2004
Alles wohl
Juli 2004


Alles wohl

Ich habe das Lied „Kommt, Heilge, kommt“ ( Gesangbuch , Nummer 19) in einem kleinen Tabernakelbau aus Stein im Süden Idahos, wo ich aufgewachsen bin, kennen gelernt. In jenem kleinen Tabernakel, das die ortsansässigen Mitglieder der Kirche Ende der Achtzigerjahre des neunzehnten Jahrhunderts aus Lavagestein errichtet hatten, befand sich ein ähnliches Podium, wie es heute üblich ist, mit einer Orgel im Hintergrund, die der schönen Orgel im Tabernakel auf dem Tempelplatz ähnlich, aber etwas kleiner war. Wenn wir in diesem kleinen Tabernakel das Lied „Kommt, Heilge, kommt“ von William Clayton sangen, kam es mir vor, als trieben der Geist und die Gewalt der Musik das Dach in die Höhe. Das lag an der Kraft, dem Glauben und dem Zeugnis der Mitglieder.

Der Vater von William Clayton war Lehrer, und William hatte eine gute Ausbildung genossen. Er konnte gut schreiben und gut mit Zahlen umgehen und Berichte führen. Die Missionarsgruppe um Heber C. Kimball unterwies und taufte ihn in der Anfangszeit der Kirche in England. Sie lernten ihn rasch kennen und schätzen, weil er so gebildet war und so gut schreiben konnte. Er war einfach ein kluger junger Mann, 23 Jahre alt. Bald wurde er in der kleinen Organisation, die die Kirche dort hatte, als Sekretär, als Schreiber, als Buchhalter eingesetzt.

Er und seine Frau wollten nach Nauvoo ziehen, und so fuhren sie nach Amerika. In Nauvoo lernte er den Propheten Joseph Smith und die übrigen Führer der Kirche kennen. Sie gaben ihm interessante Aufgaben, da er so schön schreiben konnte. Er kannte sich auch mit der Rechtschreibung gut aus. Einen solchen jungen Mann konnten sie gut gebrauchen.

Alles ist wohl – wenn wir unser Bestes gegeben haben

Nach dem Märtyrertod des Propheten schloss sich William Clayton der Abteilung von Brigham Young an. Sie waren im Februar aufgebrochen; inzwischen war es April. Sie mühten sich langsam mit den Wagen und den Pferden und Ochsengespannen über die Felder und durch den Regen und den Schlamm in Iowa und waren entmutigt. Sie kamen kaum voran, einige starben, und Kinder kamen zur Welt. Sie zogen langsam weiter, nur wenige Meilen am Tag.

Unter diesen Umständen schrieb William Clayton: „Kommt, Heilge, kommt! Nicht Müh und Plagen scheut.“ Sie hatten es nicht leicht. Sie waren entmutigt. „Wandert froh euern Pfad! Ob rau und schwer der Weg erscheinet heut, jeder Tag bringt euch Gnad!“ Er spornte sie dazu an, nicht aufzugeben, sondern zu hoffen, ihre Lage werde sich bessern.

Dann schrieb er diese wundervollen Zeilen: „Es liegt der Ort, den Gott für uns bestimmt, westwärts dort, in der Fern.“ Auch wenn wir jetzt hier im Schlamm stecken, wird das doch einmal alles anders werden. Wenn wir Mut und Glauben haben, wird der Herr unser Beten erhören, alles wird sich erfüllen. Das machte den Pionieren Hoffnung und Mut. „Es liegt der Ort, den Gott für uns bestimmt, … in der Fern, wo nichts uns stört, nichts uns den Frieden nimmt“ – mitreißende, inspirierende Worte.

Und dann die letzte Strophe: „Und trifft uns Tod, bevor wir sind am Ziel: Tag des Heils, nicht geweint!“ Wenn wir also sterben, haben wir doch unser Bestes gegeben. Eines Tages sterben wir, das wissen wir alle. Also: Tag des Heils, nicht geweint!“

„Doch wenn uns Leben wird gewährt und mit den Heilgen Ruh beschert.“ Wir werden sehen, ob die Wagenräder durchhalten oder die Reifen von den kleinen Handkarren abspringen, und wenn wir durch Beten unseren Mut und unsere Kraft behalten, werden wir zum Ziel gelangen. „Wenn uns Leben wird gewährt und mit den Heilgen Ruh beschert.“ Wenn wir ankommen, ist „alles wohl“. Alles ist wohl, wenn wir zum Ziel gelangen und den Mut haben, es zu schaffen.

Alles ist wohl – wenn wir rechtschaffen leben

William Clayton schrieb in sein Tagebuch: „Ich habe ein neues Lied komponiert – ‚Alles wohl‘!“ ( William Clayton’s Journal , 1921, Seite 19.) Ich mag den ursprünglichen Titel „Alles wohl, alles wohl!“ So verläuft das Leben, wenn wir so leben, wie wir leben sollen. Wir haben die Richtschnur, wir wissen, wie es geht, wir haben die Informationen, und wenn wir es schaffen und unser Leben verschont bleibt, dann können wir singen: „Alles wohl, alles wohl!“ Dieses Lied ist so etwas wie die „Nationalhymne“ der Kirche.

Mein Großvater, