2010
Nephis Geschichte, meine Geschichte
April 2010


Das Evangelium in meinem Leben

Nephis Geschichte, meine Geschichte

Jakes Anruf brach mir das Herz, aber ich fand Hoffnung durch das Beispiel eines Propheten aus alter Zeit.

Ein paar Jahre nachdem ich das College abgeschlossen hatte, nahm ich mit anderen jungen alleinstehenden Erwachsenen der Gemeinde an einem Familienabend teil. Ein Ratgeber in der Pfahlpräsidentschaft hatte uns zu sich nach Hause eingeladen, und seine Frau gab die Lektion.

Wir lasen den Bericht über Nephi und seine Brüder, die zu Laban gehen und die Messingplatten erlangen sollten (siehe 1 Nephi 3 bis 5). Die Schwester sprach über den Mut und die Beharrlichkeit, die Nephi an den Tag legte. Dann sah sie uns an. Ihr Blick war durchdringend.

„Nephi und seine Brüder hatten einen schwierigen Auftrag erhalten“, betonte sie. „Es kostete sie mehrere Versuche, keiner davon war leicht. Aber der beharrliche Aufwand lohnte sich. Da sie die heiligen Schriften erlangt hatten, konnte Nephi verhindern, dass seine Familie „in Unglauben ver[fiel] und zugrunde [ging]“ (1 Nephi 4:13).

„Auch in unserem Leben wird es solche ‚Platten‘ geben“, fuhr sie fort. „Vielleicht braucht ihr Beharrlichkeit, um eure Ausbildung zu beenden. Vielleicht müsst ihr Mut beweisen, wenn ihr Verabredungen trefft. Ungeachtet der Opfer, Hindernisse, Rückschläge und des Kummers – was immer notwendig ist, um eure zukünftige Familie zu schützen und davor zu bewahren, in Unglauben zu verfallen – geht zurück und holt die Platten.“

Das ist ein interessanter Vergleich, dachte ich. Ich behielt ihn im Gedächtnis, um später einmal darauf zurückzukommen. Im Moment gab es ja in meinem Leben keine Hindernisse. Ich war mit der Schule fertig, mir gefiel mein Job und ich ging seit etwa vier Monaten mit einem großartigen Jungen aus, mit dem mich eine langjährige Freundschaft verband, die sich jetzt aber zu etwas Ernsterem entwickelt hatte. Ich hätte nicht glücklicher sein können.

Einige Monate später war meine Beziehung zu Jake (Name geändert) noch enger geworden. Doch Jake litt noch unter der Trennung seiner Eltern, die sich einige Jahre zuvor hatten scheiden lassen. Er hatte Angst, dass es bei uns, wenn wir heirateten, ebenso enden könnte wie bei seinen Eltern.

Ich sagte ihm, dass ich ihm Zeit geben wolle – viel Zeit, wenn er sie brauchte –, damit er mit sich selbst ins Reine kommen könne. Wir sprachen darüber, was es heißt, aus dem Glauben heraus eine Entscheidung zu treffen, nicht aus Angst heraus. Wir unterhielten uns über die Entscheidungsfreiheit und die Tatsache, dass er nicht annehmen musste, der Weg seiner Eltern wäre automatisch auch sein Schicksal. Wir sprachen auch über das Sühnopfer Jesu Christi und darüber, dass der Heiland unser Herz heilen kann.

Unsere Gespräche schienen seine Sorgen etwas zu zerstreuen, und es änderte sich nichts an unserer Beziehung. Deshalb war ich mehr als überrascht, als er an einem Samstagnachmittag anrief, um unsere Beziehung zu beenden. Er sagte mir, dass er sich nicht vorstellen könne, mich – oder irgendjemanden – zu heiraten. Er glaubte einfach nicht mehr an die Ehe.

Eine Stunde lang wiederholten wir, was wir bereits diskutiert hatten, aber ich konnte ihn nicht überzeugen. Er flüsterte: „Es tut mir so leid“, und beendete das Gespräch. Still saß ich auf meinem Bett, die Tränen rollten mir über das Gesicht. Ich war wie betäubt.

Kurze Zeit später klopfte eine Mitbewohnerin an meine Tür. „Kommst du mit zur Pfahlkonferenz?“, fragte sie. Mir war nicht danach, irgendwohin zu gehen oder irgendetwas zu machen. Trotzdem zog ich mir ein Kleid an und stieg in ihr Auto.

