2018
Ein Balanceakt bis zum Ende
Juni 2018


Ein Balanceakt bis zum Ende

Aus der Ansprache „These Are Your Days“, die am 9. Juni 2015 bei einer Andacht an der Brigham-Young-Universität Idaho gehalten wurde. Den englischen Text findet ihr in voller Länge unter web.byui.edu/devotionalsandspeeches.

Ich bezeuge, dass wir „bis ans Ende Freude haben“ können, wenn wir den Eingebungen des Heiligen Geistes folgen, uns für das Gute statt für das Böse entscheiden und den Balanceakt zwischen unseren Verpflichtungen auf uns nehmen.

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balancing act

Erst vor kurzem habe ich mit meinen Kindern, Nichten und einem jungen Freund gesprochen, weil ich mir einen Eindruck verschaffen wollte, welche Fragen, Herausforderungen, Probleme und Erfolge junge Erwachsene von heute bewegen. Ich habe über das, was sie mir gesagt haben, nachgedacht und gebetet und dann daraus ein paar Punkte zusammengefasst, die ich nun in der Hoffnung aufliste, dass sie bei einigen dieser Fragen und Herausforderungen hilfreich sind.

Auf den Heiligen Geist hören

Einige von euch mögen es manchmal bezweifeln, doch ich versichere euch, dass unser Vater im Himmel unsere Gebete erhört, und zwar auf seine Weise. Denkt nur an diese Schriftstellen:

„Denn ein jeder, der bittet, empfängt; und wer da sucht, der findet; und dem, der anklopft, wird aufgetan werden.“ (3 Nephi 14:8.)

„Fehlt es aber einem von euch an Weisheit, dann soll er sie von Gott erbitten; Gott wird sie ihm geben, denn er gibt allen gern und macht niemand einen Vorwurf.“ (Jakobus 1:5.)

„Ja, siehe, ich werde es dir in deinem Verstand und in deinem Herzen durch den Heiligen Geist sagen, der über dich kommen wird und der in deinem Herzen wohnen wird.“ (LuB 8:2.)

Wie erhalten wir also Antworten und Offenbarungen? Woher wissen wir, dass es der Heilige Geist ist und nicht nur unsere eigenen Gedanken? Ich will von zwei Ereignissen in meinem Leben berichten, die sich als Muster herausgestellt haben.

Nachdem ich mit meiner künftigen Frau einige Zeit ausgegangen war, wurde mir klar, dass ich den Rest der Ewigkeit mit ihr verbringen wollte. Selbstverständlich war das für mich ein Grund für ernsthaftes Beten und Fasten. Meine Gefühle änderten sich dadurch nicht unbedingt. Ich spürte kein Brennen im Herzen. Aber ich hatte immer noch ein gutes Gefühl, wenn ich an meine Entscheidung dachte, und so machte ich beharrlich weiter. Meine Zukünftige bekam die gleiche Antwort, und ihr seht, was daraus geworden ist. Seit diesem Erlebnis habe ich viele Entscheidungen auf ähnliche Weise getroffen (siehe LuB 6:22,23).

Ganz anders verhält es sich mit Erlebnissen, die ich jetzt habe, wenn mir das Kollegium der Zwölf Apostel den besonderen Auftrag erteilt, einen neuen Pfahlpräsidenten zu berufen. Ich gehe an so einen Auftrag im Geiste des Betens und Fastens heran, und ich werde mit deutlichen Eingebungen gesegnet, die mich erkennen lassen, wer berufen werden soll. Diese Eingebungen habe ich mal vor, mal während und manchmal auch erst nach den Gesprächen, die ich führe. Ich spüre immer ein Brennen im Herzen. Inzwischen habe ich erkannt, dass der Heilige Geist mich bei solchen Aufträgen auf diese Weise führt.

Warum kommuniziert der Heilige Geist auf verschiedene Weise mit mir? Ich weiß es nicht. Wichtig ist, dass ich gelernt habe, in diesen Mustern Wege zu erkennen, wie ich persönliche Offenbarung empfange. Dabei fühle ich mich durch folgende Ermahnung beruhigt und ermutigt: „Sei demütig, dann wird der Herr, dein Gott, dich an der Hand führen und dir auf deine Gebete Antwort geben.“ (LuB 112:10.)

Sich für das Gute statt für das Böse entscheiden

Manche Leute denken, dass es immer schwieriger wird, den Unterschied zwischen richtig und falsch zu erkennen. Es sieht so aus, als gäbe es immer mehr Grauzonen. Viele der falschen, aber gerade im Trend liegenden populären Ansichten erscheinen sinnvoll, wenn man sie nur aus einem engen Blickwinkel betrachtet. Aber auch wenn man alten Müll neu verpackt und kreative Werbung dafür macht, ist es immer noch Müll.

Zwischen richtig und falsch zu unterscheiden muss nicht kompliziert sein. Noch ehe wir die Gabe des Heiligen Geistes empfangen, sind wir mit dem Licht Christi gesegnet:

„Denn siehe, jedem Menschen ist der Geist Christi gegeben, damit er Gut von Böse unterscheiden könne; darum zeige ich euch den Weg zu urteilen; denn alles, was einlädt, Gutes zu tun, und dazu bewegt, dass man an Christus glaubt, geht von der Macht und Gabe Christi aus; darum könnt ihr mit vollkommenem Wissen wissen, dass es von Gott ist.

Aber alles, was den Menschen dazu bewegt, dass er Böses tut und nicht an Christus glaubt und ihn verleugnet und nicht Gott dient, davon könnt ihr mit vollkommenem Wissen wissen, dass es vom Teufel ist; denn auf diese Weise arbeitet der Teufel, denn er bewegt keinen Menschen dazu, dass er Gutes tut.“ (Moroni 7:16,17.)

