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Möglichkeiten und Aufgaben einer Lehrkraft des Bildungswesens im 21. Jahrhundert


Möglichkeiten und Aufgaben einer Lehrkraft des Bildungswesens im 21. Jahrhundert

Ein Abend mit Elder M. Russell Ballard

Ansprache vor Religionslehrern des Bildungswesens der Kirche • 26. Februar 2016 • Tabernakel in Salt Lake City

Meine lieben Brüder und Schwestern, vielen Dank, dass Sie sich so außergewöhnlich viel Mühe geben, den jungen Mitgliedern unserer Kirche ein Segen zu sein.

Neulich habe ich das Buch By Study and Also by Faith: One Hundred Years of Seminaries and Institutes of Religion („Durch Studium und auch durch Glauben – hundert Jahre Seminar und Institut“) gelesen. Es ist bemerkenswert! Beim Durchblättern ist mir aufgefallen, welche Rolle mein Urgroßvater, Joseph F. Smith, und mein Großvater, Melvin J. Ballard, bei der Einrichtung und Erweiterung des Bildungswesens gespielt haben.

Heute stehe ich da, wo sie einst standen, weil mich selbst vieles mit Ihnen verbindet. Von 1985 an durfte ich 14 Jahre lang im Bildungsausschuss mitwirken, davon sieben Jahre im Führungskomitee und fast vier Jahre als Vorsitzender.

In meiner Zeit im Ausschuss habe ich eine gewaltige Hochachtung vor dem Bildungswesen der Kirche gewonnen. Heute spreche ich für alle Eltern und Großeltern, ja, sogar für die Urgroßeltern in dieser Kirche, wenn ich mich bei all den Lehrkräften und Administratoren und ihren Familien für ihre treuen Dienste bedanke. Was das Bildungswesen in den letzten 100 Jahren erreicht hat, ist erstaunlich. Mich interessieren allerdings noch mehr die nächsten 100 Jahre und wie Sie Ihren Schülern helfen können, sich den ständig wechselnden Anforderungen des 21. Jahrhunderts zu stellen.

Bei einer Schulungsversammlung für Generalautoritäten sprach Präsident Gordon B. Hinckley einmal darüber, wie man die Lehre rein und die Kirche auf dem rechten Kurs hält. Er sagte: „Wir können nicht vorsichtig genug sein. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht vom Kurs abkommen. Um originell, frisch und anders zu sein, verbreiten wir möglicherweise Ansichten, die sich mit den Grundlagen der Lehre dieser wiederhergestellten Kirche Jesu Christi nicht ganz vertragen. … Wir sollten auch wachsamer sein. … Wir müssen die Wächter auf dem Turm sein.“1

Auf dem weiteren Weg des Bildungswesens im 21. Jahrhundert muss sich ein jeder von Ihnen überlegen, ob er etwas daran ändern muss, wie er sich auf den Unterricht vorbereitet, wie er den Unterricht abhält und was er unterrichten soll, wenn er im Leben unserer kostbaren Jugendlichen unerschütterlichen Glauben aufbauen will.

Die Tage sind vorbei, da ein Schüler eine aufrichtige Frage stellen und der Lehrer antworten konnte: „Mach dir keine Sorgen!“ Die Tage sind vorbei, da ein Schüler ernsthafte Bedenken äußern konnte und der Lehrer einfach Zeugnis gab, um dem Thema aus dem Weg zu gehen. Die Tage sind vorbei, da ein Schüler vor Menschen geschützt war, die die Kirche angriffen. Zum Glück hat der Herr Ihnen, den Lehrern, rechtzeitig einen zeitlosen Rat erteilt: „Und da nicht alle Glauben haben, so sucht eifrig und lehrt einander Worte der Weisheit; ja, sucht Worte der Weisheit aus den besten Büchern; trachtet nach Wissen, ja, durch Studium und auch durch Glauben.“2

Das gilt heute ganz besonders, weil nicht alle Ihrer Schüler den Glauben haben, den sie für die vor ihnen liegenden Schwierigkeiten brauchen, und weil viele von ihnen durch das Internet schon den zersetzenden Kräften einer zunehmend säkularisierten Welt ausgesetzt sind, die dem Glauben, der Familie und den Maßstäben des Evangeliums feindlich gegenübersteht. Das Internet dehnt seine Reichweite über die ganze Welt in fast jede Wohnung und buchstäblich in die Hände und den Kopf Ihrer Schüler aus.

Sie können Ihren Schülern helfen, wenn Sie ihnen beibringen, was es heißt, beim Lernen Studium und Glauben zu verbinden. Bringen Sie es ihnen bei, indem Sie diese Fertigkeit und diesen Ansatz im Unterricht vorführen.

