2016
Liebe – das Gegenteil von Begierde
October 2016


Liebe –das Gegenteil von Begierde

Wenn wir besser verstehen, was Begierde eigentlich bedeutet, wird uns klarer, wie wir diese vermeiden und Entscheidungen treffen können, die uns dem Heiligen Geist näherbringen.

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young couple

Begierde.

Dies ist gewiss ein hässliches Wort. Die meisten von uns wollen nicht einmal darüber nachdenken und erst recht nichts Genaueres darüber erfahren. Der Begriff weckt schmutzige Gefühle, man spürt etwas Finsteres, Verlockendes, das aber doch falsch ist.

Dafür gibt es einen guten Grund. Wenn die Habsucht „die Wurzel aller Übel“ ist (1 Timotheus 6:10), dann ist die Begierde mit Sicherheit ihr geheimer Verbündeter. Sie zielt auf niedere Triebe ab und ist herabwürdigend. Durch die Begierde betrachtet man Menschen, Gegenstände und sogar Gedanken als Objekte, die man besitzen oder erwerben möchte, um ein Verlangen zu befriedigen. Aber wenn das nichts Neues ist, warum müssen wir dann mehr darüber wissen?

Nun, wenn wir besser verstehen, was Begierde eigentlich bedeutet, wird uns klarer, wie wir unser Denken, Fühlen und Handeln prägen und Begierde in jeglicher Erscheinungsform vermeiden oder überwinden können. Auf diese Weise bauen wir eine engere Verbindung zum Heiligen Geist auf, der unsere Gedanken und Absichten läutert und uns stärkt. Und dies führt wiederum zu wesentlich mehr Glück, Frieden und Freude in unserem Leben.

Was ist Begierde?

Wenn wir das Wort „Begierde“ hören, denken wir in erster Linie an unsittliche, intensive Gefühle, die bewirken, dass wir uns zu einem anderen Menschen körperlich hingezogen fühlen. Doch man kann fast alles begehren: Geld, Besitz, Gegenstände und natürlich Menschen (siehe Schriftenführer, „Begehren, Begierde“).

Die Begierde treibt einen Menschen an, etwas erlangen zu wollen, was gegen den Willen Gottes ist. Dazu gehören alle Gefühle und Wünsche, die dazu führen, dass sich jemand auf weltliche Besitztümer oder selbstsüchtige Verhaltensweisen – persönliche Interessen, Wünsche, Leidenschaften und Gelüste – konzentriert, statt darauf, die Gebote Gottes zu halten.

Mit anderen Worten: Wenn man sich etwas wünscht, was gegen den Willen Gottes verstößt, oder etwas auf eine Weise besitzen will, die Gottes Willen entgegensteht, ist das Begierde, und sie führt dazu, dass man unglücklich ist.1

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man looking at fancy car

Die Gefahr sexueller Begierde

Auch wenn wir im Allgemeinen vor der Begierde als einer Form des Verlangens gewarnt wurden, ist sie in sexuellem Zusammenhang besonders gefährlich. Der Erlöser hat warnend erklärt: „Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.“ (Matthäus 5:28.)

Die Apostel aus alter Zeit haben eingehend vor Begierde in diesem Sinne gewarnt. So sagte beispielsweise der Apostel Johannes: „Denn alles, was in der Welt ist, die Begierde des Fleisches, die Begierde der Augen und das Prahlen mit dem Besitz, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt.“ (1 Johannes 2:16; siehe auch Vers 17; Römer 13:14; 1 Petrus 2:11.)

Und Warnungen dieser Art erhalten wir auch heute noch.2 Elder Jeffrey R. Holland vom Kollegium der Zwölf Apostel hat erklärt: „Warum ist die Lüsternheit solch eine Todsünde? Neben dem absolut zerstörerischen Einfluss, den sie auf unsere Seele hat, weil sie den Geist vertreibt, ist sie – wie ich meine – deswegen eine Sünde, weil sie die höchste und heiligste Beziehung, die Gott fürs irdische Leben vorsieht, besudelt: nämlich die Liebe, die Mann und Frau füreinander empfinden, und den Wunsch, den dieses Paar hegt, Kinder zu bekommen und eine Familie zu gründen, die für immer Bestand haben soll.“3

Lüsterne Wünsche aufkeimen zu lassen ist seit jeher die Wurzel vieler sündiger Taten gewesen. Was mit einem scheinbar unschuldigen Blick beginnt, kann sich zu schmutziger Untreue mit all ihren zerstörerischen Folgen auswachsen. Das liegt daran, dass die Begierde den Heiligen Geist vertreibt. Wir sind dann anfällig für andere Versuchungen und Laster und gegen die Tücken des Widersachers nicht gewappnet.

