2022
Anstand: Es geht nicht bloß um die Kleidung
Juni 2022


Junge Erwachsene

Anstand: Es geht nicht bloß um die Kleidung

Immer wieder wird uns gesagt, wir sollen nach außen hin schicklich sein. Aber wie anständig sind wir innerlich?

Bild
Profil einer jungen Frau

Viele von uns haben in der Kirche schon von klein auf gelernt, dass man Anstand an den Tag legen soll. Das ist auch gut so, denn Anstand ist ein wichtiger Evangeliumsgrundsatz, der uns helfen kann, uns selbst in Gedanken und Taten im Zaum zu halten und darauf zu achten, wie wir uns anderen gegenüber geben. Wenn wir lernen, wie man diesen und ähnliche Evangeliumsgrundsätze verinnerlicht und nach ihnen lebt, können wir mehr so werden wie unser Erretter.

In unserer Kindheit und Jugend wurde uns vielleicht beigebracht, dass es bei Anstand bloß um das äußere Erscheinungsbild geht. Bei Aussagen zum Anstand ging es vielleicht nur um Kleidung, die zu freizügig ist, oder um ein anderweitig extremes Erscheinungsbild durch Piercings, Tätowierungen, Frisur oder sonstige Äußerlichkeiten. Bei Anstand geht es aber nicht nur um Kleidung oder Äußeres, sondern auch um das Innere.

„Wenn man Anstand hat, lässt man sich, was Kleidung, äußere Erscheinung, Ausdrucksweise und Verhalten angeht, von Bescheidenheit und Schicklichkeit leiten. Man zieht keine ungebührliche Aufmerksamkeit auf sich. Vielmehr bemüht man sich, Gott in seinem Leib und seinem Geist zu verherrlichen (siehe 1 Korinther 6:20; siehe auch Vers 19).“1

Wenn wir diese umfassendere Definition verstehen und danach leben und uns bemühen, Gott zu verherrlichen, können wir all unsere Taten am Grundsatz Anstand messen – nicht nur unsere Kleidung.

Unsere innere Verpflichtung

Bild
Profilansichten verschiedener Menschen

Elaine S. Dalton, ehemalige Präsidentin der Jungen Damen der Kirche, hat gesagt: „Anstand umfasst viel mehr als das äußere Erscheinungsbild. Es ist ein innerer Zustand. Anstand ist das äußere Zeichen einer inneren Gewissheit und Verpflichtung. Es zeigt, dass wir verstehen, dass wir [Kinder] Gottes sind. Es zeigt, dass wir wissen, was Gott von uns erwartet. Wir verkünden damit, dass wir unsere Bündnisse halten.“2

Wenn schickliche Kleidung also in Wirklichkeit nach außen hin zeigt, dass wir uns innerlich einem anständigen Leben verpflichtet haben – wie entwickeln wir dann diese innere Verpflichtung?

Erstens können wir unser Verständnis davon vertiefen, wer wir sind, was unsere Bündnisse für uns bedeuten und dass unser Körper heilig ist. Und wir können uns vor Augen führen, was die wahren Beweggründe dafür sind, dass wir uns für anständige Kleidung entscheiden. Es geht darum, so zu leben, wie Gott es möchte.

Wir könnten uns zunächst die Frage stellen: „Würde ich mich mit meinem Erscheinungsbild wohlfühlen, wenn ich mich in der Gegenwart des Herrn befände?“ Ebenso können wir unsere Ausdrucksweise und unser Verhalten hinterfragen. Man kann sich die Frage stellen: „,Würde ich das sagen oder würde ich mich so verhalten, wenn der Herr da wäre?‘ Wenn Sie diese Fragen ehrlich beantworten, kann das zu bedeutsamen Änderungen in Ihrem Leben führen.“3

Carol F. McConkie, ehemals Erste Ratgeberin in der Präsidentschaft der Jungen Damen der Kirche, hat gesagt:

„Durch Anstand, der sich in Kleidung, Erscheinungsbild, Gedanken und Verhalten zeigt, bezeugen wir dem Herrn, dass wir ihn ehren und uns an den Bündnissen ‚erfreuen‘, die wir durch heilige Handlungen des Priestertums eingegangen sind. …

Jede Entscheidung im täglichen Leben – was wir anziehen, was wir sagen, was wir denken, was wir uns anschauen, welche Musik wir zuhause hören, welche Medien wir in unseren Sinn und in unser Herz dringen lassen und wie wir uns in Gesellschaft verhalten und auch wenn wir allein sind – all das spiegelt wider, inwieweit wir unseren Bund in Ehren halten.“4

Wir können uns so sehr auf einen Aspekt von Anstand konzentrieren, dass wir gar nicht darauf achten, ob wir auf andere Weise vielleicht gar nicht anständig sind. Mal abgesehen von unserer Kleidung – was sehen, lesen, hören oder sagen wir und worüber scherzen wir mit unseren Freunden? Man kann äußerlich anständig sein, innerlich aber immer noch unanständig.