Präsident Harold B. Lee hat festgestellt:

„Wir weisen darauf hin: Erkenntnis durch Glauben erwerben ist kein leichter Weg zum Lernen. Es bedarf dazu großer und kontinuierlicher, gläubiger Anstrengung. …

Kurzum: Durch Glauben lernen ist nichts für einen trägen Menschen. Jemand hat gesagt, es bedürfe dazu der Anstrengung des ganzen Menschen, der sich aus tiefster Seele bemüht, mit Gott in Verbindung zu treten, und zwar auf die rechte Weise. Nur dann kommt die, Erkenntnis aus dem Glauben‘.“3

Erkenntnis aus dem Glauben bringt ein reines Zeugnis hervor, und ein reines Zeugnis vermag ein Leben zu ändern, wie die folgenden drei kurzen Geschichten beweisen.

In der ersten verlässt Phoebe Carter in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts ihr Elternhaus in Maine, um sich den Heiligen in Ohio anzuschließen. Sie erzählt: „Meine Freunde wunderten sich über meinen Entschluss, aber etwas in mir trieb mich an. Dass mein Fortgang meiner Mutter so großen Kummer bereitete, war fast mehr, als ich ertragen konnte. Wäre ich nicht von einer inneren Kraft angetrieben worden, wäre ich zuletzt doch noch gestrauchelt.“4

Phoebe folgte dem Propheten und schloss sich den Heiligen in Ohio und schließlich auf ihrem Weg nach Utah an. Sie nahm als Frau von Präsident Wilford Woodruff das gleiche Joch auf wie er und starb als treue Heilige.

Die nächste Geschichte ist aus der Biografie von Marion G. Romney.

Als Student am College hatte Marion den Entschluss gefasst, wegen der finanziellen Lage seiner Familie nicht auf Mission zu gehen. Eines Tages hörte er Elder Melvin J. Ballard sprechen. In der Biografie steht: „[Marion] hatte wohl kaum geahnt, dass sich sein Lebensweg in diesem einen, kurzen Augenblick völlig ändern sollte.“

Weiter lesen wir: „[Marions Vater] hatte seinen Kindern erklärt, … dass ein Mensch, der mit der Inspiration des Geistes lebt, mit einem, der dies nicht tut, so viel gemeinsam hat wie ein heranwachsendes Bäumchen mit einem abgestorbenen Baumstumpf. Zum ersten Mal wurde Marion … vollständig klar, wie es ist, wenn man unter dem Einfluss von Inspiration steht. Ein durchdringendes, prickelndes Gefühl erfüllte seine Seele. … Nie hatte ihn etwas so berührt wie jetzt, als er den gerade erst berufenen Apostel reden hörte. …

Der junge Marion … war wie elektrisiert. Vom Gesicht des Apostels ging eine solche Glut aus und sein Zeugnis war so aufrichtig, dass ein unwiderstehliches Verlangen in ihm aufkam, eine Mission zu erfüllen. … Er wusste, dass er seine Weiterbildungspläne aufschieben musste.“5

Schon bald war Marion auf dem Weg nach Australien, wo er treu seinen Dienst erfüllte. Später wurde er ein überragender Apostel und gehörte der Ersten Präsidentschaft an.

Die letzte Geschichte hat Präsident Boyd K. Packer erzählt. Darin geht es um den Einfluss, den ein betagter Lehrer auf William E. Berrett hatte. Dieser Lehrer war ein Bekehrter aus Norwegen, der nicht allzu gut Englisch sprach. Doch obwohl dieser Lehrer also seine Grenzen hatte, berichtet Präsident Packer, dass „Bruder Berrett mehr als nur einmal Zeugnis gab:, Wir hätten unsere Hände am Feuer seines Glaubens wärmen können‘.“6

Später wurde William Berrett der Leiter der Seminare, Institute und Schulen der Kirche.

Bei Phoebe, Marion und William war der Auslöser, der ihr Leben für immer veränderte, dass sie ein reines Zeugnis hörten. Das kann auch bei Ihren Schülern so sein. Doch angesichts der Realitäten in der heutigen Welt mag ein reines Zeugnis nicht immer genügen. Phoebe, Marion und William waren sauber und rein, frei von Pornografie und Weltlichkeit. Sie saßen inspirierten Missionaren, Lehrern und Führern zu Füßen. Der Geist durchdrang ihr weiches und reines Herz mit Leichtigkeit.

Heutzutage sieht die Sache ganz anders aus. Einige ihrer Schüler sind schon mit Pornografie und Weltlichkeit infiziert, bevor sie überhaupt zu Ihnen in den Unterricht kommen.

