2014
Gaben für eure zukünftige Familie
Januar 2014


Gaben für eure zukünftige Familie

Aus der Ansprache „Gifts of Love“, die am 16. Dezember 1980 bei einer Andacht an der Brigham-Young-Universität gehalten wurde. Den englischen Text findet ihr in voller Länge unter speeches.byu.edu.

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Präsident Henry B. Eyring

Beginnt dieses Jahr damit, einige Gaben – kostbare Gaben – zu entwickeln, die eurer zukünftigen Familie zugutekommen.

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A young man holding up a chain of paper dolls.

Fotos von Cody Bell

Ich stelle mir gern in Gedanken vor, wie ich jemandem ein Geschenk mache. Ich sehe vor mir, wie das Geschenk ausgepackt wird und wie der Beschenkte durch seine Freudentränen und sein Lächeln zeigt, dass das Schenken, und nicht nur das Geschenk, sein Herz berührt hat. Vielleicht gefällt euch diese Vorstellung ebenfalls. Viele von euch sind vermutlich schon sehr gut darin, anderen ein Geschenk zu machen.

Aber selbst dann könnt ihr dieses Jahr etwas tun, um euch darin noch zu verbessern. Als Schüler habt ihr dazu viel Gelegenheit. Ihr könnt jetzt damit beginnen, einige Gaben – kostbare Gaben – für eure zukünftige Familie sozusagen auf die Seite zu legen. Ich will euch erläutern, von welchen Gaben ich spreche.

Hausarbeiten für die Schule

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A pen lying on a handwritten letter.

Ihr könnt gleich heute anfangen, in eurem Zimmer. Liegt da auf irgendeinem Stapel eine unvollendete Hausarbeit für die Schule? (Ich kann mir gut vorstellen, wie es in eurem Zimmer aussieht. Bestimmt finden sich dort einige Stapel.) Vielleicht ist die Hausarbeit schon fertiggeschrieben und zur Abgabe bereit. Warum solltet ihr euch nochmals damit befassen? Der Grund dafür wurde mir während eines Religionsunterrichts klar, den ich seinerzeit am Ricks College (heute Brigham-Young-Universität Idaho) hielt. Ich behandelte Abschnitt 25 im Buch Lehre und Bündnisse. In diesem Abschnitt wird Emma Smith angewiesen, ihre Zeit darauf zu verwenden „zu schreiben und viel zu lernen“ (Vers 8). Ungefähr in der dritten Reihe saß eine blonde junge Frau, die die Augenbrauen zusammenzog, als ich jeden in der Klasse aufforderte, eifrig daran zu arbeiten, seinen Schreibstil zu verbessern. Sie meldete sich und meinte: „Das leuchtet mir nicht ein. Was werde ich schon schreiben außer Briefe an meine Kinder?“ Damit erntete sie einiges Gelächter. Ich konnte sie mir gut vorstellen, von Kindern umringt, und ich konnte mir sogar die Briefe vorstellen, die sie schreiben würde. Gut möglich, dass ihr ein gewandter Schreibstil nicht so wichtig war.

Da stand ein junger Mann in den hinteren Reihen auf. Er hatte sich das ganze Halbjahr kaum zu Wort gemeldet; ich war nicht sicher, ob er überhaupt schon einmal etwas gesagt hatte. Er war älter als die anderen und ziemlich schüchtern. Er fragte, ob er etwas sagen dürfe. Mit ruhiger Stimme berichtete er, dass er als Soldat in Vietnam gewesen sei. An einem Tag, der – wie er meinte – ereignislos verlaufen würde, habe er sein Gewehr liegen lassen und sei über das gesicherte Gelände zur Postausgabe gegangen. Als man ihm gerade einen Brief aushändigte, habe er ein Signal, Schreie und Geschütz- und Gewehrfeuer vom herannahenden Feind gehört. Mit bloßen Fäusten habe er sich durchgekämpft bis zu seinem Gewehr. Gemeinsam mit den Männern, die überlebt hatten, habe er den Feind verjagt. Dann habe er sich zwischen den Überlebenden – und einigen Toten – niedergesetzt und den Brief geöffnet. Er sei von seiner Mutter gewesen. Sie habe ihm von einem geistigen Erlebnis geschrieben, das ihr die Gewissheit gegeben hatte, dass er lebendig nach Hause kommen werde, wenn er rechtschaffen lebte. Nach diesem Bericht sagte der junge Mann leise: „Dieser Brief war für mich heilige Schrift. Ich habe ihn aufbewahrt.“ Dann setzte er sich wieder.

