2018
Der Herr wird uns befreien
February 2018


Der Herr wird uns befreien

Der Verfasser lebt in Utah.

Inmitten der schrecklichen Verwüstung hat der Herr seine Missionare behütet.

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earthquake aftermath

Fotos zur Verfügung gestellt vom Autor und von Michael Remington

Das Erdbeben, das im März 2011 Japan erschütterte, zeigte einen Wert von 9,0 auf der Richterskala – es war eins der stärksten Erdbeben seit Beginn der Aufzeichnungen. Ich war damals Missionspräsident der Japan-Mission Sendai, dem Gebiet, das dem Epizentrum des Bebens am nächsten war. Mehr als 16.000 Menschen starben, und hunderttausende Häuser und Gebäude wurden durch das Erdbeben oder vom darauffolgenden Tsunami zerstört.

Trotz dieser Verwüstung von ungeheurem Ausmaß verloren wir nicht einen einzigen Missionar. In den Tagen und Wochen danach geschahen Wunder im Leben dieser Missionare, mit denen wir zusammenarbeiteten. Der liebevolle Vater im Himmel setzte schon vor und auch nach dem Erdbeben, eine Reihe von Ereignissen in Gang, um seine Missionare zu retten.

An sichere Orte geführt

Die Führerschaftsversammlungen der Zone Koriyama in unserer Mission fanden fast immer donnerstags statt. Diesmal jedoch war die Versammlung für Freitag, den 11. März 2011 geplant – der Tag, an dem sich das Erdbeben ereignete. Normalerweise waren bei diesen Führerschaftsversammlungen nur die Zonen- und Distriktsleiter anwesend. In diesem Fall jedoch waren alle Missionare in der Zone zur Führerschaftsversammlung eingeladen. Daher waren die Missionare der Japan-Mission Sendai, die am nächsten an den durch das Erdbeben und den Tsunami beschädigten Atomreaktoren wohnten, am Tag des Erdbebens weit weg von ihren Wohnungen. Sie befanden sich bei der Führerschaftsversammlung in der Kapelle in Koriyama in Sicherheit. Der Herr hatte sie an einen sicheren Ort gebracht.

Die Missionare bei unserer Führerschaftsversammlung waren nicht die Einzigen, die in Sicherheit gebracht worden waren, bevor sich das Erdbeben ereignete. Missionare lernen von Anfang an, sich auf den Herrn und die Eingebungen des Heiligen Geistes zu verlassen. Als sich das Erdbeben ereignete, blieb keine Zeit, bei den Führungsbeamten um Anweisungen zu bitten. Die anderen Missionare überlebten, weil sie wie immer auf den Heiligen Geist hörten. Dieser führte sie an sichere Orte, die der himmlische Vater für sie bereitet hatte.

Nach dem Erdbeben begaben sich viele Missionare zu den Evakuierungszentren. In einigen Zonen suchten die Missionare instinktiv die Gemeindehäuser auf. Diese waren vergleichsweise wenig beschädigt, und dort verspürten sie den Frieden durch den Heiligen Geist stärker. Ein paar Missionare hatten das Glück, in ihren Wohnungen bleiben zu können. Dort gab es zwar weder Heizung noch Wasser, Elektrizität oder Lebensmittel, aber alle waren in Sicherheit.

Hindernisse als Schutz

Zuerst wusste ich nichts von den Schäden an den Atomreaktoren und versuchte, die Missionare, die an unserer Führerschaftsversammlung teilgenommen hatten, gleich nach dem Erdbeben wieder in ihre Wohnungen zu schicken. Aber der Herr wusste das zu verhindern: Es fuhren weder Busse noch Bahnen. So sorgte der Vater im Himmel dafür, dass die Missionare weiterhin in Koriyama in Sicherheit blieben.

Ich dachte, dass ich im Missionsheim in der Nähe des Epizentrums des Erdbebens gebraucht würde. Doch nach acht Stunden Fahrt über beschädigte und verstopfte Straßen merkten wir, dass auch uns der Weg versperrt war. Es stellte sich heraus, dass wir bei der Evakuierung unserer anderen Missionare viel besser von Koriyama aus helfen konnten. Auch das war ein weiterer Beweis dafür, dass der Herr über uns wachte.

Nach dem Erdbeben wurde das Benzin knapp. Die Tankfahrzeuge, die in der Lage waren, die beschädigten Straßen zu befahren, kamen nur sehr langsam voran. Man musste drei Stunden lang nach Benzin anstehen – sofern es überhaupt welches gab. Aber der Herr sorgte auf wundersame Weise für uns. So stellten wir beispielweise beim Transport einiger Missionare ins sichere Niigata auf der anderen Seite der Insel fest, dass wir 18 Stunden lang mit einer einzigen Tankfüllung gefahren waren, wobei die Tankanzeige stets auf „voll“ stand. Kaum näherten wir uns Niigata, fiel die Tankanzeige sofort auf „leer“.