Es ist erst eine Generation her, dass unsere jungen Leute im Grunde nur über von der Kirche veröffentlichtes Material Zugriff auf Informationen über unsere Geschichte, unsere Lehre und unsere Sitten und Gebräuche hatten. Kaum ein Schüler kam mit anderen Auslegungen in Berührung. Unsere jungen Leute führten überwiegend ein behütetes Leben.

Unser damaliges Lehrmaterial, so gut es gemeint war, bereitete Schüler nicht auf die heutige Zeit vor – eine Zeit, in der Schüler sofort auf praktisch alles über die Kirche zugreifen können, und das von jedem erdenklichen Standpunkt aus betrachtet. Was sie heute an ihren mobilen Geräten sehen, stellt ihren Glauben wohl ebenso auf die Probe, wie es ihn fördert. Viele unserer jungen Leute kennen sich mit Google besser aus als mit dem Evangelium, sie sind eher auf das Internet als auf Inspiration eingestimmt und beschäftigen sich mehr mit Facebook als mit dem Glauben.

Angesichts dieser Problematik hat der Bildungsausschuss vor kurzem eine neue Initiative für das Seminar verabschiedet, die auf das Einprägen der Lehre abzielt. Darauf aufbauend, was bereits mit den Lernschriftstellen verfolgt wurde, soll diese neue Initiative den Glauben unserer Schüler an Jesus Christus aufbauen und stärken und ihre Fähigkeiten vergrößern, das Evangelium anzuwenden und danach zu leben. Anhand der heiligen Schriften und der Worte der Propheten werden sie lernen, wie man mit Glauben an Christus handelt, um das Evangelium geistig zu erkennen und zu verstehen. Außerdem werden sie lernen können, wie sich die Lehre Christi und die Grundsätze des Evangeliums auf die Fragen und Schwierigkeiten beziehen lassen, die sie jeden Tag bei ihren Altersgenossen und in den sozialen Medien hören und sehen.

Diese Initiative ist inspiriert und kommt zur rechten Zeit. Sie wird eine großartige Wirkung bei unserer Jugend haben. Der Erfolg dieser Maßnahme und aller anderen Studienprogramme im Bildungswesen hängt jedoch in erheblichem Umfang von Ihnen ab.

Was sind angesichts dieser Schwierigkeiten Ihre Möglichkeiten und Aufgaben als Lehrkraft des Bildungswesens im 21. Jahrhundert? Ganz offensichtlich müssen Sie den Herrn, seine Kirche und Ihre Schüler lieben. Sie müssen auch aufrichtig und oft ein reines Zeugnis ablegen. Außerdem brauchen Ihre Schüler auch mehr als je zuvor in unserer Geschichte den Segen, Zusammenhänge und Inhalte der Lehre und der Geschichte durch Studium und durch Glauben zu lernen. Das muss von einem reinen Zeugnis begleitet werden, damit sie erleben können, wie man sich gereift und dauerhaft zum Evangelium bekehrt und sich sein Leben lang Jesus Christus verpflichtet. Eine gereifte, dauerhafte Bekehrung bedeutet, dass sie ihr ganzes Leben hindurch „im Boot bleiben und sich gut festhalten“7.

Wenn Sie in den heiligen Schriften und in unserer Geschichte die Zusammenhänge und Inhalte der Lehre und der Geschichte erkennen wollen, müssen Sie die „besten Bücher“ studieren, wie der Herr es uns aufgetragen hat. Zu den „besten Büchern“ gehören die heiligen Schriften, die Worte der neuzeitlichen Propheten und Apostel und die besten wissenschaftlichen Arbeiten, die es von der Kirche gibt. Wenn Sie fleißig durch Studium und durch Glauben lernen, können Sie Ihren Schülern helfen, sich die Fertigkeiten und die Einstellung anzueignen, die ihnen eine Unterscheidung erlauben zwischen verlässlichen Informationen, die sie aufrichten, und Halbwahrheiten und unrichtigen Auslegungen der Lehre, der Geschichte und unserer Sitten und Gebräuche, die sie herunterziehen.

Machen Sie ihnen klar, auf welche Schwierigkeiten sie stoßen, wenn sie sich bei der Beantwortung von Fragen mit ewiger Bedeutung auf das Internet verlassen. Denken Sie daran, Jakobus hat nicht gesagt: „Fehlt es aber einem von euch an Weisheit, dann soll er googeln!“8

Wer weise ist, verlässt sich nicht auf das Internet, um seelische, geistige oder körperliche Beschwerden festzustellen und zu behandeln, und dies vor allem dann nicht, wenn sie lebensbedrohlich sind. Vielmehr sucht er Fachleute auf, die von ärztlichen und staatlichen Instanzen medizinisch ausgebildet und akkreditiert wurden. Und wenn er klug ist, holt er selbst dann noch eine zweite Meinung ein.

