2002
Russisches Duett
Oktober 2002


Russisches Duett

Während der Zeit, wo ich als Arbeiter im Stockholm-Tempel in Schweden diente, ging ich am Ende einer Woche, in der viel zu tun gewesen war, in die Waschküche des Gästehauses, um einige Kleidungs-stücke zu waschen. Als ich die Waschmaschine belud, pfiff ich, ohne es recht zu merken, eines meiner Lieblingskirchenlieder vor mich hin: „Hoch auf des Berges Höhn“ ( Gesangbuch, Nr. 4). Dieses Lied und die Anspielung darin auf Menschen in einem weit entfernten Land, die das Evangelium hören und dem Herrn dienen, hat mir schon immer sehr gut gefallen. Ich hatte nämlich von jeher das Gefühl, dass dieses Lied auf mich gemünzt sei, weil ich in Dänemark geboren wurde, wo ich mich zum Evangelium bekehrte. Als ich 14 Jahre alt war, wanderte unsere Familie dann nach Utah aus.

Während ich so meiner Arbeit nachging, kam ein Bruder aus Russland herein, der in derselben Woche den Tempel besucht hatte. Da hörte ich auf zu pfeifen. Er fing aber sofort an, dasselbe Lied zu pfeifen, das ich gepfiffen hatte. Dann hielt er inne und deutete auf mich. Ich pfiff die Melodie von da an weiter, wo er aufgehört hatte.

Er fing dann wieder an, das Lied von vorne zu pfeifen, deutete auf mich und hielt inne. Keiner von uns beiden konnte die Sprache des anderen sprechen, deshalb mussten wir uns mit Gesten verständlich machen. Aber ich verstand, was er wollte, und fing auch an, den Liedanfang zu pfeifen. Er pfiff dann die zweite Stimme zu meiner Melodie.

Da standen wir uns also gegenüber – ein Russe und ein Amerikaner – und pfiffen zweistimmig eines der schönsten Kirchenlieder der Wiederherstellung. Wir hatten das Lied noch nicht zu Ende gepfiffen, als uns die Tränen in die Augen stiegen. Schließlich konnten wir nicht mehr weiterpfeifen. Wir umarmten einander und er sagte die einzigen englischen Wörter, die ich von ihm hörte: „Russisches Duett.“

Ich glaube, wir empfanden beide eine überwältigende Dankbarkeit für das Evangelium Jesu Christi, das alle kulturellen und geografischen Schranken niederreißt. Unser Glaube und unser Engagement haben es möglich gemacht, dass wir, die beide aus verschiedenen, weit entfernten Ländern stammten, uns in einem dritten Land als Brüder im Evangelium betrachten und gemeinsam einen Augenblick der Freude erleben konnten. Wie heißt es doch so schön in dem Lied: „Hoch auf des Berges Höhn sieht man ein Banner wehn; ihr Völker, schaut hinauf, mög alle Welt es sehn!“

Swen Nielsen und seine Frau, Shirlene, haben im Juni 2001 ihre Mission im Stockholm-Tempel beendet. Sie gehören zur Gemeinde Slate Canyon 4, Provo, Utah.