1990–1999
Das Zeugnis - ein hell loderndes Feuer
Oktober 1992


Das Zeugnis - ein hell loderndes Feuer

„Ich möchte dreierlei anführen, was die Flamme unseres Zeugnisses hell auflodern läßt, so daß es uns als Schutz gegen die Wölfe des Bösen dient, die um uns herum lungern.”

Vor vielen Jahren zogen in der Ukraine noch riesige Wolfsrudel umher, die das Reisen in jenem Land zu einem gefährlichen Unternehmen machten. Diese Wolfsrudel kannten keine Angst. Sie ließen sich nicht von den Menschen und auch nicht von den Waffen, die es damals gab, einschüchtern. Das einzige, womit man sie abschrecken konnte, war Feuer. Deshalb hatten es sich die Reisenden, die außerhalb der festen Städte übernachten mußten, zur Gewohnheit gemacht, ein großes Feuer anzuzünden und es die ganze Nacht brennen zu lassen. Solange das Feuer hell brannte, blieben die Wölfe ihm fern. Wenn man aber zuließ, daß das Feuer niederbrannte und ausging, griffen die Wölfe sofort an. Die Reisenden wußten, daß das hell auflodernde Feuer nicht nur ihrer Bequemlichkeit diente, sondern ihr Überleben sicherte. (Siehe Mary Pratt Parrish, Ensign, Mai 1972, Seite 25.)

Wir müssen uns heute, wenn wir unterwegs sind, nicht vor Wolfsrudeln schützen, aber in geistiger Hinsicht stoßen wir immer wieder auf die streunenden Wölfe des Satans - und zwar in Form von Versuchung, Bösem und Sünde. Wir leben in einer gefährlichen Zeit, denn diese reißenden Wölfe lauern jedem auf, der im Glauben schwach und in der Überzeugung wankend ist. In seinem ersten Brief schreibt Petrus: „Euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann.” (l Petrus 5:8.) Der Herr hat dem Propheten Joseph Smith gegenüber von dessen Feinden gesprochen, die ihn umschlichen „wie Wölfe, die auf das Blut des Lammes aus sind” (LuB 122:6). Wir sind alle angreifbar. Allerdings können wir uns dagegen wappnen, und zwar mit einem brennenden Zeugnis, das wir genauso sorgfältig wie ein richtiges Feuer anlegen und nähren.

Leider glauben manche in der Kirche fest daran, daß ihr Zeugnis hell lodert, während es in Wirklichkeit eher dem leisen Flackern einer Kerze ähnelt. Ihre Glaubenstreue hat mehr mit Gewohnheit als mit Heiligkeit zu tun, und ihre Rechtschaffenheit muß fast immer hinten anstehen, weil ihnen ihre Interessen und ihr Vergnügen wichtiger sind. Mit einem so schwach leuchtenden Zeugnis als Schutz sind diese Reisenden auf den Wegen des Lebens eine leichte Beute für die Wölfe des Widersachers.

Der Herr weiß, daß viele seiner Anhänger angesichts der harten Anforderungen wahren Jüngerseins schwer zu kämpfen haben, und hat ihnen deshalb erklärt, wie sie die Flamme ihres Zeugnisses so nähren können, daß sie hell lodert. Am Abend vor seiner Kreuzigung feierte Jesus mit seinen zwölf geliebten Aposteln, die zum größten Teil während seines ganzen irdischen Wirkens bei ihm gewesen waren, das Paschafest. Während dieses heiligen Abends schaute der Herr einmal Petrus, seinen dienstältesten Apostel und treuen Freund, an. Der Herr wußte, was Petrus noch abverlangt werden sollte, nachdem er - Jesus - in den Himmel aufgefahren war, und so sagte er: „Simon, Simon, der Satan hat verlangt, daß er euch wie Weizen sieben darf. Ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder.” (Lukas 22:31,32; Hervorhebung hinzugefügt.)