Wenn das der vernünftigste Weg ist, bei seelischen, geistigen und körperlichen Beschwerden eine Antwort zu finden, wie viel mehr gilt das dann, wenn das ewige Leben auf dem Spiel steht! Wenn etwas imstande ist, unser geistiges Leben, unsere kostbarsten Beziehungen in der Familie oder unsere Zugehörigkeit zum Gottesreich zu gefährden, sollten wir in der Kirche einen Führungsbeamten finden, der umsichtig und treu ist und uns hilft. Gegebenenfalls müssen wir auch jemanden mit der richtigen schulischen Ausbildung, Erfahrung und Fachkenntnis um Hilfe bitten.

Genau das mache ich, wenn ich bei meinen eigenen Fragen eine Antwort brauche, die ich selbst nicht geben kann. Ich suche Hilfe bei meinen Brüdern im Kollegium der Zwölf Apostel und bei anderen, die sich in Geschichte und Lehre der Kirche fachlich auskennen.

Außerhalb der Familie Ihrer Schüler sollten Sie unter den Ersten sein, die maßgebliche Quellen zu weniger bekannten oder strittigen Themen präsentieren, damit Ihre Schüler das, was sie später einmal hören oder lesen, dem gegenüberstellen können, was Sie ihnen bereits erläutert haben.

Wir lassen ja auch unsere kostbaren Missionare impfen, bevor wir sie in die Mission entlassen, damit sie gegen Krankheiten geschützt sind, die ihnen schaden oder sie gar umbringen können. Bitte impfen Sie Ihre Schüler auf vergleichbare Weise, ehe Sie sie in die Welt entlassen. Präsentieren Sie ihnen eine wahrheitsgemäße, gründliche und genaue Interpretation der Evangeliumslehre, der heiligen Schriften, unserer Geschichte und all der Themen, die manchmal missverstanden werden.

Ich meine damit, um ein paar weniger bekannte oder strittige Themen zu nennen, solche wie die Mehrehe, Sehersteine, verschiedene Berichte über die erste Vision, die Übersetzung des Buches Mormon oder des Buches Abraham, Fragen zur geschlechtlichen Orientierung, zu Hautfarbe und Priestertum oder zu einer Mutter im Himmel.

Die Aufgabe, unsere jungen Leute zu impfen, bleibt oftmals Ihnen, den Lehrkräften im Bildungswesen, überlassen. Nehmen Sie sich vor diesem Hintergrund einmal die Zeit, über Ihre Möglichkeiten und Aufgaben nachzudenken.

Die heutigen Führer der Kirche sind sich des unbegrenzten Zugriffs auf Informationen durchaus bewusst. Wir unternehmen enorme Anstrengungen, um die Lehren der Wiederherstellung im richtigen Zusammenhang darzustellen. Ein hervorragendes Beispiel dafür sind die elf Abhandlungen zu Evangeliumsthemen auf LDS.org. Sie bieten eine ausgewogene und verlässliche Darstellung der Fakten in den strittigen und weniger bekannten Fragen zur Kirche.

Sie müssen den Inhalt dieser Abhandlungen so gut kennen wie Ihre Westentasche. Wenn Sie Fragen dazu haben, richten Sie sie bitte an jemanden, der sich damit befasst hat und sich damit auskennt. Anders ausgedrückt: Trachten Sie nach Wissen, ja, durch Studium und auch durch Glauben, wenn Sie den Inhalt dieser Abhandlungen in sich aufnehmen.

Machen Sie sich auch mit der Website für die Joseph-Smith-Papiere und dem Abschnitt „Geschichte der Kirche“ auf LDS.org sowie weiterem Material von zuverlässigen Wissenschaftlern der Kirche vertraut.

Die Bemühungen um Transparenz im Evangelium und eine geistige Impfung durch ein gründliches Studium der Lehre und der Geschichte, gepaart mit einem glühenden Zeugnis, sind unser bestes Gegenmittel, wenn wir Schülern helfen wollen, mit den Fragen, Zweifeln und Glaubenskrisen, die im Informationszeitalter auf sie zustoßen können, zurechtzukommen oder ihnen zu entgehen.

Wenn Sie als Lehrer den Preis bezahlen, um unsere Geschichte, unsere Lehre und unsere Sitten und Gebräuche besser als jetzt schon zu verstehen, werden Sie bereit sein, die Fragen Ihrer Schüler mit Bedacht, gründlich und inspiriert zu beantworten.

Welche Fragen Ihre Schüler haben, können Sie beispielsweise dadurch herausfinden, dass Sie aufmerksam zuhören.

