2016
Wieder heiraten – ein Abenteuer, das Geduld und Liebe erfordert
Februar 2016


Wieder heiraten – ein Abenteuer, das Geduld und Liebe erfordert

Die Verfasserin lebt in Norwegen.

Patchwork-Familien erfordern doppelt so viel Geduld. Aber es kann auch doppelt so viel Liebe entstehen.

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Photo of Heidi Eljarbø Morrell Andersen family.

Das Wort „Scheidung“ gehörte nicht zu meinem Wortschatz, bis ich selbst davon betroffen war. Lange Zeit empfand ich jedes Mal, wenn ich nach meinem Familienstand gefragt wurde, den beschämenden Beigeschmack dieses Wortes. „Ich bin geschieden.“ Ich konnte die Worte kaum aussprechen – es kam mir vor, als sagte ich etwas Schlimmes.

Dennoch spiegelten sie meine Lebenssituation wider, und es fiel mir schwer, mich daran zu gewöhnen. „Du findest bestimmt wieder jemanden“, sagten meine Freunde. Doch ich war nicht daran interessiert und hatte nicht das geringste Bedürfnis, wieder zu heiraten. Mit meinen vier Kindern war ich mehr als ausgelastet.

Ich hatte keinerlei Erwartungen, keinerlei Zukunftspläne, bis ich eines Tages Arnfinn kennenlernte. Zu meinem Erstaunen verstanden wir uns so gut, dass ich seine Gesellschaft bald nicht mehr missen wollte. Er war klug, sah gut aus und war ein fröhlicher Mensch. Als er mir einen Heiratsantrag machte, wusste ich nicht, was die Zukunft bringen würde, aber ich wusste, dass ich eine gemeinsame Zukunft mit ihm wollte. Wir nahmen uns Zeit, „die Falten auszubügeln“, wie Arnfinn es nannte, und heirateten im Herbst 1997 im Stockholm-Tempel.

Mit fast 40 frisch verheiratet zu sein war nicht dasselbe wie beim ersten Mal. Sich zu verlieben war genauso spannend und eine neue Beziehung zu haben war ähnlich aufregend, aber diesmal hatten wir zwei Ex-Partner, einen unerzogenen Hund, einen kreischenden Vogel und neun Kinder zwischen 3 und 17. Glücklicherweise beflügelte uns unsere romantische Verliebtheit so, dass wir die vor uns liegenden Herausforderungen bewältigten.

Der Schlüssel zum gegenseitigen Verständnis

„Offenbar haben wir zu manchem unterschiedliche Ansichten“, sagte Arnfinn eines Tages. Das ist eben so, wenn man sich 40 Jahre lang Gewohnheiten zu eigen gemacht hat, wie man das eine oder andere angeht. Als ich das erste Mal heiratete, war ich 19, und seit damals haben sich Routine und Traditionen herausgebildet. Arnfinn und ich stellten fest, dass es völlig in Ordnung und sogar nützlich ist, mehr als eine Meinung zu haben. Das heißt ja nicht, dass der eine Recht und der andere Unrecht hat. Meinungen werden durch vielerlei Erlebnisse geformt. Respekt und Zuhören waren für uns der Schlüssel zum gegenseitigen Verständnis.

Wir wollten uns auch darauf einigen, wie wir unsere zwei Leben zusammenführen konnten: wo wir leben wollten, wie wir mit den Familienfinanzen umgehen wollten und welche Urlaubstraditionen wir beibehalten wollten. Es gab noch ein paar weitere Falten, die ausgebügelt werden mussten, aber rückblickend erscheinen uns manche davon doch unbedeutend. Harmonie und Liebe in der Familie waren die Ziele, die wir anstrebten.

Noch eine Mutter in die Familie einzubeziehen war besonders schwierig für mich. Arnfinns Exfrau ist eine wunderbare Mutter und sehr auf das Wohl ihrer Kinder bedacht. Ferien und Wochenenden wurden mit ihr geplant, und manchmal hatte ich das Gefühl, in meinem eigenen Leben nichts zu sagen zu haben.

Aber für Arnfinn war die Umstellung vielleicht noch schwieriger: Er kam in einen Haushalt mit vier Kindern, zwei davon im Teenageralter – Kinder, die wilder waren, als er es kannte, und die etwas anders erzogen worden waren, als es ihm lieb gewesen wäre.

