugefügt.)21

Können wir jetzt begreifen, warum der Herr Jahrtausende lang die Menschen flehentlich gebeten hat, zu ihm zu kommen? Sicherlich hatte er Vergebung aufgrund von Umkehr und die Befreiung von Schuld im Sinn, als er einem Gebet, das er an seinen Vater gerichtet hatte, noch eine Bitte und Verheißung anfügte:

„Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen.

Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele.

Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht.“ (Matthäus 11:28-30.)

Ich hoffe und bete, die Menschen in aller Welt mögen diese freundliche Einladung annehmen und es dem Herrn dadurch ermöglichen, auch in ihrem Leben das große Wunder der Vergebung zu bewirken.22

Anregungen für Studium und Unterricht

Beachten Sie diese Anregungen, wenn Sie sich mit dem Kapitel befassen oder sich auf den Unterricht vorbereiten. Weitere Anregungen siehe Seite vii-xii.

  • Präsident Kimball nannte die Vergebung das „Wunder der Wunder“ (Seite 41). Inwiefern ist die Vergebung ein Wunder? (Beispiele finden Sie auf Seiten 40ff.)

  • Denken Sie beim Lesen des vorletzten Abschnitts, der auf Seite 42 beginnt, darüber nach, in welcher Lage wir ohne den Erretter und sein Sühnopfer wären.

  • Lesen Sie Absatz drei bis fünf auf Seite 45. Inwiefern unterscheidet sich Ihrer Meinung nach „gottgewollte Traurigkeit“ von Bedauernsäußerungen? Welche Beispiele für gottgewollte Traurigkeit aus der Schrift sind auch für uns heute anwendbar?

  • Auf Seite 46f. zählt Präsident Kimball einige Beispiele für die Abkehr von Sünde auf und wie man sein Leben neu aufbaut. Wie können wir diesen Rat anwenden, wenn wir uns darum bemühen, eine Sünde zu überwinden – beispielsweise Pornografie, Fluchen oder Glücksspiel?

  • Lesen Sie Seite 47ff. noch einmal durch. Warum ist das Bekennen für manche Menschen so schwer? Welche Segnungen erlangen wir, wenn wir dem Herrn, dem Bischof bzw. Zweigpräsidenten oder den Menschen, die wir verletzt haben, unsere Fehler bekennen?

  • Denken Sie über den zweiten Absatz auf Seite 50 nach. Was bedeutet es, Wiedergutmachung für Sünden zu leisten? Wie kann ein bußfertiger Mensch am besten bestimmen, was er für seine Sünden an Wiedergutmachung leisten soll?

  • Inwiefern unterscheiden sich die Lehren von Präsident Kimball in diesem Kapitel von der falschen Vorstellung, Umkehr sei nur das Abarbeiten einiger Routinehandlungen?

Einschlägige Schriftstellen: Jesaja 1:18; Mosia 4:3; Alma 36:12-26; LuB 19:15-20; 64:8,9

Anmerkungen

  1. Das Wunder der Vergebung, Seite 37

  2. Das Wunder der Vergebung, Seite 324f.

  3. Das Wunder der Vergebung, Seite 343f.

  4. The Miracle of Forgiveness, Seite 366, 367f.

  5. The Miracle of Forgiveness, Seite 19f.

  6. The Miracle of Forgiveness, Seite 32f.

  7. The Miracle of Forgiveness, Seite 133

  8. The Miracle of Forgiveness, Seite 149, 150f.

  9. Das Wunder der Vergebung, Seite 146f.

  10. Das Wunder der Vergebung, Seite 336

  11. Das Wunder der Vergebung, Seite 152

  12. The Miracle of Forgiveness, Seite 163f.

  13. Das Wunder der Vergebung, Seite 164f.

  14. The Miracle of Forgiveness, Seite 176

  15. The Miracle of Forgiveness, Seite 177, 178, 179, 181

  16. The Miracle of Forgiveness, Seite 185

  17. Das Wunder der Vergebung, Seite 180f.

  18. Das Wunder der Vergebung, Seite 183

  19. The Miracle of Forgiveness, Seite 194f.

  20. Das Wunder der Vergebung, Seite 191f.

  21. The Miracle of Forgiveness, Seite 201f., 203, 204

  22. Das Wunder der Vergebung, Seite 349