Als unsere erste Tochter fünf Jahre alt war, kletterte sie mir auf den Schoß, als ich gerade die Zeitung las. Sie erzählte mir etwas, was für sie ganz wichtig war, aber ich schenkte ihr keine Beachtung. Daraufhin streckte sie ihre kleinen Händchen empor, zog die Zeitung herunter, umfasste mein Gesicht mit ihren Händen, blickte mir geradewegs in die Augen und sagte: „Papa, du hörst mir gar nicht zu!“ Sie hatte Recht – und es war falsch, dass ich nicht zuhörte. Alle guten Lehrer müssen gute Zuhörer sein.

Hören Sie Ihren Schülern also gut zu und fordern Sie sie außerdem im Unterricht oder auch im privaten Gespräch auf, Sie zu jedem Thema zu befragen.

Eine der wichtigsten Fragen, die Ihre Schüler stellen können, ist: Warum?

Wenn man aufrichtig nach Erkenntnis strebt, ist „warum“ eine großartige Frage. Es ist die Frage, die ein Missionar sich von jedem Interessenten erwünscht. Warum sind wir hier? Warum widerfährt guten Menschen Schlimmes? Warum sollen wir beten? Warum sollen wir Christus nachfolgen? Oft führt die Frage „warum?“ zu Inspiration und Offenbarung. Bei den meisten dieser Fragen ist es hilfreich, den Plan unseres himmlischen Vaters zu kennen, um sie zu beantworten. Darüber spreche ich in ein paar Minuten.

Noch eine letzte Bemerkung zur Beantwortung von Fragen. Auch wenn es wichtig ist, Ihren Schülern zu erklären, dass das Evangelium die Antworten auf viele, wenn nicht die meisten der wichtigsten Fragen des Lebens bereithält, lassen sich manche Fragen auf Erden nicht ordentlich beantworten, weil uns die dazu benötigten Informationen fehlen. Wie heißt es bei Jakobus? „Siehe, groß und wunderbar sind die Werke des Herrn. Wie unergründlich sind die Tiefen seiner Geheimnisse; und es ist unmöglich, dass der Mensch alle seine Wege herausfinden kann. Und kein Mensch kennt seine Wege, außer es werde ihm offenbart.“9

Nun ein Wort zur Warnung: Bitte bedenken Sie, dass Sie vielleicht eines Tages genau wie so viele Ihrer Schüler glauben, Sie seien wirklich ein Experte für heilige Schriften, Lehre und Geschichte. Eine Studie hat vor kurzem ergeben: Je mehr jemand glaubt, über ein Thema Bescheid zu wissen, desto wahrscheinlicher ist es, dass er sich selbst mehr Kenntnisse zuschreibt, als er hat. Das geht bis zur Vorspiegelung falscher Tatsachen.10

So etwas nennt man Schaumschlägerei. Dieser Versuchung müssen Sie als Lehrkräfte im Bildungswesen aus dem Weg gehen. Es ist völlig in Ordnung, wenn Sie zugeben, etwas nicht zu wissen. Trotzdem ist es Ihre Aufgabe, auf wohlüberlegte Fragen Ihrer Schüler die beste Antwort zu geben.11

Seien Sie aber gewarnt! Erzählen Sie, wenn Sie Ihre Schüler unterrichten und deren Fragen beantworten, keine glaubensstärkenden, aber nicht nachweisbaren Geschichten, und berichten Sie nicht über veraltete Auffassungen oder Erläuterungen unserer Lehre oder über Sitten und Gebräuche aus der Vergangenheit. Es ist immer klug, sich die Auseinandersetzung mit den Worten der lebenden Propheten und Apostel anzugewöhnen, sich über mormonnewsroom.org und LDS.org auf dem Laufenden zu halten, was aktuelle Fragen, Richtlinien und Aussagen im Zusammenhang mit der Kirche betrifft, und die Werke anerkannter, sorgfältiger und zuverlässiger Wissenschaftler der Kirche aufzuschlagen. Dann erzählen Sie bestimmt nichts, was unwahr oder veraltet und seltsam oder abwegig wäre.