Unterschiedliche Wege, gleiche Antworten

Eines Abends – es war schon so spät, dass mein Denkapparat die Arbeit bereits eingestellt hatte – forderte mich Arnfinn zu einem IQ-Test heraus. Er setzte sich auf eine Seite des Esstisches und begann damit, Gleichungen und mathematische Formeln einzusetzen, um die Fragen zu beantworten. Ich saß ihm gegenüber und zeichnete Bilder, um die Lösungen zu finden. Als wir fertig waren, verglichen wir unsere Antworten und stellten fest, dass wir zu denselben Ergebnissen gekommen waren. Da erkannte ich, dass der Test unser Leben widerspiegelte.

Damit meine ich: Mein Mann bewerkstelligt etwas auf seine Art und ich tue es auf meine. Aber wir haben dasselbe Ziel, selbst wenn uns unterschiedliche Wege dorthin führen. Wir erreichen das Ziel ähnlich wie bei dem IQ-Test: Er löst Gleichungen und ich zeichne Bilder, aber wir kommen auf dieselbe Antwort.

Ich könnte bestimmt nie seine Arbeit als Jurist machen, und ich bin mir ziemlich sicher, meine Arbeit als Schriftstellerin und Aquarellmalerin fände er für sich schwierig. Der Trick besteht darin, dass ich mir sage: „Was habe ich doch für einen cleveren Mann!“, wenn er etwas ganz anders macht als ich, anstatt verärgert zu sein. Unterschiede können spannend und sehr lehrreich sein, wenn wir sie zulassen. Einmal erklärte ich Arnfinn: „Wenn du mir einiges beibringst und ich dir vielleicht auch einiges beibringe, sind wir bestimmt eines Tages ein gutes Gespann!“ Wir müssen beide lernfähig bleiben und das auf Dauer. Bewunderung wurde zu einem Schlüsselwort.

Wenn Mutter und Vater so unterschiedlich sind, kann man sicher sein, dass es auch bei ihren jeweiligen Kindern himmelweite Unterschiede gibt. Wir krempelten die Ärmel hoch und stellten uns den täglichen Problemen wie den unterschiedlichen Essgewohnheiten, Kleidungsstilen, Bettgehzeiten und Haushaltspflichten, um nur einige zu nennen. Lange Zeit wurden die Kinder mit „meine“ und „deine“ bezeichnet und fanden es überhaupt nicht toll, zusammengewürfelt worden zu sein.

Die Älteste ließ mich wissen, dass sie sowieso bald aus dem Haus gehe, mir jedoch von Herzen alles Gute wünsche, die beiden nächstälteren Mädchen konnten einander offenbar nicht sonderlich leiden, und einer der Jungs zog jedes zweite Wochenende freiwillig aus seinem Zimmer aus und schlief auf der Couch, wenn seine Stiefbrüder kamen. Der Gute hat sich nie darüber beschwert.

Platz für die, die man liebt

Man hat immer Platz für die, die man liebt. Wir richteten das Besuchszimmer neben dem Wohnzimmer als Rückzugsort für uns Eltern ein, während die Kinder ihre Zimmer oben hatten. Zwei Fernseher und zwei Bäder waren kein Luxus, sondern dringende Notwendigkeit. Dass wir frisch verheirateten Eltern einmal im Jahr ein paar Tage allein verbringen konnten, war ebenfalls eine notwendige Investition in unsere Zukunft als Familie.

Wochenenden und besondere Ereignisse wurden im Voraus geplant, Mahlzeiten, Spiele und Aktivitäten wurden so gewählt, dass sie den meisten Kindern zusagten. Die fünf Kinder meines Mannes lebten unter der Woche bei ihrer Mutter, und ich wollte ihre Wünsche respektieren und zugleich dafür sorgen, dass die Kinder den Besuch bei ihrem Papa genießen konnten. Das hieß, dass ich manchmal kleine Ärgernisse schweigend hinnahm und mich stattdessen auf das wirklich Wichtige konzentrierte, damit sie einen schönen Aufenthalt hatten. Ich übte mich in Geduld und Liebe – und in noch mehr Geduld. Außerdem war eine große Portion Humor hilfreich.

