2020
Elder Christofferson gibt Tipps, wie man in der Coronakrise die Isolation überstehen kann, und mahnt: Achten Sie auf das Wohlbefinden der Alleinstehenden
COVID-19: Botschaften des Glaubens


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Elder Christofferson gibt Tipps, wie man in der Coronakrise die Isolation überstehen kann, und mahnt: Achten Sie auf das Wohlbefinden der Alleinstehenden

Lesen Sie Teil 6 einer Reihe von Interviews, in denen Mitglieder des Kollegiums der Zwölf Apostel in Zeiten der Coronakrise Rat erteilen

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Winkende Frau auf dem Bürgersteig

Durch die COVID-19-Pandemie habe sich für die Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage „nun ein großartiges Zeitfenster“ aufgetan, um „darüber nachzudenken, wo und zu wem sie sich zugehörig fühlen“, befindet Elder D. Todd Christofferson.

Jetzt sei eine Zeit, die von uns erfordere, „beständig aufmerksam zu sein, was das Wohlergehen unserer Mitmenschen angeht“, so das Mitglied des Kollegiums der Zwölf Apostel. Dies betreffe insbesondere auch diejenigen, die alleinstehend sind oder keinem traditionellen Familienverbund angehören, der sich in dieser von Krankheit und Tod, einer gedämpften Wirtschaft und einem auf den Kopf gestellten Alltag gekennzeichneten Zeit um sie kümmert.

Als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie hatte die Erste Präsidentschaft Versammlungen der Kirche aussetzen und die Tempel schließen lassen. Zudem wurde dafür gesorgt, dass Tausende Missionare nach Hause gebracht wurden. Wenige Wochen danach gab nun Elder Christofferson den Nachrichten der Kirche per Videokonferenz ein Interview. Darin erinnert er an diejenigen, die mit den gegenwärtigen Herausforderungen allein zurechtkommen müssen.

„Es gibt viel, was wir füreinander tun können“, so der Apostel.

Aktuell würden sich Einzelne sowie Familien überall auf der Welt Sorgen um ihre Sicherheit und ihr Wohlergehen machen. Sie leiden unter den Umständen, mit denen sich die Menschheit derzeit auseinandersetzen müsse: räumliche Trennung, Reisebeschränkungen, finanzielle Unsicherheit und mangelnde Versorgung mit Waren des täglichen Bedarfs. „Wir alle fragen uns: ‚Werde ich bekommen, was ich brauche? … Werde ich die nötige medizinische Versorgung erhalten, wenn ich sie brauche?‘“

Alleinstehende stünden vor zusätzlichen Schwierigkeiten, merkt er an.

Ohne den Gang zur Kirche sei ihr Zugang zu den Segnungen des Priestertums und zu heiligen Handlungen – insbesondere dem Abendmahl – vielleicht eingeschränkt. Außerdem setze ihnen die soziale Isolation mehr zu, so der Apostel weiter.

„Wir müssen uns in die Alleinstehenden besser hineinversetzen. Das Alleinsein und weitere Herausforderungen sind für sie schlimmer als für die meisten unter uns – und insbesondere Alleinerziehende haben eine riesige Last zu tragen. Wir müssen besser darauf achten, wie wir sie mit einbeziehen können. Wir müssen uns auch Gedanken darüber machen, was für Unterstützung sie vielleicht brauchen.“

Zugehörigkeit

Die Kirche des Herrn ist so organisiert, dass den Frauenhilfsvereinigungen und den Priestertumskollegien Möglichkeiten an die Hand gegeben sind, in guten wie in schlechten Zeiten aufeinander achtzugeben und füreinander da zu sein, erläutert Elder Christofferson.

„Denken Sie darüber nach, was Zugehörigkeit bedeutet und welche Gefühle damit einhergehen. Wir können viel füreinander tun, wenn wir uns als Brüder und Schwestern im Evangelium einander zugehörig fühlen.“

Schwierige Zeiten wie jetzt böten den Frauenhilfsvereinigungen und den Priestertumskollegien die Gelegenheit, „ihr Potenzial voll zu entfalten und das zu leisten, wozu aufgrund ihrer einzigartigen Organisation nur sie in der Lage sind“. Trotz der gebotenen räumlichen Distanz sollten sich die Priestertumskollegien und die FHV „kreative Möglichkeiten des Austauschs“ überlegen, um ihren Mitgliedern – und damit auch den Alleinstehenden – das Gefühl der Zugehörigkeit zu vermitteln.

Bei einem derartigen Austausch solle man sich auf persönliche Offenbarung stützen, fügt er hinzu.

Elder Christofferson mahnt an, wir müssten in unserem Bemühen, den Herrn zu hören, „noch zielgerichteter sein“. Hierzu zitiert er, was Präsident Russell M. Nelson bei der letzten Generalkonferenz gesagt hat.