Die tragischen Entscheidungen König Davids sind ein trauriges Beispiel dafür, wie stark und fatal dieses Gefühl sein kann. David sah Batseba zufällig beim Baden und es verlangte ihn nach ihr. Die Begierde führte zur Tat, er ließ sie holen und schlief mit ihr. Daraufhin ließ David in einem törichten Versuch, seine Sünde zu verbergen, Batsebas Ehemann im Kampf an einer Stelle einsetzen, wo er mit Sicherheit umkommen würde (siehe 2 Samuel 11). Als Folge dessen verlor David seine Erhöhung (siehe LuB 132:38,39).

Davids Situation mag einem extrem erscheinen, aber sie beweist, dass die Begierde eine gewaltige Versuchung darstellt. Wenn man ihr nachgibt, kann dies dazu führen, dass man etwas tut, was niemand, der bei klarem Verstand ist, tun würde. Die Tatsache, dass die Begierde so heimtückisch und so leicht zu erregen ist und uns so erfolgreich dazu verleiten kann, uns vom Heiligen Geist abzuwenden und uns etwas Verbotenem hinzugeben, macht sie umso gefährlicher. Sie kann dadurch ausgelöst werden, dass man sich Pornografie ansieht, sich anstößige Liedtexte anhört oder sich unsittlichen Intimitäten hingibt. Andererseits können lüsterne Gefühle jemanden veranlassen, nach pornografischem Material zu suchen. Diese Wechselwirkung ist ausgesprochen stark und gefährlich.4

Begierde sexueller Art ist erniedrigend, sie schwächt jede Beziehung und nicht zuletzt auch unsere persönliche Beziehung zu Gott. „Und wahrlich, ich sage euch, wie ich schon zuvor gesagt habe: Wer eine Frau ansieht, dass es ihn nach ihr gelüstet, oder wenn jemand in seinem Herzen Ehebruch begeht, so wird er den Geist nicht haben, sondern wird den Glauben verleugnen und wird sich fürchten.“ (LuB 63:16.)

Elder Richard G. Scott (1928–2015) vom Kollegium der Zwölf Apostel hat gesagt: „Sexuelle Unmoral schafft eine Barriere gegen den Heiligen Geist und seine Fähigkeit, emporzuheben, zu erleuchten und Kraft zu spenden. Sie verursacht starke körperliche und emotionale Erregung. Mit der Zeit weckt sie einen unstillbaren Hunger, der den Übertreter in immer schwerwiegendere Sünden treibt.“5

Was Begierde nicht ist

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couple walking on the beach

Jetzt haben wir uns Gedanken darüber gemacht, was Begierde ist. Es ist aber auch wichtig, zu begreifen, was Begierde nicht ist. Wir müssen achtgeben, dass wir durchaus angebrachte, normale Gedanken, Gefühle und Wünsche nicht als Begierde deklarieren. Begierde ist ja eine gewisse Art von Wunsch. Doch es gibt durchaus rechtschaffene Wünsche. Wir können beispielsweise Wünsche haben, die gut und richtig sind und uns helfen, das Werk des Herrn zu vollbringen.

Denken Sie über Folgendes nach:

  • Der Wunsch nach Geld. An sich ist der Wunsch nach Geld nichts Schlechtes. Paulus hat nicht gesagt, dass Geld die Wurzel aller Übel ist. Er sagte, die Habsucht ist „die Wurzel aller Übel“ (1 Timotheus 6:10; Hervorhebung hinzugefügt). Jakobs Worte verschaffen zusätzlich Klarheit: „Ehe ihr nach Reichtum trachtet, trachtet nach dem Reich Gottes. Und nachdem ihr in Christus Hoffnung erlangt habt, werdet ihr Reichtümer erlangen, wenn ihr danach trachtet; und ihr werdet danach trachten zu dem Zweck, Gutes zu tun – die Nackten zu kleiden und die Hungrigen zu speisen und die Gefangenen freizusetzen und den Kranken und Bedrängten Hilfe zuteilwerden zu lassen.“ (Jakob 2:18,19.)