Vielleicht habt ihr eines Tages ein Kind, vielleicht einen Sohn. Könnt ihr euch sein Gesicht vorstellen? Könnt ihr euch vorstellen, dass er irgendwann irgendwo in Lebensgefahr schwebt? Spürt ihr seine Angst? Nimmt euch das nicht mit? Würdet ihr nicht alles tun wollen, um ihm zu helfen? Was müsstet ihr opfern, um den Brief zu schreiben, den ihr von Herzen gern schreiben möchtet? Fangt heute Nachmittag mit dem Üben an. Geht in euer Zimmer, schreibt und lest eure Hausarbeit durch und verbessert sie immer und immer wieder. Wenn ihr euch dabei euren Jungen vorstellt, erahnt, was in ihm vorgeht, und an die Briefe denkt, die er eines Tages brauchen wird, werdet ihr keine Mühe scheuen.

Mathematikaufgaben

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Chalk board with chalk and eraser

Auf manche von euch wartet vielleicht keine Hausarbeit. Stattdessen erwartet euch vielleicht eine unerledigte Mathematikaufgabe. Ich beschreibe nun einen Tag, wie er sich in der Zukunft abspielen könnte. Ihr habt einen Sohn oder eine Tochter im Teenageralter. „Ich kann die Schule nicht ausstehen“, bekommt ihr zu hören. Nachdem ihr aufmerksam zugehört habt, stellt ihr fest, dass euer Kind eigentlich keine Abneigung gegen die Schule hat, nicht einmal gegen das Fach Mathematik, sondern einfach nur das Gefühl hat, versagt zu haben.

Ihr werdet erkennen, worum es eigentlich geht, und mit eurem Kind mitfühlen, und ihr werdet alles tun wollen, um ihm zu helfen. Ihr schlagt also das Mathebuch auf und sagt: „Schauen wir uns doch eine der Aufgaben gemeinsam an.“ Was für ein Schock wird es wohl sein, wenn ihr feststellt, dass es noch immer dieses Ruderboot gibt, das flussabwärts zwei Stunden benötigt und flussaufwärts fünf, und dass man immer noch berechnen muss, wie schnell die Strömung ist und welche Strecke das Boot zurückgelegt hat. Nun mögt ihr denken: „Meine Kinder fühlen sich sicher besser, wenn sie sehen, dass ich Mathe auch nicht besser beherrsche als sie.“ Lasst euch von mir sagen: Darin werden sie keinen Vorteil sehen.

Ihr könnt etwas Besseres für sie tun, aber das erfordert jetzt Anstrengung. Mein Vater muss als Junge die Aufgabe mit dem Ruderboot und viele andere Mathematikaufgaben in Angriff genommen haben. Das war Teil des Rüstzeugs, das er brauchte, um später ein Wissenschaftler zu werden, der im Fach Chemie etwas erreicht hat. Aber er hat auch bei mir viel erreicht. Unser Wohnzimmer sah nicht so elegant aus wie andere. Das einzige Mobiliar waren Stühle, und die einzige Dekoration an der Wand war eine Tafel. Ich kam in das Alter, in das auch eure Söhne und Töchter einmal kommen werden. Die Frage, ob ich Matheaufgaben lösen konnte, beschäftigte mich nicht länger, da ich mir hinreichend bewiesen hatte, dass ich es nicht konnte. Und einige meiner Lehrer waren ebenfalls davon überzeugt.

Aber Vater gab sich nicht damit zufrieden. Er war sicher, dass ich es konnte. Also wechselten wir uns an der Tafel ab. Ich erinnere mich nicht mehr an die Geschenke, die mein Vater eingepackt und mir überreicht hat. Aber ich erinnere mich an die Tafel und seine ruhige Stimme. Was er mir damals beibrachte, erforderte mehr als Interesse an mir und das Wissen, was ich so alles brauchte. Es erforderte mehr als die Bereitschaft, seine kostbare Zeit zu opfern. Es erforderte nämlich auch die Zeit, die er viel früher investiert hatte, als sich ihm die gleichen Gelegenheiten boten, die sich euch jetzt bieten. Weil er als Schüler Zeit aufgewendet hatte, konnte er neben mir an der Tafel stehen und mir helfen.

Und dank seiner Hilfe konnte ich mich später ein ganzes Jahr lang mit meinem Sohn hinsetzen und ihm helfen. Wir gingen die Aufgabe mit dem Ruderboot wieder und wieder durch. Schließlich stand in seinem Zeugnis: „hat sich sehr verbessert“. Ich sage euch aber, was sich am meisten verbessert hat: das Selbstwertgefühl eines lieben Jungen. Kein Geschenk, das ich Stuart unter den Weihnachtsbaum lege, hat auch nur halb so viel Aussichten darauf, zu einem so wertvollen Familienerbstück zu werden wie sein Stolz auf seine Leistungen.