Gefährliche Reise

Glücklicherweise sorgte der liebevolle Vater im Himmel auch weiterhin für eine geordnete Evakuierung inmitten der massiven Zerstörung. Lange Fahrten waren gefährlich. Immer wieder kam es zu Nachbeben. Die öffentlichen Verkehrsmittel waren außer Betrieb. Die Wasser- und Stromversorgung war unterbrochen, und es war fast unmöglich, Benzin oder Lebensmittel zu kaufen. Meiner Frau und mir war völlig klar, dass wir als Einzige in der Lage waren, zwei Missionare in einer Gebirgsregion und zwei weitere Missionare jenseits der Berge auf der anderen Seite der Insel zu erreichen. Da die Schnellstraßen gesperrt waren, würde diese letzte Fahrt so aussehen: fünf oder sechs Stunden auf Nebenstraßen in die Berge im Norden, danach zwei oder drei Stunden zurück über die Berge nach Tsuruoka und weitere vier Stunden zurück dorthin, wo wir in Sicherheit waren.

Wir brachen früh am Morgen des 16. März auf und kamen erst gegen 17 Uhr bei der Wohnung von Elder Ohsugi und Elder Yuasa an. Nun mussten wir die beiden letzten Missionare abholen und dazu über einen Berggipfel wieder in den Süden hinunter in die Stadt Tsuruoka fahren. Da unser Tank nur noch knapp halb voll war, wussten wir, dass wir uns keine Umwege leisten konnten. Kaum waren wir losgefahren, um die letzten beiden Missionare abzuholen, da begann es zu schneien. Kurz darauf befanden wir uns mitten in einem heftigen Schneesturm, der uns die Sicht nahm, und kamen nur noch mit einer Geschwindigkeit von etwa 25 Stundenkilometern voran. Ich konnte die Fahrbahnmarkierungen nicht mehr erkennen.

Als wir abends um halb acht den Gipfel erreichten, wurden wir von der Polizei angehalten. Ein Polizist teilte mir mit, dass eine Lawine die Straße versperrte und der Bergpass unpassierbar sei. Er erklärte mir, wir könnten nicht weiterfahren, sondern müssten wenden und eine andere Strecke zur anderen Seite der Insel um die Lawine herum nehmen. Wir hatten aber nicht mehr genügend Benzin, um die Lawine zu umfahren, und so gab es scheinbar keine Möglichkeit, Elder Lay und Elder Ruefenacht in Tsuruoka zu erreichen.

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Wundersame Reise

Niedergeschlagen wendeten wir, so wie uns die Polizei angewiesen hatte. Ich bat die Missionare im Wagen, alle Mitglieder der Gemeinde Yamagata anzurufen. Wir mussten jemanden finden, der uns etwas Benzin geben konnte. Also hielten wir an und flehten von ganzem Herzen und mit aller Kraft die Mächte des Himmels an. Wir wandten uns nochmals an den Herrn und beteten um ein weiteres Wunder.

Die Missionare riefen jedes aktive Mitglied an, aber niemand hatte Benzin. Den Tankstellen war das Benzin ausgegangen und sie waren geschlossen. Da hatten die Missionare die Eingebung, einen weniger aktiven Freund, Bruder Tsuchihashi, anzurufen. Und wieder hatte der Vater im Himmel uns gelenkt: Bruder Tsuchihashi konnte uns 20 Liter Benzin überlassen. Doch um diesen guten Bruder zu erreichen, mussten wir eine Stunde lang nach Norden fahren, in die entgegengesetzte Richtung unseres Ziels. Die versprochene Menge Benzin war zwar hilfreich, aber nicht ausreichend, um die Lawine zu umfahren.

Voller Glauben fuhren wir nach Norden, wobei wir immer noch nicht wussten, wie wir die anderen beiden Missionare abholen würden. Wir erreichten die Stadt Shinjo und bekamen die 20 Liter Benzin. Kurz danach erhielt ich einen Anruf von Präsident Yoshida, meinem Ratgeber, der inzwischen sehr besorgt war, weil wir noch nicht zurückgekehrt waren. Er fragte, wo wir uns befänden, und war bestürzt, dass wir so weit von unserem Weg abgekommen waren. Er war nicht in der Lage, zu uns zu kommen und uns dabei zu helfen, zurückzukehren.

Doch dann schaute er auf seine Straßenkarte und brachte mit zittriger Stimme heraus: „Es gibt da eine wenig bekannte Passstraße, die von Shinjo nach Tsuruoka führt, wo die Missionare sind.“ Der Herr hatte einen Weg für uns bereitet, der uns genau an die richtige Stelle geführt hatte, um die Lawine umfahren zu können. Wir hatten genau so viel Benzin erhalten, wie wir brauchten, um trotz der Lawine sicher zu den Missionaren zu gelangen und sie abzuholen.

Als ich nach dem Erdbeben mit jedem Missionar Kontakt aufnahm und erfuhr, wie sie alle kurz vor dem Erdbeben und Tsunami an sichere Orte geführt worden waren, war ich sehr dankbar. Zwei Missionare waren vor dem Tsunami geschützt gewesen, weil sie in den vierten Stock eines Evakuierungszentrums geklettert waren. Sie waren dankbar, dass sie in diesem Moment größter Gefahr bewahrt wurden.

Sie fanden, dass Helamans Worte ihre Situation beschrieben: „Der Herr, unser Gott, suchte uns auf mit Zusicherungen, er werde uns befreien, ja, indem er unserer Seele Frieden zusprach und uns großen Glauben gewährte und uns dazu brachte, dass wir die Hoffnung auf unsere Befreiung in ihn setzten.“ (Alma 58:11.)