2022
Ein von Anstand geprägtes Leben führt zu Segnungen
Juni 2022


Nur online: Junge Erwachsene

Ein von Anstand geprägtes Leben führt zu Segnungen

Als ich mir über meine Identität und meinen Wert als Tochter Gottes im Klaren war, wurde mir Anstand zur zweiten Natur

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Eine junge Frau mit geschlossenen Augen im Profil

Ein paar Monate nachdem ich das Endowment empfangen hatte, war ich mit einem Freund an einem extrem heißen Tag im Auto unterwegs. Mit einem Blick auf meine Beine meinte er, meine Hose sei ja nicht gerade kurz.

„Ist dir nicht zu warm?“, fragte er.

„Doch“, antwortete ich gut gelaunt.

Darauf lachten wir beide.

„Aber wie ich dich einschätze, würdest du nicht einmal dann eine kürzere Hose tragen, wenn du jetzt kein Garment anhättest. Du warst ja schon immer Anstandsweltmeisterin“, neckte er mich.

Ich dachte über seine Worte nach.

„Da hast du recht“, sagte ich und lachte.

Doch ehrlich gesagt fand ich seine Aussage ein wenig verstörend. Anstandsweltmeisterin? Was meinte er bloß damit? War ich, was Anstand betrifft, in ein Extrem verfallen? Fand er mich vielleicht verschroben?

Diese Fragen führten zu weiteren Fragen, die mir schon eine Zeit lang im Kopf herumgeschwirrt waren, die ich mich aber bislang nicht auszusprechen getraut hatte: Warum ist es mir derart wichtig, mich anständig zu kleiden? Hilft mir das denn wirklich, eine bessere Jüngerin Christi zu werden? Kommt es darauf überhaupt an?

Ausschau halten nach den Segnungen, die mit Anstand einhergehen

Einige von uns haben vielleicht Fragen zum Thema Anstand und vor allem dazu, was Anstand mit unserer Eigenschaft als Jünger Christi zu tun hat. Doch wenn wir uns um Führung durch den Geist bemühen, verstehen wir allmählich das Warum hinter diesem Gebot.

Als ich Fragen zum Thema Anstand hatte und von der Welt bedrängt wurde, alles ein wenig lockerer zu sehen, wandte ich mich an den Vater im Himmel. Mir kamen nach und nach viele Situationen in den Sinn, in denen ich es im Nachhinein als großes Glück empfand, den Anstand gewahrt zu haben – sowohl im Hinblick auf mein Erscheinungsbild als auch in Bezug auf mein Verhalten.

Hier nur ein paar von den Segnungen, die ich erhalten habe, weil ich Anstand nie auf die leichte Schulter nehme.

1. Anstand fördert das Selbstvertrauen

Unser Körper dient unserem Geist als Wohnstätte und ist heilig – eine greifbare Erinnerung an die vollkommene Liebe, die der Vater im Himmel uns entgegenbringt. Einen Körper zu haben ist ein echtes Vorrecht und ermöglicht uns, so wie Gott zu werden. Warum sollten wir angesichts dieser wunderbaren und unbegreiflichen Wahrheit nicht voller Selbstvertrauen sein?

Wir müssen uns nur kurz umschauen und stellen fest, dass die Welt (wegen des Widersachers) den Körper anders zur Schau stellt, als es der Vater im Himmel beabsichtigt hat. Der Körper wird kritisiert und mit dem anderer verglichen, und Unanständigkeit wird oft verherrlicht. Die Welt will uns glauben machen, dass wir uns eher zugehörig fühlen und selbstsicherer als je zuvor sind, wenn wir uns auf bestimmte Art und Weise verhalten und kleiden. Doch das daraus erwachsende vermeintliche Selbstvertrauen währt nur kurz.

Dauerhaftes Selbstvertrauen rührt daher, dass wir unser göttliches Wesen verstehen lernen und erkennen, dass unser Körper heilig ist und wir ja durch ihn unser irdisches Dasein erleben. Er ist kein Schaustück, das der Welt als Zierde dienen soll.1

Der Herr erklärt in Lehre und Bündnisse 121:45: „Lass Tugend immerfort deine Gedanken zieren; dann wird dein Vertrauen in der Gegenwart Gottes stark werden.“

Und das stimmt! Sind unsere Gedanken anständig und tugendhaft, spiegelt sich das in unserem Verhalten, unserer Ausdrucksweise und unserem Erscheinungsbild wider. Daraus erwächst wahres Selbstvertrauen.

Mitunter vertrugen sich meine weltlichen Wünsche nicht mit meinem Anstandsdenken, zum Beispiel wenn ich etwas Bestimmtes tragen wollte, um anziehend zu wirken, oder wenn ich versucht war, mich auf eine bestimmte Art und Weise zu benehmen, weil ich dazugehören wollte. Doch als ich wirklich begriff, dass ich ein göttliches Wesen habe, wollte ich diese Wahrheit auch verkörpern, und so wurde das Tragen anständiger Kleidung bei mir zur zweiten Natur. Auch mein Selbstvertrauen wuchs. Wahres Selbstvertrauen hat schließlich wenig mit unserem Erscheinungsbild zu tun und dafür umso mehr mit unserem Lebenswandel, der unser göttliches Wesen widerspiegeln soll.