Kunst und Musik

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Preparing Gifts for Your Future Family, Jan. 2014 New Era

Wer Kunst oder Musik gewählt hat, lächelt jetzt vielleicht und denkt: „Er wird mich bestimmt nicht davon überzeugen können, dass in meinen unerledigten Aufgaben eine verborgene Gabe schlummert.“ Ich will es versuchen. Letzte Woche ging ich zu einer Feier zu Ehren eines jungen Mannes. Eine Diashow wurde präsentiert. Die Lichter gingen aus, und ich erkannte zwei Stimmen. Die eine, im Hintergrund, war die eines berühmten Sängers, die andere war die des Vaters des jungen Mannes, des Erzählers.

Der Vater muss Stunden damit zugebracht haben, Dias auszuwählen, aufbauende Gedanken in Worte zu fassen und die Musik und den Text dann irgendwie zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Lautstärke einzuspielen. Eines Tages werdet ihr einen Jungen haben, der bei einer solchen Feier geehrt werden wird, und die ganze Verwandtschaft wird da sein. Ihr werdet ihm aus tiefstem Herzen sagen wollen, wer er ist und wer er werden kann. Ob ihr ihm dieses Geschenk einmal machen könnt, hängt davon ab, ob ihr jetzt schon erahnen könnt, wie er sich fühlen wird, ob euch das bewegt und ob ihr jetzt damit anfangt, die dafür notwendigen kreativen Fähigkeiten zu entwickeln. Ich kann euch versprechen, dass euch solche Momente mehr bedeuten werden, als ihr euch jetzt vorstellen könnt.

Umkehr

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A young man waiting to talk to his Bishop.

Es gibt ein weiteres Geschenk, das ihr euren zukünftigen Kindern machen könnt. Und es erfordert ebenfalls, dass man früh damit beginnt. Wie dieser Beginn aussehen kann, habe ich als Bischof erlebt. Mir gegenüber saß ein junger Mann. Er sprach über die Fehler, die er begangen hatte. Er erzählte, wie sehr er sich wünschte, dass die Kinder, die er vielleicht eines Tages haben werde, einen Vater hätten, der von seinem Priestertum Gebrauch machen könne und an den sie für immer gesiegelt werden könnten. Er stellte fest, dass er wohl einen hohen Preis zahlen und die Umkehr schmerzhaft sein werde. Und dann sagte er etwas, was ich nicht vergessen werde: „Bischof, ich komme zurück. Ich tue alles, was nötig ist. Ich komme zurück.“ Er empfand Reue. Und er hatte Glauben an Christus. Dennoch waren Monate schmerzhafter Anstrengung nötig.

Und heute lebt irgendwo eine Familie mit einem Vater, der ein rechtschaffener Priestertumsträger ist. Sie haben Frieden auf Erden und Hoffnung für die Ewigkeit. Wahrscheinlich erhalten seine Kinder von ihm alle möglichen bunt verpackten Geschenke, aber nichts davon ist so bedeutsam wie die Gabe, die vor langer Zeit in meinem Büro ihren Anfang nahm und die er von da an stets weiterentwickelt hat. Er erahnte damals schon, was seine Kinder, von denen er bis dahin nur träumte, einmal brauchen würden. Und er begann schon früh damit, alles dafür zu geben. Er stellte fest, dass er stolz, träge und abgestumpft war, und opferte all dies. Ich bin ganz sicher, dass er es heute nicht mehr als ein Opfer betrachtet.

Das Geschenk, das er seinen Kindern machte, war nur möglich aufgrund einer anderen Gabe, die vor langer Zeit gegeben wurde. Gottvater gab seinen Sohn, und Jesus Christus gab uns das Sühnopfer, die größte aller Gaben und das Größte, was man geben kann. Der Erlöser verspürte auf unfassbare Weise all den Schmerz und den Kummer der Sünde, der jeder von uns und alle anderen, die je gelebt haben, anheimfallen (siehe Hebräer 4:14-16).

Ich gebe Zeugnis, dass Jesus dieses Geschenk uns allen gemacht hat, großmütig und bereitwillig. Und ich gebe Zeugnis, dass er, der uns dieses Geschenk durch sein unbegrenztes Opfer vermacht hat, voll Freude ist, wenn wir es annehmen (siehe Lukas 15:7).

„Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.“ (Matthäus 10:8.) Ich bete, dass wir gern und reichlich von unseren Gaben geben. Ich bete, dass die Gefühle anderer uns berühren, dass wir geben und helfen, ohne uns dazu gezwungen zu fühlen und ohne einen Vorteil zu erwarten, und dass wir wissen, dass jedes Opfer zu etwas Kostbarem wird, wenn wir uns die Freude bewusst machen, die wir einem anderen dadurch bereiten.

Fotos von iStockphoto/Thinkstock und Welden C. Andersen