„Präsident Nelson forderte uns auf: ‚Ich wiederhole meine Bitte an Sie, alles zu tun, was Sie können, um Ihre geistige Fähigkeit, persönliche Offenbarung zu empfangen, zu erweitern.‘ („Ihn höre!“, Liahona, Mai 2020.) Darin liegt große Macht!“

Bei der Erläuterung des Gesetzes der Weihung führt der Herr an, „ein jeder soll auf das Wohl seines Nächsten bedacht sein“ (Lehre und Bündnisse 82:19), so Elder Christofferson. „Das ist der Grundgedanke, der in einem Kollegium oder in der FHV und auch in der Familie vorherrschen soll.“

Wenn man „ständig auf das Wohl des Nächsten bedacht ist, kommt man nach Zion oder errichtet man Zion“.

Das stehe im Gegensatz zu den Gepflogenheiten der Welt, wo man eher dahin tendiere, auf sich selbst zu schauen und zu fragen: „Was ist mit mir? Was brauche ich? Wie werde ich glücklich?“, meint Elder Christofferson.

Die der Betreuung zugrunde liegende Idee sei, dass man nach außen schaue und sich seinem Nächsten zuwende. „Man folgt einem edleren und heiligeren Ansatz, als wenn man einfach nur einen Auftrag erfüllt oder einen Besuch abhakt.“ Er fordert die Mitglieder der Kirche dazu auf, „dass wir uns einander ein wenig mehr zuwenden und mehr auf das Wohlergehen des anderen achten“.

Führungsverantwortliche könnten das zwar anstoßen und Gelegenheiten dafür schaffen, es müsse aber auch „ohne speziellen Auftrag selbst in uns aufkeimen“, fügt er hinzu. „So zu leben und zu denken soll ganz selbstverständlich sein. Das erreichen wir, wenn wir uns des jeweils anderen mehr bewusst sind.“

Warum Einsamkeit so schwierig ist

Elder Christofferson legt dar, erzwungenes Alleinsein führe zu Einsamkeit und könne sich nachteilig auf die körperliche und seelische Gesundheit auswirken. Er gibt daher Alleinstehenden, die sich fragen, wie sie wohl am besten mit ihrer Einsamkeit umgehen könnten, folgende Ratschläge:

Etwas für andere tun: Der Blick über den eigenen Tellerrand könne das Gefühl der Isolation mildern, erläutert er. Man könne in der eigenen Nachbarschaft nach Gelegenheiten zum Dienst am Nächsten Ausschau halten. Einige Möglichkeiten seien auf der von der Kirche betriebenen Website JustServe.org zu finden (derzeit nur für einige wenige Länder aufbereitet). „Überlegen Sie, wie Sie sich einbringen können. Suchen Sie nach einer Möglichkeit, zu helfen und Gutes zu tun.“

Manches könne man online erledigen. Aber man habe auch die Möglichkeit, mit geeigneter Schutzausrüstung – Maske, Handschuhe und so weiter – gemeinnützige Arbeit zu verrichten, erklärt er. In Utah würden zum Beispiel viele bei Project Protect mitmachen, einem Projekt, bei dem Schutzmasken für die örtlichen medizinischen Versorger genäht werden.

Arbeiten: „Wenn Sie die Möglichkeit haben, von zuhause aus zu arbeiten, sollten Sie sie nutzen“, so Elder Christofferson. Können Sie derzeit keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, „überlegen Sie, wie Sie sich beruflich weiterentwickeln können“. Vielleicht könnten Sie einen Online-Kurs absolvieren.

„Normalisiert sich dann wieder alles, werden Sie dankbar dafür sein, sich die Zeit genommen zu haben, als Sie sie hatten, um sich mit Ihren beruflichen Qualifikationen und Ihrer beruflichen Entwicklung zu befassen. Manches mag im Moment auf Eis gelegt sein. Trotzdem können wir uns auf das vorbereiten, was die Zukunft möglicherweise bringt.“

Umgang miteinander pflegen: Überlegen Sie, wie Sie „von Mensch zu Mensch – als Bruder und Schwester – miteinander kommunizieren können“. Tätigen Sie dazu auch Anrufe.

„Rufen Sie jemanden an, um einfach nur zu reden“, so seine Aufforderung. „Um miteinander zu reden, braucht man keine Botschaft und auch kein besonderes Anliegen.“

Kommen Sie Ihrem Auftrag als betreuender Bruder oder betreuende Schwester nach. Rufen Sie eine Online-Lerngruppe ins Leben oder schließen Sie sich einer solchen an. Seien Sie kreativ. „Suchen Sie sich etwas aus, was Sie aufrichtet und Ihnen Spaß bereitet.“

Missionsarbeit und Familienforschung weiterführen: Unter den aktuellen Umständen seien manche für Religion vielleicht offener als zuvor, meint Elder Christofferson. Sprechen Sie mit ihnen über das Evangelium. Helfen Sie den Vollzeitmissionaren, jemanden zu finden, den sie unterweisen können. Nutzen Sie die zusätzliche Zeit, um sich mit Familienforschung zu befassen. Ermuntern Sie andere, es Ihnen gleichzutun.