Die Verfasser der Schaumschläger-Studie haben festgestellt: „Die Neigung zur Schaumschlägerei kann besonders bei selbst ernannten Experten dazu führen, dass der Einzelne genau in den Bereichen, in denen er sich für versiert hält, davon absieht, sich weiterzubilden.“

Der Vizepräsident für den Lehrbetrieb an der BYU hat erklärt: „Experte für ein Gebiet zu sein, kann berauschend sein. Schüler und Kollegen hängen einem an den Lippen. Doch wenn man sich nicht ernsthaft zu ständiger Weiterbildung verpflichtet, wird man zum Schaumschläger, und niemand kann einen Besserwisser leiden.“12

Ich wiederhole Präsident Hinckleys Warnung: „Wir können nicht vorsichtig genug sein. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht vom Kurs abkommen.“13

Sie müssen nicht nur Ihr Leben lang lernen, sondern auch in Ihrem Privatleben alles tun, was dem Heiligen Geist erlaubt, in Ihnen zu wirken. Dazu gehört, jeden Tag aufrichtig zu beten, voller Glauben zu fasten, regelmäßig die heiligen Schriften und die Worte der lebenden Propheten zu studieren und darüber nachzudenken, den Sabbat zu einer Wonne zu machen, demütig vom Abendmahl zu nehmen und immer an den Erretter zu denken, so oft wie möglich Gott im Tempel zu verehren und sich zu guter Letzt den Bedürftigen, Armen und Einsamen zuzuwenden – denen in der Nähe ebenso wie denen auf der ganzen Welt.

Um Ihren Möglichkeiten und Aufgaben gerecht zu werden, müssen Sie, meine lieben Lehrerkollegen, Ihren Worten Taten folgen lassen!

Fassen Sie Mut und lassen Sie sich von jemand, dem Sie vertrauen – einem Ehepartner, Priestertumsführer oder Vorgesetzten –, beraten und berichtigen. Fragen Sie, worin Sie als Nachfolger Christi noch besser werden können. Das ist besonders bei unseren Vollzeitangestellten von Bedeutung, die aus heiligen Zehntengeldern der Kirche finanziert werden. Sie müssen alles meiden, was den Geist vertreibt.

Führen Sie außerdem gelegentlich mit sich selbst ein Interview und gehen Sie 2 Nephi 26:29–32, Alma 5:14–30 und Lehre und Bündnisse 121:33–46 durch. Auf diese Weise finden Sie eher heraus, welche Art Versuchungen uns allen begegnen mögen. Falls sich in Ihrem Leben etwas ändern muss, nehmen Sie sich vor, es in Ordnung zu bringen.

Meiden Sie die Versuchung, die Motive Ihrer Mitarbeiter in Frage zu stellen. Blicken Sie stattdessen lieber tief in Ihr eigenes Herz und erforschen Sie Ihre Wünsche und Motive. Erst dann kann der Erretter einen Herzenswandel bewirken und Ihre Wünsche und Motive mit seinen eigenen in Übereinstimmung bringen.

Die heranwachsende Generation muss den Erlösungsplan Gottes kennenlernen, verstehen, annehmen und sich daran beteiligen. Wenn sie den Plan verstehen, bekommen sie göttliche Einsichten, durch die sie sich als Söhne und Töchter Gottes sehen werden. Das gibt ihnen ein Vergrößerungsglas an die Hand, mit dem sie fast jede Lehre und Richtlinie, fast jeden Brauch in der Kirche verstehen können.

Als Lehrkraft des Bildungswesens in der heutigen Zeit müssen Sie die Möglichkeit und die Aufgabe annehmen, den jungen Menschen im 21. Jahrhundert richtige Grundsätze beizubringen, was den Plan angeht. Dazu gehören auch die von Gott anerkannte Lehre von der Ehe und der Rolle der Familie, wie in der Proklamation zur Familie dargelegt.14

Die Lehre von der ewigen Ehe und Familie ist in Gottes Plan des Glücklichseins von entscheidender Bedeutung. Unsere eigene, im Tempel gesiegelte Familie ist als Teil der ewigen Familie des himmlischen Vaters im celestialen Reich darin inbegriffen. Wegen des direkten Zusammenhangs mit seiner eigenen Familie und seinen eigenen Geistkindern steht in Genesis, dass Gott sie „als Mann und Frau schuf“ und Vater Adam und Mutter Eva gebot: „Vermehrt euch, bevölkert die Erde.“15

Manche sagen, der Plan des Glücklichseins beginne mit der Familie und höre mit ihr auf. Tatsächlich hat die Familie in der vorirdischen Welt, wo wir als Angehörige der Familie unserer himmlischen Eltern lebten, ihren Anfang genommen. Und am Ende werden die Bindungen und liebevollen Beziehungen in der Familie nicht nur weiterbestehen, sondern sich durch die Fortpflanzung auch noch vervielfachen.16

Der Angelpunkt, der all dies zusammenhält und von dem Gottes Plan und unser Schicksal in der Ewigkeit und alles andere abhängen, ist unser Erretter, Jesus Christus. Durch sein Sühnopfer ist alles möglich, darunter auch eine liebevolle, fürsorgliche und ewige Ehe und Familie.