Als wir ankamen, war der erste Mensch, den ich sah, die Frau, die Monate zuvor bei jenem Familienabend die Lektion gegeben hatte. Keine von uns sagte etwas, aber sie sah mich an, und in Gedanken hörte ich jemanden meinen Namen rufen und sagen: „Geh zurück und hol die Platten.“

Irgendwie wusste ich in dem Moment, was die Eingebung alles umfasste. Es ging nicht nur um einen Propheten aus alter Zeit, der heilige Aufzeichnungen erlangen sollte. Es ging auch um mich. Es bedeutete: Auch wenn Jake nicht an die Ehe glaubte, konnte ich dennoch daran glauben. Ich konnte darauf hoffen und dafür beten und mich darum bemühen – nicht auf sehnsüchtige, wehmütige Weise, sondern voll Glauben und Engagement, auf die Art „bereite-dich-täglich-vor-denn-dies-ist-Gottes-Plan-für-seine-Kinder“. Es bedeutete nicht, dass ich zu Jake zurückgehen und mit ihm zusammenbleiben musste, bis ich ihn „zermürben“ und zu einer Heirat überreden konnte, und es bedeutete auch nicht, dass ich mich sofort mit jemand anderem verabreden musste. Es war völlig in Ordnung, wenn ich mir Zeit ließ, zu trauern und Heilung zu finden.

Aber in dieser Zeit musste ich nicht in Selbstmitleid schwelgen. Ich konnte der Versuchung widerstehen, abfällig über Jake – oder Männer im Allgemeinen – zu reden. Ich konnte mir Freunde suchen, die an die Ehe glauben und sich darauf freuen. Und ich konnte, wie Nephi, auf einen liebevollen Vater im Himmel vertrauen, der kein Gebot gibt – ob es darum geht, alte heilige Aufzeichnungen zu erlangen oder zu heiraten und eine Familie zu gründen –, ohne einen Weg zu bereiten, wie wir es vollbringen können.

Ich bin immer noch dabei, das zu erreichen – noch habe ich es nicht geschafft. Ich bin noch nicht verheiratet, aber ich bin dankbar für die guten Erfahrungen, die ich bei Verabredungen gemacht habe – Erfahrungen, die mir noch wertvoller sind, weil ich besser verstanden habe, welche Rolle Ausdauer beim Erreichen rechtschaffener Ziele spielt.

Außerdem gibt mir das, was Elder Richard G. Scott vom Kollegium der Zwölf Apostel über Nephis Beispiel an Beharrlichkeit gesagt hat, Trost und Zuversicht. Er sagte:

„Nephi war nach zwei fehlgeschlagenen Versuchen immer noch voller Vertrauen. Ohne alle Antworten zu wissen, schlich er in die Stadt und auf Labans Haus zu. Er bemerkte: ‚Ich wurde vom Geist geführt; ich wusste nicht im Voraus, was ich tun sollte‘, und dann fügt er bedeutsamerweise hinzu: ‚Dennoch ging ich weiter.‘ (1 Nephi 4:6,7; Hervorhebung hinzugefügt.)

Nephi war willens, es immer wieder zu versuchen und alles in seiner Macht Stehende zu tun. Er bekundete Glauben daran, dass ihm geholfen werden würde. Er ließ sich nicht entmutigen. Aber eben weil er handelte, dem Herrn vertraute, gehorsam war und seine Entscheidungsfreiheit richtig anwandte, wurde er geführt. Schritt um Schritt wurde er zum Erfolg geführt und, mit den Worten seiner Mutter, wurde ihm Macht gegeben …, das zu vollbringen, was der Herr … geboten hat‘ (1 Nephi 5:8).“1

Dieser Grundsatz, nämlich Beharrlichkeit, ist natürlich nicht nur auf das Thema Verabredungen beschränkt. Er gilt genauso für jemand, der chronisch krank ist und nicht weiß, ob er einen weiteren Tag voller Schmerzen gut bestehen kann; für ein Ehepaar, das sich bemüht, Probleme in der Ehe zu überwinden; für Eltern, die seit Jahren für ein Kind beten, das in die Irre gegangen ist; für einen Jugendlichen, der wegen seines Glaubens in der Schule feindselig behandelt wird; für Missionare, die tagelang gearbeitet haben, ohne eine Lektion durchnehmen zu können. Auf irgendeine Weise hat jeder von uns das Gebot erhalten, zurückzugehen und die Platten zu erlangen.

Und wie Nephi können wir es schaffen. Mit Mut, Beharrlichkeit und Glauben können wir alles vollbringen, was der Herr uns geboten hat.

Anmerkung

  1. Richard G. Scott, „Lernen, die Antwort auf ein Gebet wahrzunehmen“, Der Stern, Januar 1990, Seite 30

Illustrationen von Michael Parker