Weihnachtsandachten
13soares


Eine neuzeitliche Engelsschar

Guten Abend, meine lieben Brüder und Schwestern. Es ist mir eine große Freude, heute Abend zu Ihnen sprechen zu dürfen, da wir das herrlichste Ereignis der Menschheitsgeschichte feiern – der Sohn Gottes ist in die Welt gekommen. Die Geburt Christi, sein Leben und sein Sühnopfer sind ein Geschenk unseres Vaters im Himmel an uns alle.

Die Adventszeit erfüllt uns mit Freude, denn wir feiern die Geburt des Heilands. Die fortwährende und endlose Liebe Gottes scheint uns mehr als sonst zu durchdringen. Das hilft uns, unser Herz unserer Familie, unseren Freunden und Nachbarn zuzuwenden und gegenüber all denen empfindsamer zu sein, die sich allein oder einsam fühlen oder die Trost und Frieden brauchen.

Im Lukasevangelium werden Ereignisse im Zusammenhang mit der Geburt Jesu geschildert. Schon immer haben mich an diesen Schilderungen die verschiedenartigen Menschen beeindruckt, denen in ihrer jeweiligen Lage Trost und Frieden geschenkt wurde. Beispielsweise schickte unser liebevoller Vater im Himmel des Nachts Engel zu den gesellschaftlich isolierten Hirten, damit sie ihnen die Geburt des Sohnes Gottes verkündigten. Die Hirten wiederum suchten dann Maria und Josef auf, die sich weit weg von ihrem Zuhause in Galiläa um ihr Neugeborenes kümmerten.

Es war kein bloßer Zufall, dass Josef und Maria sich auf den langen Weg von Nazaret nach Betlehem machten, um sich in die Steuerlisten eintragen zu lassen. Schon seit Jahrhunderten hatten Propheten vorhergesagt, dass der Retter der Welt in Betlehem, der Stadt Davids, geboren werden würde.1 Wir sehen, dass unser Vater im Himmel sich sämtlicher Einzelheiten bewusst war, die mit der Geburt seines einziggezeugten Sohnes einhergingen, und auf sie hingewirkt hat. „Es geschah, als sie dort waren, da erfüllten sich die Tage, dass sie gebären sollte.“2

Den Hirten auf dem Feld erschien eine Engelsschar. Die Hirten wiederum suchten Maria und Josef in dem Stall auf. Wenn ich über die sozialen Verhältnisse der Hirten und des jungen Paares nachdenke, frage ich mich, inwiefern ihnen allen durch diese Erlebnisse Trost, Frieden und Freude geschenkt wurden.

Durch den Besuch der Engel erhielten die Hirten vielleicht die tröstliche und für sie wichtige Zusicherung, dass Gott sie kannte und sie ihm wertvoll waren und er sie daher als die ersten Zeugen des neugeborenen Lammes Gottes erwählt hatte. Maria und Josef wurde von den Hirten vielleicht der bitter nötige Trost gebracht, dass nun auch andere Menschen von dem göttlichen Wunder wussten, das sie miterlebten.3

Gewiss gibt es unter uns neuzeitliche Hirtinnen und Hirten, die spät in der Nacht und bis zum frühen Morgen arbeiten, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Hierzu gehören beispielsweise Sicherheitskräfte, Krankenhaus- und Notfallpersonal, Mitarbeiter an Tankstellen, die rund um die Uhr geöffnet haben, und Nachrichtenteams. Manchmal fühlen sich Menschen, die Nachtschicht arbeiten, vielleicht ausgeschlossen vom gesellschaftlichen Miteinander derer, die reguläre Arbeitszeiten haben. Darüber hinaus gibt es auch heutzutage Josefs und Marias, die ihre Heimat verlassen und versuchen, sich an neue Lebensumstände anzupassen. Wichtige Feier- und Gedenktage wie Weihnachten, Geburtstage, Hochzeiten und Todestage geben ihnen dabei Halt.

Weihnachten steht vor der Tür, und ich frage mich, ob wir vielleicht mehr wie die Engelsschar werden und neuzeitliche Hirten aufsuchen können, um ihnen die gute Nachricht von Christus, Frieden und Trost zu bringen. Vielleicht können wir auch mehr wie die Hirten werden und dem Aufruf folgen, die neuzeitlichen Josefs und Marias in unserer Nachbarschaft und unserem Umfeld zu besuchen und ihnen Gutes zu tun. So könnten wir ihnen die Gewissheit geben, dass Gott sie liebt, auf sie achtgibt und für sie sorgt.