Zu unseren größten Prüfungen zählte der chaotische Sonntagmorgen. Wir bemühten uns mit schöner klassischer Musik um eine gute Stimmung, während wir ein Kind nach dem anderen in eines der beiden Badezimmer schoben, ehe die Kuhglocke schließlich alle zu einem leckeren Frühstück herbeiläutete. Auch jeden rechtzeitig aus der Tür und hinein in den Minivan zu bekommen, um pünktlich in der Kirche zu sein, war ein Kapitel für sich, denn wir wollten den sonntäglichen Frieden um jeden Preis bewahren. Als wir dann wieder nach Hause kamen und ein gutes Essen genossen, hatten sich alle so weit beruhigt, dass wir anschließend fröhlich miteinander spielen konnten.

In den Programmen der Kirche und in allem, was wir in der Kirche lernen, liegt viel Weisheit. Das Familiengebet, der Familienabend und Gespräche über Evangeliumsgrundsätze sind alle Zeit und Mühe wert. Das Evangelium bringt Freude in unser Leben und lässt uns noch besser verstehen, wie wichtig und wertvoll die Familie ist.

Wir haben viele neue Traditionen ins Leben gerufen, aber auch bisherige beibehalten. Jeden Sommer fahren wir mit so vielen Kindern wie möglich nach Schweden zum Stockholm-Tempel. Wir übernachten auf einem Campingplatz südlich des Tempelplatzes. Diese Tradition schätzen wir sehr, und sogar unsere verheirateten Kinder führen sie in ihren Familien fort.

Wenn sich unsere Kinder bei Fragen zu Verabredungen und zur Ehe Rat bei uns holen, sage ich ihnen, dass es keine Rolle spielt, ob der eine gerne joggt und der andere sich für Ballett interessiert. Am wichtigsten ist, dass beide dem Erlöser mit der gleichen Begeisterung dienen und sich dem Ziel verschreiben, eine ewige Familie zu haben.

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Photo's of Heidi Eljarbø Morrell Andersen family. The parents are helping small children use a bubble blowing kit.

Beim Seifenblasenpusten mit drei unserer Enkel. Unsere Kinder sind erwachsen und zu Hause ausgezogen, aber sie wissen, dass sie uns immer willkommen sind.

Doppelt so viel Geduld, doppelt so viele Segnungen

Wenn ich Paare kennenlerne, die zum zweiten Mal heiraten, freue ich mich mit ihnen, dass sie einen Partner gefunden haben, einen besten Freund, mit dem sie ihre Zeit verbringen können. Aber ich erinnere mich auch daran, dass die ersten Jahre, in denen zwei Familien zusammenwachsen müssen, kein reines Honigschlecken sind. Alles hat seinen Preis, und an manchen Tagen fragen wir uns vielleicht, warum es bloß so schwierig sein muss.

Heute sind die zwei Töchter, die sich als Teenager nicht sonderlich leiden konnten, beide Mütter, und sie haben Freude daran, sich bei Familientreffen über ihre Erfahrungen auszutauschen. Sie verbringen sogar manche freien Tage zusammen in unserem Wochenendhaus. Als die Jungs auf Mission waren, bekamen sie motivierende Briefe, und einige unserer Kinder haben sich gegenseitig besucht, als sie im Ausland lebten. Sie kommen gern an Feiertagen mit der ganzen Familie zum Festessen zusammen, und die Freude ist groß, wenn die Ankunft einer neuen Nichte oder eines neuen Neffen bekanntgegeben wird.

Inzwischen wohnen nur noch Arnfinn und ich in unserem Haus. Wir haben einen lustigen Hund und sind neuerdings auch Besitzer eines kleinen Vogels. Die Kinder haben ihre Zimmer in Übergangszeiten zwischen Studium und der Gründung eines eigenen Hausstandes immer wieder mal bezogen. Sie wissen, dass sie uns stets willkommen sind und dass sie, wenn sie vorbeischauen, etwas Gutes zu essen und unsere liebevolle Aufmerksamkeit bekommen.

Patchwork-Familien erfordern doppelt so viel Liebe und doppelt so viel Geduld. Ich musste ungeheuer viel kochen und riesige Wäscheberge bewältigen, aber es ist die Sache wert. Wir lieben unsere große Familie sehr. Wenn man doppelt so viele Menschen liebt, sind auch die Segnungen doppelt so groß.

Und unsere Familie wächst weiter: Es gibt schon die nächste Generation süßer Kinder – unsere Enkelkinder!