2006
Man muss den natürlichen Menschen ablegen
Juli 2006


Das Evangelium in seiner Fülle

Man muss den natürlichen Menschen ablegen

Dies ist ein weiterer Artikel einer Serie über Glaubensansichten, die allein in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage gelehrt werden.

Seit Jahrhunderten ist das Wesen des Menschen Gegenstand von Debatten unter Philosophen und Theologen. Im Lauf der Jahre haben sich drei verschiedene Anschauungen herauskristallisiert: Der Mensch ist von Natur aus gut, der Mensch ist grundsätzlich schlecht, der Mensch ist keines von beiden (er ist ein unbeschriebenes Blatt). Wir können dankbar sein, dass uns durch das wiederhergestellte Evangelium Jesu Christi die wahre Natur des Menschen kundgetan wird, wodurch die lebenslange Herausforderung, „den natürlichen Menschen“ abzulegen, erst sinnvoll, zweckgerichtet und in die richtige Richtung gelenkt wird (Mosia 3:19).

Ein duales Wesen

Aufgrund des Falles von Adam und Eva ist „die ganze Menschheit zu einem verlorenen und gefallenen Volk geworden“ (Alma 12:22). König Benjamin zufolge ist der gefallene oder „natürliche Mensch … ein Feind Gottes und ist es seit dem Fall Adams gewesen und wird es für immer und immer sein, wenn er nicht den Einflüsterungen des Heiligen Geistes nachgibt und den natürlichen Menschen ablegt und durch das Sühnopfer Christi, des Herrn, ein Heiliger wird“ (Mosia 3:19).

Präsident David O. McKay (1873–1970) hat darauf hingewiesen, dass wir wegen des Falls ein duales Wesen sind: „Ein Teil unseres Wesens ist im Irdischen, im Animalischen verankert, der andere dem Göttlichen wesensverwandt. Ob jemand innerlich mit dem zufrieden ist, was wir als das Animalische bezeichnen, zufrieden mit dem, was das Animalische ihm zu geben hat, sodass er sich ohne Anstrengung den Launen seiner Begierden und Leidenschaften hingeben kann und immer tiefer in Freizügigkeit versinkt, oder ob er sich durch Selbstbeherrschung zu intellektueller, sittlicher und geistiger Freude aufschwingt, hängt davon ab, was für Entscheidungen er jeden Tag, nein, jede Stunde seines Lebens trifft.“1

Unser Geist kommt aus der Gegenwart Gottes und „der Geist jedes Menschen war im Anfang unschuldig“ (LuB 93:38). Auch unser physischer Körper ist eine Gabe von Gott. Unter anderem wollten wir doch gerade deswegen zur Erde kommen, weil wir dadurch dem himmlischen Vater ähnlicher werden können, denn auch er hat ja einen physischen Körper. Daher besteht eine der Herausforderungen des Erdenlebens darin, dass wir lernen, richtig mit unserem Körper umzugehen, ihn gut zu behandeln und recht einzusetzen. Wenn wir die natürlichen Neigungen des Fleisches unter Kontrolle haben, erheben wir uns zu der Art geistigen Lebens, wie sie Präsident McKay beschrieben hat. Wenn wir aber zulassen, dass „der natürliche Mensch“ den Ton angibt, stehen wir Gott und seinen Absichten feindselig gegenüber (siehe Mosia 3:19).

Der innere Kampf

Elder Melvin J. Ballard (1873–1939) vom Kollegium der Zwölf Apostel hat gesagt: „Alle Attacken, die der Feind unserer Seele unternimmt, um uns gefangen zu nehmen, gehen über das Fleisch, denn dieses besteht aus den unerlösten Bestandteilen der Erde, und über die irdischen Elemente hat er Macht. Er spricht uns an durch Lust, Begierde und fleischliche Wünsche. Jede Hilfe, die uns der Herr in diesem Kampf zuteil werden lässt, kommt durch den Geist, der in unserem sterblichen Körper wohnt. Diese beiden starken Mächte wirken demnach auf uns, und zwar über diese beiden Zugangskanäle. …

Wünscht man sich einen starken Geist, der den Körper beherrscht, dann muss man darauf achten, dass der Geist geistig genährt und ertüchtigt wird. …

Nimmt jemand keine geistige Nahrung zu sich oder sorgt er nicht für geistige Ertüchtigung, dann wird er auf geistigem Gebiet ein Schwächling und ist dem Fleisch untertan. Wer also für geistige Nahrung und Ertüchtigung sorgt, beherrscht seinen Körper und bewirkt, dass er sich Gottes Willen unterwirft.“2

Elder Ballard nennt einige Arten geistiger Nahrung und Ertüchtigung: beten, das Abendmahl nehmen und einander dienen. Die heiligen Schriften und die Propheten nennen weitere, etwa, dass wir die Sonntagsversammlungen besuchen, im Tempel dienen und in den heiligen Schriften lesen sollen.

Wir müssen unser Wesen verändern

Geistige Nahrung und Ertüchtigung können uns bei unserem Bestreben, den Körper unter Kontrolle zu haben, Kraft geben; leichter jedoch wird dieses Vorhaben, wenn der Körper verändert, also von seinem verderbten, „natürlichen“ Zustand in einen geheiligten Zustand verwandelt wird (siehe Moroni 10:32,33). Diese Heiligung kommt durch die Gnade Christi und das Wirken des Heiligen Geistes zustande. Elder Parley P. Pratt (1807–1857) vom Kollegium der Zwölf Apostel hat gesagt: „Die Gabe des Heiligen Geistes … belebt unsere geistigen Fähigkeiten; er fördert, erweitert, verstärkt und reinigt alle natürlichen Neigungen und Stimmungen und führt sie durch die Gabe der Weisheit ihrem rechtmäßigen Gebrauch zu.“3 Leidenschaftliche Regungen sind nicht von Natur aus böse. Leidenschaftliche Regungen können in einem rechtschaffenen Menschen sehr viel Gutes zustande bringen.

Das Evangelium zeigt uns also, dass wir den Schwächen und den Begierden des Fleisches nicht nachzugeben brauchen. Die gute Nachricht des Evangeliums lautet: Durch das Sühnopfer des Erretters und den rechten Gebrauch der Entscheidungsfreiheit können wir unser Wesen von Grund auf ändern. Präsident Ezra Taft Benson (1899–1994) hat gesagt: „Die Welt versucht, das menschliche Verhalten zu formen, Christus jedoch kann das Wesen des Menschen verändern“.4 Durch die Macht des Herrn können wir, wie schon Petrus sagt, „der verderblichen Begierde, die in der Welt herrscht“, entfliehen „und an der göttlichen Natur Anteil“ erhalten (2 Petrus 1:4). Durch das Sühnopfer Christi können wir den natürlichen Menschen ablegen und ein Heiliger werden – „fügsam, sanftmütig, demütig, geduldig [und] voll von Liebe“ (Mosia 3:19).

Anmerkungen

  1. Gospel Ideals, 1953, Seite 347f.

  2. „The Struggle for the Soul“, Tambuli, September 1984, Seite 37

  3. Key to the Science of Theology, 9. Auflage, 1965, Seite 101

  4. „Born of God“, Ensign, November 1985, Seite 6