Eine der größten Prüfungen unserer Zeit besteht darin, den lebenden Propheten zu unterstützen. Die meisten von uns sagen jetzt: „Was für eine Frage! Mache ich. Abgehakt.“

Aber es ist erstaunlich, wenn man sieht, wie manch einer, der angeblich den lebenden Propheten unterstützt, auf einige gerade im Trend liegende populäre Ansichten reagiert. Gruppenzwang veranlasst manche von uns dazu, so zu handeln oder sich eine Meinung zu bilden, die den Eindruck erweckt, als wüssten wir nicht, dass es einen lebenden Propheten gibt.

Die richtige Balance finden

Habt ihr manchmal so viel zu tun, dass ihr das Gefühl bekommt, man zerrt von allen Seiten an euch? Wisst ihr was? Es wird nur noch schlimmer. Also stellt sich die Frage: Wie findet man die richtige Balance?

Nehmt euch das ewige Wesen unseres Geistes und eure Identität als Söhne und Töchter Gottes zur Richtschnur. Richtet eure Kraft auf diese Wahrheit und was sie bedeutet. Alles andere wird dann entweder aus eurem Leben verschwinden oder seinen rechten Platz einnehmen.1 Zwei Schriftstellen können uns als Leitlinie dienen:

„Trachtet … zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Rechtschaffenheit, und dies alles wird euch hinzugefügt werden.“ (3 Nephi 13:33.)

„Sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören und keine Diebe einbrechen und sie stehlen.

Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“ (Matthäus 6:20,21.)

Ob ihr es glaubt oder nicht, auch mir ging es einmal so wie euch. Es gab eine Zeit in meinem Leben, da hatte ich eine Vollzeitstelle, ging abends zur Uni, arbeitete nach den Vorlesungen zusätzlich Teilzeit bis in die frühen Morgenstunden, und meine Frau und ich hatten außerdem unsere kleinen Kinder zu erziehen. Zwei Monate lang bekam ich an einigen Wochentagen nur ein paar Stunden Schlaf. Obendrein gehörte ich auch noch der Bischofschaft der Gemeinde an.

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Dies war eine der produktivsten Phasen meines Lebens! Ich glaube, ich habe die 24 Stunden eines Tages nie wieder so sinnvoll genutzt wie zu jener Zeit.

Präsident Gordon B. Hinckley (1910–2008) hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass wir gegenüber unserer Familie, gegenüber unserem Arbeitgeber, gegenüber dem Herrn und uns selbst gegenüber Verantwortung tragen.

Wie schaffen wir den Blanceakt zwischen diesen Bereichen? Präsident Hinckley meinte: „Ich glaube, es ist gar nicht so schwer. Ich habe in dieser Kirche in vielen Funktionen gedient. Ich habe fünf Kinder, die noch klein waren und heranwuchsen, während ich diesen verschiedenen Aufgaben nachkam. … Wir hatten Freude am Leben. Wir hielten den Familienabend ab. Wir taten einfach das, was die Kirche von uns erwartete.“2

Bis ans Ende Freude haben

Bis ans Ende ausharren bedeutet nicht, dass man eine Evangeliumsliste abarbeitet und dann sagt: „Alles erledigt. Jetzt kann ich mich treiben lassen und brauche einfach nur weiterzumachen.“ Stattdessen geht es darum, fortwährend zu lernen und zu wachsen. Im Evangelium Jesu Christi geht es um ständige Umkehr und Veränderung. Es ist eine Bergwanderung, kein Spaziergang durch den Park.

König Benjamin sagt: „Seht zu, dass dies alles in Weisheit und Ordnung geschieht; denn es ist nicht erforderlich, dass der Mensch schneller laufe, als er Kraft hat.“ (Mosia 4:27.)

Manche Mitglieder der Kirche nutzen diese Schriftstelle als Ausrede für ihre fehlende Bereitschaft, sich mehr anzustrengen oder ihr Bestes zu geben. Das Problem besteht darin, dass sie sich nur auf die erste Hälfte der Schriftstelle konzentrieren.

Hier ist die zweite Hälfte: „Es ist ratsam, dass er eifrig sei, auf dass er dadurch den Preis gewinne; darum muss alles in Ordnung getan werden.“ Gemeinsam stellen die beiden Hälften klar, was es wirklich bedeutet, wenn alles in Weisheit und Ordnung geschieht.

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Ein junger Sportler hat mir erklärt, was es heißt, seinen toten Punkt zu überwinden: Plötzlich hat man wieder frische Energie, die einem die Kraft gibt, weiterzumachen, selbst wenn man müde ist.

Was diesen toten Punkt in anderen Bereichen seines Lebens betraf, sagte dieser junge Mann: „Als Student ist es sehr leicht, Ausreden zu finden, wenn man spät nach Hause kommt. Man ist zu müde, um zu beten oder in den Schriften zu lesen oder sogar um regelmäßig in den Tempel zu gehen. Es gibt viele Ausreden dafür, all das nicht zu tun, besonders für Studenten. Aber schlussendlich geht es darum, unseren toten Punkt zu überwinden und diese Kleinigkeiten zu erledigen.“

Vielleicht müssen wir dann nicht bis ans Ende ausharren, sondern können unseren toten Punkt überwinden und mit frischer geistiger Kraft bis ans Ende Freude haben. Ich bezeuge, dass dies möglich ist, wenn wir den Eingebungen des Heiligen Geistes folgen, uns für das Gute statt für das Böse entscheiden und den Balanceakt zwischen unseren Verpflichtungen auf uns nehmen.

Anmerkungen

  1. Ezra Taft Benson, „Das große Gebot: Liebe den Herrn“, Stern, Juli 1988, Seite 3

  2. Teachings of Gordon B. Hinckley, 1997, Seite 33