Stellen Sie sich jetzt einmal vor, Sie wären Petrus. Vor drei Jahren hat ein heiliger Fremder Sie aufgefordert, Ihr Fischerboot und die Netze, also das, womit Sie für sich und für Ihre Familie sorgen, zu verlassen und ihm nachzufolgen. Das haben Sie ohne Zögern getan, und seit drei Jahren folgen Sie ihm nach und unterstützen ihn liebevoll. Sie haben gesehen, wie er die Weisen beschämt, die Ermatteten und Bedrängten getröstet, die Kranken geheilt und die Toten auferweckt hat. Sie haben gesehen, wie er böse Geister besiegt und den aufgewühlten See beruhigt hat und sind, wenigstens für ein paar Minuten, selbst auf dem Wasser auf ihn zugegangen. Sie waren an seiner Seite, als ihm Mose und Elija erschienen sind; Sie haben mitangesehen, wie er vor Ihren Augen verklärt wurde. Sie haben sich ihm vorbehaltlos verschrieben. Und jetzt stellt er Sie in Frage und sagt, Sie sollten Ihre Brüder stärken, nachdem Sie sich „wieder bekehrt” haben.

Petrus war überrascht. Er versicherte dem Herrn: „Herr, ich bin bereit, mit dir sogar ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.” (Lukas 22:33.) Aber Jesus kannte ihn und verstand ihn. Er sprach Petrus nicht wegen mangelnder Überzeugung schuldig; als der Herr verhaftet wurde, stellte Petrus seine Überzeugung schließlich unter Beweis. Vielmehr sagte der Herr dem Petrus, was er tun sollte, wenn sein Zeugnis noch fester war.

So wie der Herr den Petrus gekannt hat, so kennt er auch uns alle und weiß, wann unser Zeugnis gar nicht so hell lodert, wie wir vielleicht meinen oder es uns wünschen. In manchen Fällen ist das Zeugnis nicht vernünftig aufgebaut worden und beruht auf Programmen und Persönlichkeiten, mit denen man zu tun hat, statt auf dem sicheren Felsen persönlicher Offenbarung. Oder vielleicht hat man im Laufe der Jahre zugelassen, daß das Zeugnis allmählich nur noch flackerte, weil man es nicht genutzt hat und in geistiger Hinsicht selbstgefällig geworden ist.

Aus welchem Grund auch immer Ihr Zeugnis schwächer geworden sein mag, der Herr fordert Sie liebevoll auf, zu ihm zu kommen und sich bei ihm Kraft zu holen. Er hat zu Moroni gesagt: „Wenn Menschen zu mir kommen, so zeige ich ihnen ihre Schwäche. Ich gebe den Menschen Schwäche, damit sie demütig seien; … denn wenn sie sich vor mir demütigen und Glauben an mich haben, dann werde ich Schwaches für sie stark werden lassen.” (Ether 12:27.)

Manche Menschen sind im Glauben und im Zeugnis schwach, wissen aber nicht einmal, wie prekär ihre Lage ist. Viele von ihnen wären wahrscheinlich beleidigt, wenn man sie darauf hinwiese. Sie zeigen auf, um die Führer der Kirche zu bestätigen, und murren dann und beschweren sich, wenn eine Entscheidung ihnen nicht ins Konzept paßt. Sie behaupten, sie befolgten Gottes Gebote, dabei macht es ihnen gar nichts aus, am Sonntag ins Geschäft zu gehen und Lebensmittel einzukaufen und dann den Herrn zu bitten, sie zu segnen. Manche sagen, sie würden für den Herrn ihr Leben hingeben, weigern sich dann aber, im Kindergarten mitzuarbeiten.

Der Herr hat sehr deutlich von den Menschen gesprochen, die sich ihm nur mit Worten nähern und ihn bloß mit den Lippen ehren, ihr Herz aber von ihm fernhalten (siehe Jesaja 29:13): „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt.

Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: Herr, Herr, sind wir nicht in deinem Namen als Propheten aufgetreten, und haben wir nicht mit deinem Namen Dämonen ausgetrieben und mit deinem Namen viele Wunder vollbracht?

Dann werde ich ihnen antworten: Ich kenne euch nicht. Weg von mir, ihr Übertreter des Gesetzes!” (Matthäus 7:21-23.)

Keiner von Ihnen möchte, daß der Herr solche enttäuschenden Worte zu ihm spricht. Deshalb müssen Sie alles tun, was Sie können, um absolut sicher zu sein, daß das geistige Feuer Ihres Zeugnisses hell genug brennt, um die Wölfe der Finsternis fernzuhalten. Der Apostel Paulus hat erklärt: „Alle haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren.” (Römer 3:23.) Keiner von uns ist in diesem Leben bereits so weit gekommen, daß er sein Zeugnis nicht ständig neu stärken müßte.

