Verordnungen und Proklamationen
Verfolgung


Verfolgung

Ich musste bald feststellen, dass ich durch das Erzählen meiner Geschichte bei den Glaubensbekennern sehr viel Vorurteil gegen mich weckte und viel Verfolgung verursachte, die ständig zunahm. Und obwohl ich nur ein unbekannter Junge von vierzehn, fünfzehn Jahren war und meine Lebensumstände dergestalt waren, dass sie so einem Knaben keinerlei Bedeutung in der Welt verschafften, nahmen doch hochstehende Männer von mir so viel Notiz, dass sie die öffentliche Meinung gegen mich aufstachelten und eine erbitterte Verfolgung anzettelten; und das hatten alle Glaubensgemeinschaften gemeinsam: Sie alle vereinigten sich, um mich zu verfolgen.

Oft habe ich damals und auch seither darüber nachdenken müssen, wie seltsam es doch war: Man hielt einen unbedeutenden, wenig mehr als vierzehn Jahre alten Jungen – der sich noch dazu seinen kärglichen Lebensunterhalt von Tag zu Tag durch schwere Arbeit verdienen musste – für eine so wichtige Persönlichkeit, dass ihm die führenden Männer der damals am weitesten verbreiteten Konfessionen Aufmerksamkeit schenkten und zwar auf eine Weise, dass sich in ihnen eine Gesinnung bitterster Verfolgung und Schmähung entwickelte. Aber seltsam oder nicht – so war es, und dieser Umstand hat mir oft großen Kummer verursacht.

Aber nichtsdestoweniger war es eine Tatsache, dass ich eine Vision gehabt hatte. Ich habe mir seither oft gedacht, dass mir damals ähnlich zumute war wie Paulus, als er sich vor König Agrippa verteidigte. Er berichtete von der Vision, die er gehabt hatte – dass er ein Licht gesehen, eine Stimme gehört hatte; und doch waren da nur wenige, die ihm glaubten. Einige sagten, er sei unehrlich, andere sagten, er sei verrückt; und er wurde verspottet und geschmäht. Aber das alles tat der Wirklichkeit seiner Vision keinen Abbruch. Er hatte eine Vision gehabt; er wusste es, und alle Verfolgung auf Erden konnte nichts daran ändern; und wenn sie ihn bis zum Tod verfolgen sollten, so wusste er doch und würde bis zum letzten Atemzug wissen, dass er ein Licht gesehen und auch eine Stimme gehört hatte, die zu ihm sprach, und die ganze Welt konnte ihn nicht dazu bringen, etwas anderes zu denken oder zu glauben.

So war es auch mit mir. Ich hatte tatsächlich ein Licht gesehen, und mitten in dem Licht hatte ich zwei Gestalten gesehen, und sie hatten wirklich zu mir gesprochen. Und wenn man mich auch hasste und verfolgte, weil ich sagte, ich hätte eine Vision gehabt, so war es doch wahr. Und während man mich verfolgte und schmähte und mich auf alle mögliche Weise bös verleumdete, weil ich das sagte, musste ich mich fragen: „Wieso verfolgen sie mich, wo ich doch die Wahrheit sage? Ich habe tatsächlich eine Vision gehabt; und wer bin ich, dass ich Gott widerstehen könnte? Oder glaubt die Welt etwa, sie könne mich dazu bringen, dass ich verleugne, was ich tatsächlich gesehen habe?“ Denn ich hatte eine Vision gesehen, das wusste ich; und ich wusste, dass Gott es wusste; ich konnte es nicht leugnen und wagte es auch gar nicht, denn zumindest wusste ich, dass ich damit Gott beleidigen und Schuldspruch über mich bringen würde.

Was die Glaubensgemeinschaften betraf, so hatte ich nun eine hinreichende Antwort: Ich war nicht verpflichtet, mich irgendeiner von ihnen anzuschließen, sondern sollte so verbleiben, wie ich war, bis mir weitere Weisung zuteil werden würde. Ich hatte herausgefunden, dass das Zeugnis des Jakobus stimmt: Fehlt es jemandem an Weisheit, so kann er Gott darum bitten, und er wird sie erlangen, ohne dass ihm Vorwürfe gemacht werden.

Ich fuhr fort, meinen täglichen Aufgaben im Leben nachzugehen, und zwar bis zum 21. September 1823. Während dieser Zeit hatte ich von Leuten aller Klassen, religiösen ebenso wie nichtreligiösen, schwere Verfolgung zu leiden, weil ich auch weiterhin darauf bestand, eine Vision gehabt zu haben.

In der Zeit zwischen dem Tag, da ich meine Vision hatte und mir geboten wurde, ich solle mich keiner der bestehenden Glaubensgemeinschaften anschließen, und dem Jahre 1823 – ich war ja noch so jung und wurde von denjenigen verfolgt, die eigentlich meine Freunde sein und mich wohlwollend behandeln hätten sollen; und wenn sie schon der Meinung waren, ich sei einer Täuschung unterlegen, so hätten sie sich bemühen sollen, mich in passender und liebevoller Weise wieder auf den rechten Weg zu bringen –, damals also war ich allen möglichen Versuchungen ausgesetzt: ich verkehrte in allen möglichen Kreisen, verfiel häufig in mancherlei törichte Irrtümer und ließ die Schwachheit der Jugend und menschliche Schwächen erkennen, die, ich muss es leider sagen, mich in allerlei Versuchung führten, ein Ärgernis in den Augen Gottes. Wenn ich dieses Geständnis ablege, so darf niemand glauben, ich hätte mich irgendwelcher großer oder bösartiger Sünden schuldig gemacht; etwas Derartiges zu tun lag gar nicht in meiner Natur.