Meine Familie und ich haben schon mehrmals den Trost und Frieden verspürt, den eine neuzeitliche Engelsschar bringen kann. Heute Abend möchte ich über eines dieser Erlebnisse sprechen. 2003 zogen wir von unserem Heimatland nach Utah. In jenem Winter gab es in Utah einen der größten Schneestürme seit langem. Wir waren zwischen Palmen und Sandstränden aufgewachsen. Ein Unwetter wie dieses hatten wir noch nie erlebt. Unser Haus lag an der Ecke eines Hügels in Bountiful, und es gab dort einem sehr langen Bürgersteig. Als es zu schneien begann, räumte meine Frau tapfer die Einfahrt und die Bürgersteige. Ich selbst hatte mir ein paar Tage zuvor das Handgelenk gebrochen, als ich einen unserer Nachbarn besuchen wollte und auf der vereisten Zufahrt ausgerutscht war. Dieser Unfall machte eine Operation notwendig, und ich hatte monatelang einen großen Gipsarm. Als meine liebe Frau das erste Mal in ihrem Leben Schnee räumte, wusste sie leider nicht, dass sie bei der Schneefräse den Auswurf auf die andere Seite stecken musste, nachdem sie die Hälfte der Auffahrt geräumt hatte. Als sie die andere Hälfte räumen wollte, landete der Schnee geradewegs wieder auf der frisch geräumten Seite. Sie räumte den Schnee hin und her, ohne Erfolg. Was für ein Chaos! Da sie sich so lange in der Kälte aufgehalten hatte, bekam sie eine beidseitige Ohrenentzündung und konnte zwei Monate lang fast nichts hören. Zur selben Zeit verletzte sich mein sechzehnjähriger Sohn beim Schlittenfahren am Rücken und musste im Bett bleiben, damit seine Verletzung heilen konnte. Da waren wir also, ans Bett gefesselt, taub, eingegipst, und außerdem war uns eiskalt. Ich bin sicher, wir waren ein imposanter Anblick für unsere Nachbarn. An einem kalten Morgen gegen fünf Uhr früh schreckte ich hoch. Vor meinem Fenster war das Geräusch einer Schneefräse zu hören. Ich sah aus dem Fenster und erblickte Bruder Blaine Williams, meinen Nachbarn, der gegenüber auf der anderen Straßenseite wohnte. Der fast Siebzigjährige hatte sein warmes und gemütliches Zuhause verlassen und räumte ohne ein Wort unsere Einfahrt und unseren Bürgersteig, da er wusste, dass wir es nicht selbst tun konnten. Auf die gleiche ruhige und schlichte Art und Weise tauchte ein anderer Freund, Bruder Daniel Almeida, bei uns zuhause auf. Er kam, um mich nach Salt Lake City zur Arbeit zu fahren, da ich mit meinem äußerst lästigen Gipsarm nicht selbst fahren konnte. Freundlich und still halfen sie jeden Morgen aus, bis die gesamte Familie wieder genesen war und wir uns wieder selbst um alles kümmern konnten. In jener kalten Weihnachtszeit im Jahr 2003 wurden uns diese engelsgleichen Männer genauso gesandt wie die dienenden Engel den demütigen Hirten gesandt worden waren. Diese beiden Männer folgten dem Beispiel unseres Erretters und stellten unsere Bedürfnisse über ihre eigenen.

Liebe Brüder und Schwestern, das Leben des Erretters war das vollkommene Beispiel für Liebe und Wohlwollen gegenüber allen Menschen. Er vergaß sich selbst stets für andere. Sein selbstloses Handeln zeigte sich in allem, was er Tag für Tag tat, und war nicht auf eine bestimmte Zeit im Jahr oder einen bestimmten Feiertag beschränkt. Wenn wir unser Herz anderen Menschen zuwenden, wie es der Erretter getan hat, verheiße ich Ihnen, dass wir die Bedeutung von Weihnachten noch deutlicher erleben können. Wenn wir das tun, kann ich Ihnen versichern, dass wir zahllose Möglichkeiten finden werden, denen, die uns brauchen, still und freundlich etwas von uns zu geben. Auf diese Weise lernen wir den Erretter besser kennen und finden für uns selbst Frieden auf Erden sowie Wohlwollen für unsere Mitmenschen. Davon hängt in hohem Maße ab, wie viel Liebe, Frieden und neue Kraft wir spüren und an andere weitergeben können. Mögen wir in die Fußstapfen des Erretters treten und dabei stets auf den Klang der Sandalen an seinen Füßen achten und nach der verlässlichen Hand des Zimmermanns greifen. Wenn wir in allem, was wir tun, nach dem Erretter suchen, dauert die Weihnachtszeit nicht nur ein paar Tage, sondern Herz und Sinn werden davon durchdrungen. Die zu Weihnachten empfundene Freude und Liebe wird uns immer nah sein. Ich bezeuge, dass Jesus Christus, das Kind, das zu Betlehem geboren wurde, tatsächlich der Erretter und Erlöser der Welt ist.

Frohe Weihnachten Ihnen allen! Das sage ich im Namen Jesu Christi. Amen.