2013
Sie dürfen hier nicht herein
Juli 2013


Sie dürfen hier nicht herein

Bonnie Marshall, Utah

Mein Mann John war sehr stattlich. Er war 1,90 Meter groß und wog über 90 Kilogramm. In der Touristenklasse zu fliegen war für ihn bestenfalls ungemütlich, schlimmstenfalls sogar schmerzhaft.

Im August 2006 wurden wir berufen, an der Brigham-Young-Universität Hawaii eine Mission für das Bildungswesen der Kirche zu erfüllen. Als uns der Heimflug bevorstand, machten wir uns Sorgen, wie wir auf dem Flug zurück zum Festland wohl untergebracht waren. Beim Check-in erfuhren wir zu unserer Freude, dass es einen freien Sitzplatz in der ersten Klasse gab, also zahlten wir für meinen Mann den Aufpreis. So konnte er gemütlich sitzen und hatte ausreichend Platz für seine langen Beine.

Etwa auf halbem Wege beschloss ich, mich zu erkundigen, wie es meinem Mann ging. Als ich mich der ersten Klasse näherte, hielt mich eine Flugbegleiterin an der Tür auf.

„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie.

„Ja, ich würde gern kurz mit meinem Mann sprechen“, entgegnete ich.

„Es tut mir leid“, sagte die Flugbegleiterin freundlich, aber bestimmt, „Sie dürfen hier nicht herein.“

„Aber ich will doch nur ganz kurz meinen Mann sehen.“

Doch sie blieb vor der Tür stehen und wiederholte: „Es tut mir leid, aber es ist Ihnen nicht gestattet, sich hier aufzuhalten. Ich kann Ihrem Mann etwas ausrichten, und wenn er möchte, kann er zu Ihnen kommen. Aber in diesem Bereich dürfen sich nur Passagiere der ersten Klasse aufhalten.“

Einen Moment lang war ich sprachlos. Aber ich sah, dass nichts zu machen war, und ging still auf meinen Platz in der Touristenklasse zurück.

Ich musste an die drei Grade der Herrlichkeit denken, die in den heiligen Schriften erwähnt sind und von denen Propheten gesprochen haben. Wir lesen, dass Christus diejenigen im terrestrialen Reich besuchen wird (siehe LuB 76:77) und dass dienende Engel diejenigen im telestialen Reich besuchen werden (siehe LuB 76:88), dass aber diejenigen aus den geringeren Reichen niemals ins celestiale Reich gelangen können (siehe LuB 76:112; siehe auch LuB 88:22-24). Als ich über das eben Erlebte nachdachte, meinte ich, ahnen zu können, wie es vielleicht sein mag, in den geringeren Reichen zu sein. Wie fühlt man sich wohl, wenn es heißt: „Es tut mir leid, du darfst hier nicht herein“?

Ungefähr fünf Monate später starb mein Mann an Krebs. Mein Erlebnis im Flugzeug spornt mich zusätzlich an, so zu leben, dass ich solche Worte nie wieder hören muss – zumindest nicht auf der anderen Seite des Schleiers.