2. Anstand kann unsere Beziehung zum Vater im Himmel und zu Jesus Christus vertiefen

Wer die Gebote des Evangeliums als Regelwerk betrachtet, empfindet sie vielleicht als einschränkend. Wenn wir uns jedoch darauf konzentrieren, dass der Vater im Himmel die Ewigkeit im Blick hat und uns liebt, können wir unser Zeugnis auf der Wahrheit aufbauen, dass seine Gebote uns ja Schutz und Segen sein sollen. Sie entspringen seiner vollkommenen Liebe.2

Der Amtierende Präsident des Kollegiums der Zwölf Apostel, Präsident M. Russell Ballard, hat uns einmal eine Frage gestellt. Als ich darüber nachdachte, wie sehr ich davon profitiere, wenn ich mich an die Maßstäbe für Anstand halte, kam sie mir wieder in den Sinn. Es geht darum, ob wir Gott lieben oder eher das Weltliche. Präsident Ballard fragte: „Was … wäre unsere Antwort auf die Frage: ‚Liebst du mich mehr als diese?‘“3

Mir wurde klar: In der Welt können zwar überall Versuchungen lauern, aber wenn ich mir überlege, was der Vater im Himmel und der Erretter aus Liebe für mich getan haben, kann ich ihnen ja auch im Gegenzug meine Liebe zeigen, indem ich Anstand an den Tag lege. Anstand ist für mich also ein Zeichen meiner inneren Verpflichtung ihnen gegenüber, und wenn ich ihnen weiterhin meine Zuneigung zeige, merke ich, wie sich meine Beziehung zu ihnen vertieft. Allein das ist bereits ein Segen.

3. Anstand kann zu vermehrter Freude führen

Elder D. Todd Christofferson vom Kollegium der Zwölf Apostel hat gesagt: „[Gottes] Gebote [sind] nicht schwer – ganz im Gegenteil. Sie säumen den Weg der Heilung, des Glücklichseins, des Friedens und der Freude. … Wenn wir [die] Gebote [unseres Vaters und unseres Erlösers] halten, verspüren wir ihre vollkommene Liebe in größerem, intensiverem Maß.“4

Wir lesen in 1 Nephi, dass Gottes Liebe „die größte Freude für die Seele“ ist (1 Nephi 11:23; siehe auch Vers 22). Wenn wir uns dafür entscheiden, die Gebote zu halten – und dazu gehört auch ein Leben in Anstand –, können wir seine Liebe spüren und von den Früchten des Evangeliums Jesu Christi kosten, der Quelle wahrer Freude.

Wenn ich mich so wie fast alle anderen anziehe oder verhalte, bin ich vielleicht einen Moment lang glücklich. Diese Versuchung macht mir hin und wieder durchaus zu schaffen. Die größte Freude erlebe ich aber dann, wenn ich bestrebt bin, die Gebote und meine Bündnisse zu halten. Dann nämlich kann ich die vollkommene Liebe des Vaters im Himmel verspüren.

Seine wahre Identität hochhalten

Als ich mich damals mit meinem Freund unterhielt, hatte ich den Eindruck, dass er mich schon recht prüde fand. Doch einige Jahre später heirateten wir, und er erklärte mir, er sei immer dankbar dafür gewesen, wie sich in meinem Erscheinungsbild, meiner Ausdrucksweise und meinem Verhalten meine Hingabe an Christus widergespiegelt hat.

Anstand im Leben zu wahren ist nicht immer leicht, denn „die Stimmen und der Druck der Welt sind einnehmend und vielfältig“5. Aber ich weiß, dass die Segnungen und die Freude, die aus einem von Anstand geprägten Leben erwachsen, viel mehr wert sind als alles, was die Welt mir bieten kann.

Drückt dich beim Thema Anstand irgendwo der Schuh? Dann möchte ich dich bitten, dich um persönliche Offenbarung zu bemühen und dir zu überlegen, inwiefern es dir bislang schon ein Segen gewesen ist, wenn du Anstand an den Tag gelegt hast. Allerdings dürfen wir dabei keinesfalls den Fehler machen, die Würdigkeit eines anderen daran beurteilen zu wollen, wie sehr er sich von Anstand leiten lässt. Entscheiden wir uns also für ein Leben, das von Anstand geprägt ist, und erweisen wir gleichzeitig anderen Mitgefühl – jene Art Mitgefühl, wie sie der Erretter auch uns entgegenbringt.

Sich an die Maßstäbe für Anstand zu halten ist eine der besten Möglichkeiten, wie wir unsere wahre Identität hochhalten, dem Vater im Himmel und Jesus Christus näherkommen und Lebensfreude haben können. So ergeht es mir, und ich weiß, dass es für dich genauso sein kann.