Ich möchte dreierlei anführen, was die Flamme unseres Zeugnisses hell auflodern läßt, so daß es uns als Schutz gegen die Wölfe des Bösen dient, die um uns herum lungern und unsere geistige Sicherheit bedrohen.

Erstens: sorgen Sie dafür, daß Ihr Zeugnis auf der soliden Grundlage des Glaubens an den Herrn Jesus Christus beruht. Auch wenn wir mit den Heiligen Gemeinschaft haben und von den inspirierten Programmen der Kirche sehr angetan sind, dürfen wir nicht vergessen, daß es für unsere Seele nur einen sicheren Anker gibt. Das kommt auch in den folgenden Worten des Propheten Helaman an seine Söhne zum Ausdruck: „Und nun, meine Söhne, denkt daran, denkt daran, daß ihr euren Grund auf dem Fels eures Erlösers - und das ist Christus, der Sohn Gottes - legen müßt; damit, wenn der Teufel seine mächtigen Winde aussenden wird, ja, seine Pfeile im Wirbelsturm, ja, wenn all sein Hagel und sein mächtiger Sturm auf euch niederfallen, dies keine Macht über euch haben wird, euch in den Schlund des Elends und des endlosen Wehs hinabzuziehen, und zwar wegen des Felsens, auf den ihr gebaut seid, der eine sichere Grundlage ist - und wenn die Menschen auf dieser Grundlage bauen, können sie nicht fallen.” (Helaman 5:12.)

Vielleicht gehören Sie zu den Mitgliedern der Kirche, die als erstes durch die wunderschönen Lieder des Tabernakelchors mit dem Evangelium in Berührung gekommen sind. Vielleicht ist Ihnen schon das Wohlfahrtsprogramm der Kirche zugute gekommen, als Sie den prophetischen Rat befolgt haben, Lebensmittel und andere Gebrauchsgüter zu lagern. Das sind wunderbare, inspirierte Aspekte der Kirche, die Gott gegeben hat, damit seinen Kindern geholfen wird, zu Christus zu kommen. Aber sie sind Hilfsmittel und kein Selbstzweck. Unsere Hingabe muß sich letztlich auf den himmlischen Vater und seinen geliebten Sohn Jesus Christus richten.

Wir hören oft von Mitgliedern, die sich von der Kirche losgesagt haben, weil irgendein Führer, Lehrer oder Mitglied etwas gesagt oder getan hat, was sie beleidigt hat. Andere werden im Glauben schwankend, wenn die Kirchenführer einen Standpunkt vertreten, mit dem sie nicht übereinstimmen. In solchen Fällen frage ich mich, wie es um den Glauben dieser Leute bestellt ist und ob er wirklich auf dem festen Zeugnis vom Herrn Jesus Christus beruhte oder bloß auf ihren eigenen Vorstellungen davon, wie die Kirche und ihre Mitglieder zu sein haben.

Die heiligen Schriften lehren: „Mit ganzem Herzen vertrau auf den Herrn, bau nicht auf eigene Klugheit.” (Sprichwörter 3:5.) In seinem zu Herzen gehenden Gebet, das im siebzehnten Kapitel des Evangeliums nach Johannes festgehalten ist, hat der Herr diesen tiefgründigen Ausspruch getan: „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast.” (Johannes 17:3.) Es muß uns in erster Linie darum gehen, ein Zeugnis zu erlangen, dessen Grundlage eine aufrichtige persönliche Beziehung zum himmlischen Vater und zu seinem geliebten Sohn Jesus Christus und unser Glaube an sie ist.

Wenn wir in diesem Glauben fest verankert sind, sind wir bereit für meinen zweiten Punkt, mit dem wir das Feuer des Zeugnisses weiter nähren können, nämlich demütiger, aufrichtiger Umkehr. Kaum etwas löscht die Flamme des Heiligen Geistes im Herzen eines Menschen rascher aus als die Sünde. Sie trübt die geistigen Sinne, nagt am Selbstbewußtsein und an der inneren Sicherheit und trennt den Sünder von Jesus Christus. Jemand, der die Last einer Sünde mit sich herumschleppt, von der er noch nicht umgekehrt ist, neigt eher dazu, auch weiteren Ungehorsam zu entschuldigen. Je mehr Sünden man aber entschuldigt, desto größer ist die Gefahr, daß man von den Wölfen des Satans zerrissen wird.

