2017
Das können wir besser: Andere willkommen heißen
September 2017


Das können wir besser machen: Andere willkommen heißen

Hier erfahren Sie vier Möglichkeiten, wie man neuen und zurückkehrenden Mitgliedern das Gefühl geben kann, dazuzugehören.

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women at church

Im ersten Monat nach ihrer Taufe im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten sprach Melissa (alle Namen geändert) in der Abendmahlsversammlung das Anfangsgebet. Es machte sie nervös, öffentlich zu beten, aber sie sagt: „Ich hatte volles Vertrauen in meine Fähigkeit, mit meinem Vater im Himmel zu sprechen. Ich hatte schließlich schon jahrelang gebetet, insbesondere auch, als ich die Kirche untersuchte. Ich konnte spüren, dass der Heilige Geist mir half.“

Infolgedessen war die E-Mail, die ihr ein Mitglied aus ihrer Gemeinde schrieb, eine große Überraschung. Darin wurde „ausführlichst“ beschrieben, was sie beim Beten alles falsch gemacht hatte. Sie fühlte sich beschämt. Es war ihr peinlich und große Zweifel überkamen sie. Dann fiel ihr ein, sie könnte den zurückgekehrten Missionar anrufen, der sie unterwiesen hatte. „Er versicherte mir, dass es völlig unangemessen von diesem Mitglied war, mich auf diese Art und Weise zu kritisieren“, sagt sie. „Auch meinte er, dass die Bischofschaft niemals, wie ich angenommen hatte, ein anderes Mitglied bitten würde, mir eine solche Rückmeldung zu geben.“

Derart beruhigt blieb Melissa in der Gemeinde weiter aktiv, sie nahm Berufungen an und reifte in ihrem Glauben weiter heran. Aber es kostete sie einige Monate, diese entmutigende E-Mail zu verdauen, den Schmerz zu überwinden und das verlorengegangene Vertrauen wiederzugewinnen.

Melissas Erlebnis ist leider kein Einzelfall. Viele neue und zurückkehrende Mitglieder stehen großen, aber oftmals vermeidbaren Herausforderungen gegenüber, weil sie sich nicht zugehörig fühlen. Manchmal fällt es selbst denjenigen, die ein starkes Zeugnis haben, schwer, treu zu bleiben, wenn sie sich ausgeschlossen fühlen. In der kürzlich veröffentlichten Videoserie Einigkeit in Vielfalt sprechen Führer der Kirche dieses Thema an und fordern die Mitglieder auf, im Umgang miteinander sensibler, aufnahmebereiter und liebevoller zu sein.

Die nachfolgenden Geschichten zeigen, wie wir als Mitglieder diese Grundsätze umsetzen und mit denen, die sich danach sehnen, in der Kirche des Herrn herzlich aufgenommen zu werden, aufrichtig Freundschaft schließen und ihnen seelisch beistehen können.

Ein Freund im Glauben sein

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fellowshipping of the Saints

„Sobald jemand seinen Fuß über die Schwelle eines Gemeindehauses setzt, sollte er sich willkommen, geliebt, erbaut und dazu inspiriert fühlen …, sich aufzumachen und besser sein zu wollen, weil er weiß, dass der Herr ihn liebt und weil er Freunde im Glauben hat.“

– Carol F. McConkie, Erste Ratgeberin in der Präsidentschaft der Jungen Damen

Melissa brauchte, besonders in ihrer Gemeinde, echte Freunde, auf die sie zugehen konnte, wenn sie Rat oder Hilfe benötigte. Ihr Mann und ihre Tochter hatten sich nicht mit ihr der Kirche angeschlossen.

„Wenn ich zur Kirche kam und all die Familien sah, fühlte ich mich fürchterlich einsam“, sagt sie. Jeder war freundlich, aber selbst die Fröhlichkeit der anderen gab ihr das Gefühl, als „würde ich nie so strahlen wie die anderen Mormonen, weil ich die Einzige war, die Probleme hatte“.