Der Herr erklärt uns, dass kein Mensch, so rechtschaffen er auch sein mag, allein alles erreichen kann, was unser himmlischer Vater für seine Kinder bereithält. Der Einzelne ist nur die eine Seite der Gleichung. Er kann nicht in den höchsten Grad des celestialen Reichs eingehen.17

Ihre Schüler müssen wissen: Der Zweck des Erdenlebens besteht darin, mehr wie Gott zu werden. Dazu braucht man einen physischen Körper, und man muss seine Entscheidungsfreiheit ausüben und in Rollen schlüpfen, die zuvor unseren himmlischen Eltern vorbehalten waren: die des Ehemanns, der Ehefrau, des Vaters, der Mutter.

Die Propheten haben allen, die würdig sind und auf Jesus Christus bauen, aber nicht an einen Ehepartner gesiegelt werden konnten oder in diesem Leben keine Kinder haben konnten, versichert, dass sie in der künftigen Welt noch die Gelegenheit dazu haben werden.

Erklären Sie den jungen Leuten, dass in der Kirche des Herrn für alle Raum ist, Gott zu verehren, zu dienen und als Brüder und Schwestern im Evangelium zusammenzuwachsen. Erinnern Sie sie an die Worte Lehis, wonach sich Gottes Ziele und Hoffnungen für alle seine Kinder wie folgt zusammenfassen lassen: „Adam fiel, damit Menschen sein können, und Menschen sind, damit sie Freude haben können.“18

Der himmlische Vater will, dass wir seine Definition der Ehe annehmen und seinem ersten Gebot gehorchen, uns zu vermehren und die Erde zu bevölkern, und zwar nicht nur, um seinen Plan zu erfüllen, sondern um auch die Freude zu finden, die dieser Plan seinen Söhnen und Töchtern verschaffen soll.

Die Mitglieder der Kirche sind nicht die einzigen, die diesen Grundsatz erkannt haben. David Brooks, Kolumnist der New York Times, hat gesagt: „Gut geht es nicht dem, der die größtmögliche Freiheit hat, zu tun und zu lassen, was er will. Gut geht es dem, der in ein Netz an Verpflichtungen eingebunden ist, die über persönliche Befindlichkeiten hinausgehen – Verpflichtungen der Familie, Gott, dem Beruf oder dem Heimatland gegenüber.“19

Verhelfen Sie als Lehrer der Kirche unserer Jugend zu einer Erkenntnis von Gottes Plan des Glücklichseins, der seinen Kindern wahre Freude bringt. Helfen Sie ihnen, den Plan kennenzulernen, zu verstehen, anzunehmen und sich daran zu beteiligen. Nach 40 Jahren Erfahrung als Generalautorität mache ich mir Sorgen um die große Anzahl Mitglieder der Kirche, jüngere wie ältere, die den Plan für ihre ewige und göttliche Bestimmung einfach nicht verstehen.

Liebe Lehrerkollegen, achten wir doch auf Gelegenheiten, aus der Lehre und aus dem Geist heraus zu erläutern, warum wir glauben, dass die Kenntnis von Gottes großem Plan des Glücklichseins die meisten Fragen nach dem „Warum“, die uns gestellt werden, beantworten wird. Schätzen wir diese Gelegenheiten! Wenn wir unserer Überzeugung Ausdruck verleihen, dass wir in einem vorirdischen Leben als Geistkinder eines himmlischen Vaters und einer himmlischen Mutter gelebt haben, können wir erklären, warum diese Erde erschaffen wurde. Das Erdenleben dient unter anderem dem wichtigen Zweck, dass wir die Erfahrung einer Familie selbst nachvollziehen können, nur diesmal als Eltern statt als Kinder. Halten Sie Ihre Grundkenntnisse von der Lehre und vom Sinn des Plans des himmlischen Vaters für unser ewiges Glück in Ehren. Verbreiten Sie sie auch weiterhin.

Fassen wir abschließend zusammen. Von Elder Clark haben wir heute Abend gehört, dass Sie von Gott gesandte Lehrkräfte sind, voller Hoffnung, Demut und Liebe.20

Folgende Punkte habe ich mit Ihnen besprochen:

  • Bringen Sie den Schülern mit einem reinen Zeugnis bei, durch Studium und durch Glauben zu lernen. Bringen Sie ihnen bei, im Boot zu bleiben und sich gut festzuhalten!

  • Fordern Sie Ihre Schüler auf, ihre mobilen Geräte unter Kontrolle zu behalten und sich mehr auf die Verbindung mit dem Heiligen Geist als auf die mit dem Internet zu besinnen.

  • Impfen Sie den Schülern die Wahrheiten des Erlösungsplans ein, wie sie im Evangelium Jesu Christi zu finden sind.