Kaum jemand würde das geistige Risiko anzweifeln, das mit schweren Sünden wie Mord oder Ehebruch verbunden ist. Aber was ist mit jemandem, der in seiner Arbeitszeit seinen persönlichen Projekten nachgeht, oder mit jemandem, der sich in einen Pornofilm schleicht, mit dem Schüler, der in der Schule mogelt, dem, der andere ungerechtfertigt kritisiert, den Eltern, die meinen, der Familienabend sei ja ganz nützlich - aber nur für andere?

Es ist einfach eine Tatsache: alles, was uns Gott nicht näher bringt, das entfernt uns von ihm. Es gibt keinen Mittelweg, keine Grauzone, wo wir ein bißchen sündigen können, ohne geistig auszugleiten. Deshalb müssen wir täglich Umkehr üben und auf den Knien zu Christus kommen, damit das Feuer unseres Zeugnisses nicht durch die Sünde ausgelöscht wird.

Mein dritter Rat geht dahin, daß wir dem Beispiel des Herrn nacheifern. Er hat uns den Weg gezeigt. Bei allem, was wir tun, und in jeder Situation können wir uns fragen, was Jesus tun würde, und dann unseren Weg dementsprechend gehen. Was für ein Heimlehrer wäre Jesus Christus wohl? Würde er die Besuche bei den Familien gelegentlich ausfallen lassen? Würde er sie besuchen, ohne ihnen eine Botschaft zu vermitteln? Oder würde er diesen Familien als der Gute Hirte dienen, der er ja ist, würde beständig über sie wachen und ihnen seine liebevolle Güte erweisen? Tief im Herzen wissen wir, was für ein Heimlehrer Jesus wäre, so wie wir wissen, was für ein Bischof, Lehrer, PV-Beamter, Sekretär oder Berater der Jugendlichen er wäre. Auch wenn wir niemals an ihn heranreichen können, so können wir uns doch darum bemühen und dadurch mehr erreichen, als es sonst der Fall wäre.

Den gleichen Grundsatz können wir auch auf andere Bereiche beziehen. Was für ein Vater wäre Jesus? Was für ein Nachbar, Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Schüler oder Freund? Wenn wir seinem Beispiel möglichst nahe kommen, wird unser Zeugnis kontinuierlich gestärkt und brennt unser geistiges Feuer nie zu einem schwachen Glimmen herunter.

Wir leben in einer gefährlichen Zeit. Es sieht oft so aus, als könne der Satan seinen Einfluß ungehindert und überwältigend ausüben. Denken Sie aber an die Verheißung, die Gott denen gibt, die ihr Zeugnis zu einem hell auflodernden Feuer machen, das die Wölfe, die sie bedrohen, in Schach hält, nämlich: „Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir; hab keine Angst, denn ich bin dein Gott. Ich helfe dir, ja, ich mache dich stark, ja, ich halte dich mit meiner hilfreichen Rechten.” (Jesaja 41:10.)

Die Stärke der Kirche beruht auf der Tiefe und Lebendigkeit des Zeugnisses ihrer Mitglieder. Ob jemand treu ist oder unzuverlässig, hängt davon ab, ob er ein wirklich festes Zeugnis hat oder nicht.

Ich bezeuge: um ein glückliches und erfülltes geistiges Leben zu haben, müssen wir dafür sorgen, daß unser Zeugnis auf der Grundlage des Glaubens an den Herrn Jesus Christus, auf demütiger und aufrichtiger Umkehr und darauf beruht, daß wir dem Beispiel Jesu Christi nacheifern.

Ich weiß, der himmlische Vater lebt, und er liebt jedes seiner Kinder. Sein Sohn Jesus Christus ist unser Erretter und Erlöser. Das Sühnopfer Christi ermöglicht uns allen Unsterblichkeit und ewiges Leben, ein solches Leben, wie es Gott eigen ist, und zwar dann, wenn wir von unseren Sünden umkehren und treu die Gebote halten. Joseph Smith ist ein Prophet Gottes. Durch ihn hat der Herr in diesen, den Letzten Tagen, das Evangelium Jesu Christi wiederhergestellt. Ezra Taft Benson ist heute unser Prophet. Von diesen göttlichen Wahrheiten gebe ich Zeugnis im Namen Jesu Christi. Amen.