Es gibt viele Verhaltensweisen, von denen wir vielleicht gar nicht merken, dass sie mit dem Grundsatz Anstand unvereinbar sind. Darunter fallen tratschen, andere verurteilen oder ausschließen, anmaßend sein oder angeben, fluchen oder rohe Ausdrücke gebrauchen, sich in der Öffentlichkeit extrem oder unangebracht verhalten oder neidisch sein. Diese Eigenschaften und Verhaltensweisen verstoßen gegen Gebote über den Grundsatz Anstand hinaus, wie etwa das Gebot, den Nächsten zu lieben oder nicht zu richten. Sie zeigen aber auch, dass es einem an Demut, Sanftmut und Verbundenheit mit Gott mangelt – und all das hängt mit Anstand zusammen.

Innerer Anstand mag für uns ein neuer Gedanke sein, aber wir können daran arbeiten, unsere Denkweise zu ändern und zu erkennen, aus welchem Grund der Vater im Himmel uns auffordert, in allem anständig zu sein. Er möchte, dass wir uns auf das konzentrieren, was wir tun können, um geistig zu wachsen, anderen zu dienen, gütig zu handeln und reine Gedanken zu haben. Er möchte, dass wir unseren Körper nicht als Schmuck verwenden, sondern als Werkzeug in seinen Händen.5

Wie wir Anstand vermitteln können

Da wir nun besser verstehen, was Anstand alles umfasst, können wir anderen diesen Grundsatz auch besser vermitteln.

Wir können erklären, dass es bei Anstand darum geht, dass man sich innerlich Jesus Christus verpflichtet hat, und anderen vermitteln, wie man solche Hingabe entwickelt.

Wir können erklären, dass Anstand nicht dazu führen darf, dass wir uns wegen unseres Körpers schämen. Bei Anstand geht es nicht darum, unseren Körper zu verdecken, weil er an sich schlecht ist, denn genau das Gegenteil ist der Fall. Elder Robert D. Hales (1932–2017) vom Kollegium der Zwölf Apostel hat gesagt: „Wenn wir unseren Körper als das Geschenk ansehen, das er ist, und wenn uns bewusst ist, dass er uns helfen soll, unsere Lebensaufgabe zu erfüllen, dann schützen und ehren wir ihn dadurch, wie wir handeln und uns kleiden.“6

Wir können dafür sorgen, dass das Prinzip Anstand sowohl Jungen als auch Mädchen, Männern als auch Frauen gleichermaßen nahegebracht wird. Und wir können über die Evangeliumswahrheit sprechen, dass wir frei sind, für uns selbst zu handeln und nicht auf uns einwirken zu lassen (siehe 2 Nephi 2:26) – wenn wir also von der Unanständigkeit der Welt umgeben sind, haben wir die Macht, Selbstbeherrschung zu üben und keine unanständigen Gedanken zu pflegen. Wir können aber auch Mitgefühl mit anderen haben und alles tun, was wir können, um einander zu helfen, unsere Gedanken und Taten mit dem in Einklang zu halten, was Gott von uns verlangt.

Und schließlich können wir sagen, dass Anstand nicht dazu dienen darf, andere zu verurteilen. Im Umgang mit anderen muss an oberster Stelle stehen, dass wir sie liebhaben, willkommen heißen und annehmen, statt ihnen aufgrund ihrer Kleidung ein schlechtes Gewissen zu machen. Wenn wir stets darauf achten, dass wir anderen an erster Stelle ihren göttlichen Wert und ihr göttliches Wesen vermitteln, fangen sie ganz von allein an, Grundsätze des Anstands in ihr Leben zu integrieren – innerlich und äußerlich.

Gott verherrlichen

Wenn wir uns darauf konzentrieren, im Inneren anständig zu sein, können wir den Einfluss des Heiligen Geistes besser verspüren. Elder Hales hat erklärt: „Anstand zu haben bedeutet, demütig zu sein; und wenn wir demütig sind, laden wir den Heiligen Geist ein, mit uns zu sein.“7 Der Geist kann uns wissen lassen, was wir anziehen, was wir sagen und was wir tun müssen, um in jeder Hinsicht anständig zu bleiben.

Petrus hat das so formuliert: Wir „aber [sind] ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit [wir] die großen Taten dessen verkünde[n], der [uns] aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat“ (1 Petrus 2:9). Durch anständiges Verhalten und ein schickliches Erscheinungsbild verherrlichen wir Gott. Es geht nicht bloß um unsere Kleidung – es geht auch darum, wie wir das Werk, zu dem wir berufen sind, verkörpern.

Natürlich ist Jesus Christus unser vollkommenes Beispiel dafür, wie man in allen Lebensbereichen sanftmütig und bescheiden ist. Er weist immer auf seinen Vater als Quelle seiner Macht hin, nicht auf sich selbst. Er verherrlicht Gott in allem, was er tut und was er ist. Und genau darum geht es bei Anstand wirklich.