2023
Eine Vision vom Frieden durch gemeinsames Musizieren
Juli 2023


Eine Vision vom Frieden durch gemeinsames Musizieren

Tirol (RHS): So schwierig es auch auf politischer und gesellschaftlicher Ebene erscheint, Vertreter unterschiedlicher Kulturen und Weltanschauungen in Gemeinschaft und Freundschaft zu vereinen, gelingt dies dennoch auf dem Gebiet der Musik. Bruder Julian Egger aus der Gemeinde Innsbruck setzte diese Vision von Einheit trotz Verschiedenheit mit einer Komposition um, die am 10. Juni 2022 im Rahmen der Langen Nacht der Religionen in der Innsbrucker Auferstehungskirche uraufgeführt wurde. Bruder Egger hat im Rahmen seines Musikstudiums eine wissenschaftliche Arbeit über Musik und interkulturelles Lernen verfasst und sorgte als Dirigent für die Harmonie der Stimmen und Instrumente eines Chors und Orchesters, das sich aus Angehörigen unterschiedlicher Religionen zusammensetzte.

Geplant wurde das „Klang und Stille in den Religionen“ genannte Projekt innerhalb der Multireligiösen Plattform, der Julian Egger als Leiter für Kommunikation in Tirol angehört. Sie setzt sich zusammen aus der Alevitischen Glaubensgemeinschaft, der Altkatholischen Kirche, der Buddhistischen Religionsgemeinschaft, der Evangelischen Kirche, der Bosniakischen Kulturgemeinde Süd-West der IGGÖ, der Israelitischen Kulturgemeinde für Tirol und Vorarlberg, der Katholischen Kirche, der Neuapostolischen Kirche, der Serbisch-orthodoxen Kirche und der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Als Textgrundlage dienten Psalmenverse (Ps. 42:7-9) und buddhistische Mantras.

Redaktion: Wie ist es zu diesem Projekt gekommen?

Julian: „Das Projekt ‚Klang und Stille in den Religionen‘ wollten wir als Multireligiöse Plattform bereits im Frühling 2020 umsetzen, aber dann kam ja Corona und wir mussten die Lange Nacht der Religionen in Innsbruck absagen. Das Jahr drauf haben wir irgendetwas anderes gemacht, da wir auch nicht wussten, ob diese Veranstaltung stattfinden würde. Da wir aber dann im Jänner 2022 alle das Gefühl hatten, wieder etwas Größeres planen zu können, haben wir erneut das Thema ‚Klang und Stille‘ gewählt.

Ich war in den Sitzungen dabei und mein Vorschlag aus dem Jahr 2020, ein gemeinsames Musikstück aufzuführen, wurde von der Plattform angenommen. Viele waren sehr offen für diese schöne Form der Kooperation und fanden es sehr interessant, in ihrer Tradition zum Thema Klang und Stille einen bis zwei musikalische bzw. künstlerische Beiträge zu leisten und zusätzlich mit allen Musikerinnen und Musikern des Abends etwas Neues aufzuführen. Ich habe natürlich, je näher der Termin rückte, mehr und mehr vorsichtige Ratschläge bekommen, so ein Mega-Projekt doch nicht zu machen oder es zumindest nicht so aufwendig zu gestalten. Mir lag aber viel daran, diese Idee umzusetzen, da mir das gemeinsame Musizieren mit anderen Religionsgemeinschaften als etwas unbeschreiblich Wichtiges erscheint, um interkulturell voneinander zu lernen – ein Thema, mit dem ich mich auch schon in meiner Diplomarbeit beschäftigt habe.

Rein wissenschaftlich gesehen, war ich also ideal vorbereitet, denn in meiner empirischen Forschung konnte ich sehen, dass gemeinsames Musizieren beispielsweise einen so starken Einfluss auf die israelisch-palästinensische Gesellschaft hat, dass dadurch sogar Konflikte abgelegt werden und sogar der allgegenwärtige Krieg beendet werden kann. Das gemeinsame Musizieren schafft bei den aktiv Beteiligten und auch bei den passiv Zuhörenden eine Einigkeit, die ihnen hilft, sich gegenseitig zu schätzen, zu achten und eine Verbundenheit aufzubauen. Dies gelingt durch die Musik intensiver als durch irgendeine andere Aktivität. Musizierende sind in einer solchen gemeinsamen Aufführung so eng miteinander verbunden, dass sie sich mehr als nur als Freunde bezeichnen können. Auch das Publikum erlebt eine ähnliche Verbundenheit mit den Musizierenden.“

Redaktion: Wie hat der Herr dich während dieser Arbeit begleitet?

Julian: „Wie gesagt, ich hatte eine Art Vision vom gemeinsamen interreligiösen Musizieren. Es war für mich ganz klar, was zu tun ist. So bekam ich mehr und mehr Ideen, wie ich dieses Musikstück komponieren sollte. Ich lernte über YouTube zufällig ein neues Instrument kennen, die Crotales, die ich noch nicht gekannt hatte. Als ich sie aber sah und hörte, wusste ich sofort, dass ich sie für meine Komposition brauchte.

Ich habe auch die Instrumente der Religionen mit einbezogen, die für diesen Abend aus ihrer Tradition spielen sollten, und jeden Einzelnen kontaktiert und gefragt, ob er sich an einer gemeinsamen Uraufführung dieses Werkes beteiligen würde. Überraschenderweise hat es wunderbar funktioniert, dass aus jeder der anwesenden Religionen, die einen eigenen Beitrag erstellt hat, mindestens eine Person im interreligiösen Musikstück mitspielte.

Neben Beruf und Familie habe ich immer eine Lücke gefunden, meistens am Abend, als die Kinder schliefen, an der Komposition zu arbeiten. Ich habe durchs Studium am Mozarteum vieles über das Notensetzen, Arrangieren und Komponieren lernen dürfen und konnte so relativ schnell die Ideen, die ich zum Beispiel während einer Autofahrt vom Tempel nach Hause erhielt, notieren und weiter in eine Struktur einbauen.

Auch die Musik, die in der Endowment-Session gespielt wurde, hat mich besonders inspiriert. Das war so schön, dass ich einen besonderen Einfall hatte, als ich mit dem Auto wieder nach Hause fuhr. Ich habe dann einfach eine Sprachnachricht an meine Frau mit der gesungenen Melodie geschickt, um die Melodie und die Phrasen nicht zu vergessen.

Ich fühle: Der Herr ist an meiner Seite. Er hat im Grunde alles in die Wege geleitet, sodass ich ein Werkzeug in seinen Händen sein kann.“