2012
Ihr wisst genug
Juni 2012


Ihr wisst genug

Aus einer Ansprache, die bei der Herbst-Generalkonferenz 2008 gehalten wurde.

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Elder Neil L. Andersen

Unsere Bekehrung vollzieht sich Schritt für Schritt, Zeile um Zeile. Als Erstes legen wir eine Grundlage in Form des Glaubens an den Herrn Jesus Christus.

Vor über vierzig Jahren, als ich über die Herausforderung einer Mission nachdachte, fühlte ich mich sehr unzulänglich und unvorbereitet. Ich erinnere mich, dass ich betete: „Himmlischer Vater, wie kann ich eine Mission erfüllen, wenn ich so wenig weiß?“ Ich glaubte an die Kirche, aber ich hielt mein geistiges Wissen für sehr begrenzt. Als ich betete, stellte sich das Gefühl ein: „Du weißt nicht alles, aber du weißt genug!“ Diese Zusicherung gab mir den Mut, auf Mission zu gehen.

Unsere geistige Reise dauert unser Leben lang. Zu Beginn und oft auch noch unterwegs wissen wir nicht alles. Unsere Bekehrung vollzieht sich Schritt für Schritt, Zeile um Zeile. Als Erstes legen wir eine Grundlage in Form des Glaubens an den Herrn Jesus Christus. Wir schätzen Grundsätze und Verordnungen wie die Umkehr, die Taufe und den Empfang der Gabe des Heiligen Geistes. Dem schließt sich die beständige Verpflichtung zu beten, die Bereitschaft, gehorsam zu sein, und ein fortwährendes Zeugnis vom Buch Mormon an.

Dann bleiben wir standhaft und geduldig, während wir unseren Weg durch das Erdenleben machen. Manchmal lautet die Antwort des Herrn: „Du weißt nicht alles, aber du weißt genug“ – genug, um die Gebote zu halten und das Rechte zu tun. Denkt an die Worte Nephis: „Ich weiß, dass er seine Kinder liebt; aber die Bedeutung von allem weiß ich nicht.“ (1 Nephi 11:17.)

Wir alle haben Momente geistiger Macht, Momente der Inspiration und Offenbarung. Wir müssen sie tief in unserer Seele verankern. Damit legen wir einen geistigen Vorrat an für Momente, in denen wir es schwer haben. Jesus hat gesagt: „Entschließt euch von Herzen, das zu tun, was ich euch lehre und gebiete.“ (Siehe Joseph-Smith-Übersetzung, Lukas 14:28.)

Vor einigen Jahren verlor ein Freund von mir bei einem tragischen Unfall seine kleine Tochter. Hoffnungen und Träume zerplatzten. Mein Freund litt unsäglichen Kummer. Er stellte in Frage, was er gelehrt worden war und was er selbst als Missionar gelehrt hatte. Seine Mutter schrieb mir einen Brief und bat mich, ihm einen Segen zu geben. Als ich ihm die Hände auflegte, fühlte ich mich gedrängt, ihm etwas zu sagen, worüber ich in der Form noch nie nachgedacht hatte. Mir kam der Gedanke in den Sinn: Glauben fühlt man nicht nur – man entscheidet sich dafür. Er würde sich für den Glauben entscheiden müssen!

Mein Freund wusste nicht alles, aber er wusste genug. Er wählte den Weg des Glaubens und des Gehorsams. Er ging auf die Knie. Er erlangte sein geistiges Gleichgewicht wieder.

Einige Jahre, nachdem mein Freund diesen Segen erhalten hatte, bekam ich einen Brief von seinem Sohn, der gerade auf Mission war. Er schrieb voll Überzeugung und gab Zeugnis. Als ich seinen wunderbaren Brief las, wurde mir klar, wie sehr die glaubensvolle Entscheidung eines Vaters in einer sehr schwierigen Zeit die nächste Generation gesegnet hat.

Herausforderungen, Schwierigkeiten, Fragen, Zweifel – all das gehört zum Erdenleben. Aber wir sind nicht allein. Als Jünger des Herrn Jesus Christus können wir auf ein riesiges Reservoir an Licht und Wahrheit zurückgreifen. Angst und Glaube können nicht gleichzeitig in unserem Herzen sein. Wenn es schwer für uns wird, entscheiden wir uns für den Weg des Glaubens. Jesus hat gesagt: „Sei ohne Furcht; glaube nur!“ (Markus 5:36.)

Im Laufe der Jahre gehen wir diese geistigen Schritte ein ums andere Mal. Uns wird klar, dass jemand, der „Licht empfängt und in Gott verbleibt, … mehr Licht [empfängt]; und jenes Licht wird heller und heller bis zum vollkommenen Tag“ (LuB 50:24). Unsere Fragen und Zweifel schwinden oder machen uns weniger zu schaffen. Unser Glaube wird einfach und rein. Wir werden uns dessen sicher, was wir bereits wussten.

Illustration von Annie Henrie