  • Angemessene sexuelle Gefühle gegenüber dem Ehepartner. Diese gottgegebenen Gefühle tragen dazu bei, eine Ehe zu stärken und zu festigen und die Ehepartner zu einen. Es können aber auch unangebrachte Gefühle gegenüber dem Ehepartner auftreten. Wenn wir nur um unseretwillen Erfüllung suchen oder nur unsere eigenen Begierden oder Gefühle befriedigen wollen, können wir in lüsterne Wünsche abgleiten, und das kann einer Ehe Schaden zufügen. Reine und liebevolle Absichten sind der Schlüssel zu angemessener körperlicher Intimität, und nur damit kann man diese auch bewahren.

Der entscheidende Grundsatz lautet, dass wir aus den richtigen Beweggründen nach etwas trachten. Es soll uns um den Aufbau des Gottesreiches gehen und darum, für mehr Güte in der Welt zu sorgen. Im Gegensatz dazu animiert uns die Begierde dazu, die sittlichen Grenzen zu überschreiten. Wenn wir dies tun, verliert Gott für uns aufgrund unserer Wünsche womöglich an Bedeutung, Menschen werden zu Objekten. Gegenstände, Reichtum und sogar Macht verwandeln sich in Ungeheuer, die unsere Empfindungen verzerren und unseren Beziehungen schaden.

Warum wir der Begierde häufig nachgeben

Wenn die Begierde so schädlich und gefährlich ist, warum ist sie dann so verlockend und weit verbreitet? Warum lassen wir uns so oft davon überwältigen? Oberflächlich betrachtet mag es so scheinen, als seien Egoismus oder ein Mangel an Selbstbeherrschung die Hauptursache für Begierde. Dies sind Faktoren, die gewiss dazu beitragen, doch die eigentliche Wurzel der Begierde ist häufig eine innere Leere. Ein Mensch mag in einem vergeblichen Versuch, eine Leere in seinem Leben zu füllen, der Begierde nachgeben. Die Begierde ist ein falsches Gefühl, ein armseliger Ersatz für wahre Liebe, wirklichen Wert und die beständige Nachfolge Jesu.

Seine Gefühle im Griff zu haben ist in gewissem Sinne ein innerer Zustand. Denn wie der Mensch im Innersten denkt, so handelt er. Wo wir unseren seelischen und geistigen Schwerpunkt auch setzen, er wird mit der Zeit die treibende Kraft hinter unseren Gedanken, Gefühlen und Taten. Immer wenn wir versucht sind, etwas zu begehren, müssen wir diese Versuchung durch etwas Besseres ersetzen.

Auch Untätigkeit kann lüsterne Gedanken auslösen. Wenn wir zu wenig zu tun haben oder uns zu wenig vornehmen, sind wir für gewöhnlich anfälliger für schlechte Einflüsse. Wenn wir uns jedoch aktiv darum bemühen, uns voll Eifer etwas Gutem zu widmen (siehe LuB 58:27), und bestrebt sind, unsere Zeit produktiv zu nutzen, sind wir für lüsterne Gedanken oder negative Einflüsse weniger anfällig.

Elder Dallin H. Oaks vom Kollegium der Zwölf Apostel hat erklärt, dass die Wünsche, an denen wir festhalten, sich nicht nur auf unser Handeln auswirken, sondern auch darauf, wer wir einmal werden: „Wünsche bestimmen unsere Prioritäten, Prioritäten prägen unsere Entscheidungen, und Entscheidungen bestimmen unser Handeln. Die Wünsche, an die wir uns halten, bestimmen, wie wir uns ändern, was wir erreichen und was aus uns wird.“6

Mit anderen Worten: Wir müssen nicht nur darauf achten, welchen Gefühlen wir uns hingeben, sondern auch darauf, welche Gedanken wir zulassen, die diese Gefühle verursachen oder dadurch ausgelöst werden. Wenn unsere Gedanken unrein sind, so erklärte Alma, werden uns „auch unsere Gedanken … schuldig sprechen“ (Alma 12:14).