Lesen: „Ich nehme an, jeder hat Bücher auf seiner Liste, die er gern lesen würde, zu denen er aus Zeitmangel aber bisher nicht gekommen ist“, so der Apostel und merkt an, ihm hätten es Biografien besonders angetan.

„Lesen Sie das, was Ihren Charakter veredelt und Ihre Seele nährt. Ein bisschen Unterhaltung zwischendurch ist aber auch nicht verkehrt.“

Sport treiben: „Sich zu bewegen würde ich jedem empfehlen, besonders aber jemandem, der allein ist. Gehen Sie spazieren. Notfalls geht das sogar in der eigenen Wohnung.“

Sich geistig weiterentwickeln: Jetzt sei eine enorm wichtige Zeit, sich persönlich geistig weiterzuentwickeln. So könne man „sich an den Worten Christi weiden“, so Elder Christofferson. „Jetzt haben wir ein bisschen mehr Ruhe. Dies ist ein guter Zeitpunkt, der Aufforderung ‚Ihn höre!‘ nachzukommen.“

Präsident Nelson hat die Mitglieder der Kirche aufgefordert, ihre Fähigkeit auszubauen, persönliche Offenbarung zu erkennen und zu empfangen.

„Hierfür benötigen wir Disziplin und eine feste Absicht. Das liegt ganz allein bei uns. Dazu passend sagte Heber C. Kimball (1801–1868) einmal, wir könnten ‚wie Ton in der Hand des Töpfers‘ werden.“

Durchhalten: All denen, die darauf warten, das Abendmahl empfangen, in den Tempel gehen oder wieder mit anderen zusammenkommen zu können, verheißt Elder Christofferson: Die derzeitige Situation werde sich ändern. „Wir werden nicht ewig so weiterleben müssen“, versichert er.

Niemand wird vergessen

Als 1918 die Welt von der Spanischen Grippe heimgesucht wurde, erzählt Elder Christofferson, gab es in Lehi in Utah einen Zuckerrübenfarmer namens George Goates. Als George unter erschwerten Umständen die Ernte einfahren wollte, fielen innerhalb von sechs Tagen vier Familienmitglieder der Grippe zum Opfer. Er musste die Ernte unterbrechen und Särge für sie anfertigen. Nach dieser herzzerreißenden Aufgabe begab er sich wieder auf seinen Rübenacker, vorbei an den bereits abgeernteten Feldern seiner Nachbarn.

Auf dem Weg fiel ihm auf, dass benachbarte Farmer eine Wagenladung Rüben nach der anderen zur Fabrik schafften. Erst als George bei seinem Acker ankam, wurde ihm klar, dass es sich dabei um seine Rüben gehandelt hatte.

Er wischte sich die Tränen aus den Augen, „blickte zum Himmel auf und sagte: ‚Danke, Vater, für die Ältesten unserer Gemeinde.‘“

Die Mitglieder der Kirche des Herrn sollten das Gefühl haben, auch ihnen werde unerwarteterweise viel Unterstützung und Aufmerksamkeit entgegengebracht, meint Elder Christofferson.

Vereinzelt haben alleinstehende Mitglieder der Kirche das Gefühl, niemand würde „schützend hinter ihnen stehen“. Aber vom Herrn „wird niemand vergessen“, fügt er hinzu. „Niemand kann behaupten: ‚Der Herr gibt nicht auf mich acht.‘ … Wirklich niemand.“

Elder Christofferson weiß noch, wie ein Problem, das ihn lange in Atem gehalten hatte, dazu führte, dass er seinen Blick vermehrt auf den Herrn richtete.

Die derzeitig grassierende Pandemie sei – genau wie jede andere Bürde – dazu angetan, „dass wir uns dem Herrn mehr zuwenden“, zeigt er sich überzeugt.

Im Gegenzug habe der Herr seinen Kindern Frieden verheißen. „Wir wissen nicht, wie es geschieht oder was geschehen wird oder wie wir es schaffen werden, aber es wird alles gutgehen. Wir können Frieden finden.“

Alma sagte seinem Sohn Helaman einst: „Ich weiß sicher, wer auch immer sein Vertrauen in Gott setzt, der wird in seinen Prüfungen und seinen Mühen und seinen Bedrängnissen gestärkt und wird am letzten Tag emporgehoben werden.“ (Alma 36:3.)

Elder Christofferson unterstreicht, diese Verheißung gelte auch „für das Hier und Jetzt“.

Seine Botschaft lautet ebenfalls: „Gott hilft Ihnen, wenn Sie sich ihm zuwenden. Von dieser Verheißung ist kein Mensch ausgeschlossen.“

Diese Verheißung gebe den Mitgliedern der Kirche in dieser Zeit großartiger Möglichkeiten Kraft. Sie brächten ihren Mitmenschen mehr Aufmerksamkeit entgegen und führen reiche Ernte an Seelen ein – was die eigene Seele mit einschließt. Zum Abschluss betont er, der Dienst an der Seite und auf die Weise des Erretters „trägt dazu bei, alle sicher nach Hause zu bringen – auch diejenigen, die einsam sind“.