Zum Glück hatte Melissa nicht nur den zurückgekehrten Missionar, der sie unterwiesen hatte, sondern auch Cindy, eine Online-Freundin, die sie mit der Kirche bekanntgemacht hatte. „Es fiel mir schwer, Melissa in ihrer Gemeinde so leiden zu sehen und ihr nicht helfen zu können“, erklärt Cindy. „Daher erstellte ich eine private Facebook-Gruppe mit ein paar unglaublich bodenständigen, liebevollen und unterschiedlichen Mitgliedern, die sich mit ihr anfreundeten und ihr halfen, wie ich es allein nie gekonnt hätte.“

Die Gruppe gab Melissa nicht nur ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, während sie ihren Platz in der Gemeinde fand, sondern ging auch auf Fragen ein, was die Lebensweise betraf. „Ich bin mit Tanktops und sehr kurzen Shorts aufgewachsen“, berichtet Melissa. Ihr gefiel, dass ihre Online-Freunde ihr auch Fotos schickten von Kleidung, die sie sich in Geschäften vor Ort anschauen konnte. Dadurch fand sie auch den Mut, sich von den Schwestern in ihrer Gemeinde Filme empfehlen zu lassen, nachdem sie sich bei einigen Filmen in ihrer Sammlung nicht mehr ganz wohl fühlte.

Ein wichtiger Punkt beim Anfreunden war für Melissa, dass sie selbst um Rat fragte. Ungebetene Ratschläge empfindet man nämlich eher als Einmischung denn als Anteilnahme. Sie sind wie ein Eindringen in die Privatsphäre, das verletzen kann, wenn man nicht darauf vorbereitet ist.

Schließlich wurde Melissa berufen, in der Frauenhilfsvereinigung zu unterrichten. Ihre Berufung bot ihr Gelegenheiten, sich mit anderen aus der Gemeinde auszutauschen. Melissa berichtete den Schwestern von ihren Anpassungsschwierigkeiten als neues Mitglied genauso wie über das Leben mit einem autistischen Kind, einige gesundheitliche Beschwerden oder über ihren todkranken Hund. Dass andere Schwestern im Unterricht und im persönlichen Gespräch ihr zuhörten und mit ihr über eigene Schwierigkeiten sprachen, erwies sich als sehr heilsame Erfahrung. Diese Kontakte verhalfen Melissa zu dem Gefühl, endlich wahre Freunde im Glauben zu haben.

Beziehen Sie jeden mit ein

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members of the Church

„Der Erretter hat seinen Nachfolgern geboten: ‚Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben‘ (Johannes 13:34; Hervorhebung hinzugefügt). Betrachten wir also, wie er uns geliebt hat. …Wenn wir ihn zu unserem Vorbild machen, sollten wir uns immer bemühen, auf jeden zuzugehen, um ihn einzubeziehen.“

– Elder Dallin H. Oaks vom Kollegium der Zwölf Apostel

Robert, ein Freund der Kirche aus Kanada, hat bereits eine ganze Reihe Gottesdienste, Versammlungen und Aktivitäten der Kirche besucht. Er hat sich schon mit verschiedenen Religionen beschäftigt und befasst sich auch weiterhin mit der Kirche, weil er in ihrer Lehre und im Buch Mormon Inspiration gefunden hat. Er nimmt am Institut teil, um mehr zu erfahren, und findet das soziale Umfeld „erfrischend wohltuend und freundlich, und die Atmosphäre ist wirklich gut. Die Mormonen sind die nettesten Menschen auf der Welt.“

Robert, der sich selbst als introvertiert bezeichnet, möchte gerne mitmachen, sagt aber: „Ich lehne meistens irgendwo an der Wand und bin mir unsicher, wie ich mich einer Gruppe anschließen soll. Da sind ja einige schon lange in der Kirche miteinander befreundet und brauchen offenbar niemand anderen mehr.“ Doch es gehört gar nicht viel dazu, diesem Gefühl des Ausgeschlossenseins abzuhelfen. Er erinnert sich: „Bei einer Aktivität kam nach dem Essen jemand zu mir und lud mich ein, noch zum Film zu bleiben. Ich wäre sonst wohl gegangen, aber stattdessen war es dann doch ein sehr netter Abend. Ich musste nur wissen, dass jemand mich dabei haben wollte.“

Wie Melissa schätzt er es, wenn Freunde in der Kirche ihm die Lehre erläutern, aber nicht allzu sehr bestimmen wollen, wie man sie zu leben habe. Freunde, die eher zuhören als ermahnen, seien wie „jemand, der neben einem geht, im Gegensatz zu jemandem, der von hinten schiebt, damit man schneller geht. Meistens würde man dabei sowieso nur stolpern und hinfallen.“