Das Gegenmittel: christliche Liebe

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young married couple

Begierde ist nicht unausweichlich. Da der Vater im Himmel uns Entscheidungsfreiheit gegeben hat, sind wir Herr unserer Gedanken, Gefühle und Taten. Wir müssen lüsternen Gedanken und Gefühlen nicht nachgehen. Wenn die Versuchung kommt, können wir uns dafür entscheiden, diesen Weg nicht zu verfolgen.

Wie überwinden wir die Versuchung, etwas zu begehren? Zuerst müssen wir eine gute Beziehung zum himmlischen Vater aufbauen und uns dafür entscheiden, anderen Gutes zu tun. Außerdem müssen wir unseren Glauben im Alltag leben. Dazu gehören das Gebet und das Schriftstudium, die den Heiligen Geist einladen. Und schließlich gibt es da noch eine Geheimzutat: christliche Liebe – reine, aufrichtige, ehrliche Liebe mit dem Wunsch, das Gottesreich aufzubauen und das Auge nur auf Gottes Herrlichkeit zu richten. Solche Liebe können wir nur verspüren und geben, wenn wir den Heiligen Geist bei uns haben.

Wenn wir die Begierde aus unserem Inneren tilgen möchten, müssen wir aufrichtig beten und Gott bitten, uns diese Gefühle zu nehmen und sie durch Nächstenliebe zu ersetzen (siehe Moroni 7:48). Dies wird, wie es bei der Umkehr immer der Fall ist, durch die Gnade und das Sühnopfer Jesu Christi möglich gemacht.7 Dank Jesus Christus können wir lernen, so zu lieben, wie er und unser Vater im Himmel uns lieben.

Wenn wir unser Augenmerk beständig auf den himmlischen Vater richten, wenn wir nach den ersten beiden großen Geboten leben – Gott und unseren Nächsten wie uns selbst lieben (siehe Matthäus 22:36-39) – und wenn wir nach besten Kräften so leben, wie Jesus es gelehrt hat, werden reine und aufrichtige Absichten mit immer größerer Intensität Einfluss auf unser Leben nehmen. Wenn wir unseren Willen mit dem des Vaters eins werden lassen, werden die Versuchungen und Auswirkungen der Begierde schwinden und durch die reine Liebe Christi ersetzt. Dann sind wir von göttlicher Liebe erfüllt, und an die Stelle der niederen Wünsche dieser Welt tritt die Schönheit, die mit dem Aufbau des Gottesreiches einhergeht.

Anmerkungen

  1. Siehe Dallin H. Oaks, „Freude und Barmherzigkeit“, Der Stern, Januar 1992, Seite 68ff., und Thomas S. Monson, „Finishers Wanted“, Ensign, Juli 1972, Seite 69

  2. Einige Beispiele finden Sie in Lehre und Bündnisse 88:121; Spencer W. Kimball, „Präsident Kimball zum Thema Keuschheit“, Der Stern, April 1981, Seite 202–213; Neal A. Maxwell, „Das siebte Gebot – ein Schild“, Liahona, Januar 2002, Seite 90–93; Russell M. Nelson, „Die Weisheit aber, wo ist sie zu finden?“, Der Stern, Januar 1993, Seite 4ff. Weitere Schriftstellen mit Warnungen in Bezug auf Begierde findet man im Schriftenführer unter den Stichwörtern begehren, Begierde, Ehebruch, fleischlich, gelüsten, Lust, Homosexualität, Keuschheit, sexuelle Unmoral, Sinnlich, Sinnlichkeit und Unzucht

  3. Jeffrey R. Holland, „Keinen Raum mehr dem Feind meiner Seele“, Liahona, Mai 2010, Seite 44ff.

  4. Näheres zu diesem Thema siehe Dallin H. Oaks, „Befreiung aus den Fängen der Pornografie“, Liahona, Oktober 2015, Seite 50–55

  5. Richard G. Scott, „Die richtigen Entscheidungen treffen“, Der Stern, Januar 1995, Seite 34

  6. Dallin H. Oaks, „Wünsche“, Liahona, Mai 2011, Seite 42

  7. Siehe zum Beispiel D. Todd Christofferson, „Umkehr – ein Geschenk Gottes“, Liahona, November 2011, Seite 38–41