  • Nehmen Sie den Inhalt der Abhandlungen zu Evangeliumsthemen in sich auf.

  • Denken Sie daran, dass „warum“ eine hervorragende Frage ist, die zum Verständnis des Evangeliums führt.

  • Seien Sie kein Schaumschläger und haben Sie keine Angst davor, zuzugeben, dass Sie etwas nicht wissen.

  • Lernen Sie Ihr Leben lang.

  • Lassen Sie sich von Menschen, denen Sie vertrauen, beraten und berichtigen.

  • Führen Sie gelegentlich ein Interview mit sich selbst, in dem Sie Ihre geistige Vorbereitung, Ihren Fleiß und Ihren Erfolg prüfen.

  • Lehren Sie, dass der Plan des Glücklichseins mit der Familie beginnt und mit ihr aufhört. Behalten Sie den Erlösungsplan jederzeit im Hinterkopf.

  • Lehren Sie, dass Ehe und Familie einem dauerhaft Freude bescheren.

  • Bedenken Sie: Wenn man durch Studium und durch Glauben lernt und ein reines Zeugnis hinzukommt, so führt dies zu einer echten und dauerhaften Bekehrung.

  • Vor allem aber ist ein starker Glaube an das Sühnopfer des Herrn Jesus Christus für unsere geistige Kraft und unseren geistigen Fortschritt unerlässlich.

Und nun möge Gott einen jeden von Ihnen, meine lieben Lehrerkollegen, segnen. Welche Last Sie auch tragen mögen, möge sie leichter gemacht werden. Mögen Sie die Freude und die Zufriedenheit finden, die sich einstellt, wenn Sie wissen, dass Sie mit Ihrem Unterricht jemanden berührt haben, dass Sie eines der Kinder des himmlischen Vaters auf seinem Weg aufgerichtet haben, sodass es einst wieder in seine Gegenwart aufgenommen werden kann. Ich gebe Ihnen Zeugnis, dass wir die Fülle des immerwährenden Evangeliums Jesu Christi besitzen, wie es durch den Propheten Joseph Smith wiederhergestellt worden ist. Die Fülle des Evangeliums liegt in unseren Händen. Wir müssen es in unserem Sinn und in unserem Herzen verankern und es anderen überzeugend vermitteln. Möge Gott uns alle dabei segnen. Dafür bete ich und das ist mein Segen. Im Namen Jesu Christi. Amen.

Anmerkungen

  1. Schulung für Generalautoritäten, 29. September 1992

  2. Lehre und Bündnisse 88:118

  3. Harold B. Lee, in Clyde J. Williams, Hg., The Teachings of Harold B. Lee, 1996, Seite 331

  4. Edward William Tullidge, The Women of Mormondom, 1877, Seite 412

  5. F. Burton Howard, Marion G. Romney: His Life and Faith; 1988, Seite 63f.

  6. Boyd K. Packer, „A Tribute to the Rank and File of the Church“, Ensign, Mai 1980, Seite 62

  7. Siehe M. Russell Ballard, „Bleiben Sie im Boot und halten Sie sich gut fest!“, Liahona, November 2014, Seite 89–92

  8. Siehe Jakobus 1:5

  9. Jakob 4:8; siehe auch Lehre und Bündnisse 101:32–34

  10. Brent W. Webb, „Quest for Perfection and Eternal Life“, Jahrestagung der Brigham-Young-Universität, Lehrkörperversammlung, 24. August 2015, speeches.byu.edu; siehe Stav Atir, Emily Rosenzweig und David Dunning, „When Knowledge Knows No Bounds: Self-Perceived Expertise Predicts Claims of Impossible Knowledge“, Psychological Science, August 2015, Seite 1295–1303; doi: 10.1177/0956797615588195

  11. Siehe Lehre und Bündnisse 101:32–34

  12. Brent W. Webb, „Quest for Perfection and Eternal Life“, Seite 10, speeches.byu.edu

  13. Schulung für Generalautoritäten, 29. September 1992

  14. Siehe „Die Familie – eine Proklamation an die Welt“, Liahona, November 2010, Umschlagrückseite

  15. Siehe Genesis 1:27,28

  16. Siehe Lehre und Bündnisse 131:1–4; 132:19

  17. Siehe 1 Korinther 11:11 und Lehre und Bündnisse 131:1–4

  18. 2 Nephi 2:25

  19. David Brooks, „The Age of Possibility“, New York Times, 15. November 2012, nytimes.com

  20. Kim B. Clark, „Lehrer, die von Gott gekommen sind“, Ein Abend mit Elder M. Russell Ballard, 26. Februar 2016, broadcasts.lds.org