Robert fällt es schwer, das Rauchen aufzugeben. Sein Unbehagen zeigt, dass diejenigen, die neu sind, sich ihres Andersseins durchaus bewusst sind. „Kein einziges Mitglied hat mich jemals darauf angesprochen, dass ich nach Rauch rieche“, sagt er. „Aber wenn meine Sachen nicht frisch aus der Wäsche kommen, bleibe ich doch lieber zuhause und gehe nicht zum Institut oder in die Kirche.“

Wir können ein stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl schaffen, wenn wir denen, die neu in der Kirche sind, gut zureden und sie einbeziehen. Elder D. Todd Christofferson vom Kollegium der Zwölf Apostel hat gesagt: „Es bricht mir das Herz, wenn jemand ankommt, der noch sehr anfällig ist, und sagt … ‚Ich möchte hier sein‘, und dann wird ihm die kalte Schulter gezeigt oder kein Interesse entgegengebracht. Das ist tragisch. …Das müssen wir besser machen.“ („Is There a Place for Me?“, Video, lds.org/media-library.)

Gehen Sie auf andere zu

„Wenn man sich vornimmt, auf andere zuzugehen, tut man ihnen etwas Gutes. …Sehen Sie sich doch einmal um, wer nicht dazugehört, wer am Rand steht. … Wenn Sie anderen Menschen Ihr Herz öffnen, erkennen Sie, dass wir alle zusammengehören.“

– Jean B. Bingham, Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung

Nachdem sich Elsa in den Niederlanden der Kirche angeschlossen hatte, erkannte sie, dass sie eine echte Verbindung mit einem liebevollen Vater im Himmel hatte. Aber als junge Alleinstehende fühlte sie sich auch einsam, wenn Angehörige oder Freunde sich wegen ihrer neuen Glaubensansichten und Gewohnheiten nicht wohlfühlten. „Das Beste, was die Mitglieder für mich gemacht haben“, sagt sie, „war, dass sie sich auch außerhalb der Kirche mit mir angefreundet haben. Einige sind mit mir in den Tempel gegangen und haben Taufen mit mir durchgeführt, obwohl sie schon ihr Endowment hatten. Es ist mir wichtig, dass ich auch über den Sonntag hinaus Kontakt mit den Mitgliedern habe. Das stärkt mich und hilft mir, bis ans Ende durchzuhalten.“

Die größte Herausforderung für Elsa als Neubekehrte ist „die Erwartung, alles auf einmal verstehen zu müssen“, erklärt sie. „All die Abkürzungen, Veranstaltungen, Berufungen. Das kann einem schon ein wenig zu viel sein. Manchmal befürchte ich, dass andere mich verurteilen, weil ich nicht schneller lerne.“ Außerdem hat sie, wie viele andere auch, eine gewisse Scheu vor anderen, was „dazu führt, dass ich in der Kapelle lieber hinten sitze und kaum mitmache“. Große Gruppen machen ihr Angst. Sie fragt sich, ob andere sie verurteilen, weil sie sich nicht so beteiligt. „Es ist ja nicht so, dass ich mich am Unterricht nicht beteiligen oder die Lieder nicht laut mitsingen möchte oder nicht vor allen beten will“, erklärt sie. „Aber ich habe einfach Angst davor, vor all diesen Leuten, die ich wirklich noch nicht gut kenne, in Tränen auszubrechen.“

Schwester McConkie sagt: „Ich kenne Leute, die jeden Sonntag in die Kirche kommen, um inspiriert und aufgebaut zu werden, dann aber einfach fortgehen und sich schuldig und ungeliebt fühlen – überflüssig, als ob es für sie keinen Platz in der Kirche gäbe. Das müssen wir ändern.“

Mitglieder, die einem unvoreingenommen begegnen, sagt Elsa, helfen ihr am meisten. „Sie hören sich meine Sorgen und Nöte an und dringen nicht in mein Privatleben ein. Sie sind aufrichtig und geduldig, während ich selbst herausfinde, was es überhaupt bedeutet, ein Mitglied zu sein.“ Trotz ihrer Angst begleitet sie die Missionare und kümmert sich um neue Mitglieder und Freunde der Kirche. „Ich weiß, wie es ist, wenn man irgendwo neu ist“, erklärt sie. „Und ich möchte dafür sorgen, dass sich niemand von den Gaben des Evangeliums abwendet, die mich vor Verzweiflung gerettet haben.“

Leben Sie das Evangelium, werden Sie ein Jünger

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members of the Church

„Menschen bringen oft unterschiedliche Gaben und Sichtweisen mit. Die große Spannweite an Erfahrungen, die unterschiedliche Herkunft, die Schwierigkeiten, vor denen andere stehen – das zeigt uns, worauf es im Evangelium Christi wirklich ankommt. Und von dem Übrigen, was man sich vielleicht im Laufe der Zeit angewöhnt hat, hat vieles mehr mit Sitten und Gebräuchen als mit der Lehre zu tun und kann verschwinden. Wir können wirklich lernen, Jünger zu sein.“

– Elder D. Todd Christofferson vom Kollegium der Zwölf Apostel

Auch wenn er der Kirche gegenüber zuvor kritisch eingestellt war, schloss Jim sich ihr an, denn er hatte „unbestreitbar ein geistiges Zeugnis vom Heiligen Geist“ erhalten, „das mir die Wahrheit des Evangeliums und seiner Lehre bezeugte“. Eine der größten Herausforderungen war für ihn jedoch, sich an die Gepflogenheiten in der Kirche anzupassen.

Nach der Taufe stellte er fest, dass viele der allgemein gebilligten Verhaltensweisen der Mitglieder eher auf Sitten und Gebräuche als auf die Lehre zurückzuführen waren. „Das kommt zwar in jeder organisierten Religion vor“, erklärt er, „aber ich hatte das Gefühl, wenn ich mich nicht in bestimmter Weise anpasste, würde man mir vorwerfen, das Evangelium nicht voll und ganz angenommen zu haben. Ich hatte aber keine Schwierigkeiten mit dem Evangelium oder der Lehre, sondern mit einer gewissen Konformität, die mir lediglich auf Gewohnheit zu beruhen schien.“

Wie Elder Christofferson erklärt, müssen unsere Neubekehrten, Freunde der Kirche und andere uns helfen, wahre Jünger zu werden und Verhaltensweisen abzulegen, die sich mit der Zeit angesammelt haben, aber nichts mit der Lehre zu tun haben.

Auch Elder Oaks rühmt die Vorteile, die sich ergeben, wenn man mit Menschen mit unterschiedlicher Vorgeschichte Umgang hat. Er fordert die Mitglieder der Kirche auf, sich nicht auf die Unterschiede zu konzentrieren, sondern stattdessen zu fragen: „Woher kommst du? Was sind deine grundlegenden Wertvorstellungen? Was möchtest du erreichen?“ Diese Art Offenheit und Akzeptanz hilft wiederum denen, die in unseren Kreisen neu sind, sich angenommen, aufgebaut und geliebt zu fühlen, bereit, ihr Heil im „Leib Christi“ zu finden.

Wie die heutigen Führer der Kirche machte sich der Apostel Paulus Sorgen über Uneinigkeit in der damaligen Kirche Christi. Er ermahnte die Mitglieder, die eine vorgefasste Meinung hatten, ihren Glaubensgenossen nicht wegen Verhaltensweisen zu nahe zu treten, auf die es letzten Endes nicht wirklich ankommt, denn, so erklärte er, „Erkenntnis macht aufgeblasen, die Liebe dagegen baut auf“ (1 Korinther 8:1). Er forderte: „Duldet keine Spaltungen unter euch.“ Und: Besinnt euch auf „Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten“, und nicht darauf, wie ihr euch als Mitglieder voneinander unterscheidet (1 Korinther 1:10; 2:2).

Heute ermahnen uns die neuzeitlichen Apostel und Propheten, Einigkeit in Vielfalt zu finden. Sie erwarten von uns, dass wir für jedes Mitglied der Kirche Christi Platz schaffen und damit ein wichtiges Teilziel erreichen, nämlich „zur Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes [zu gelangen] und Christus in seiner vollendeten Gestalt dar[zu]stellen“ (Epheser 4:13).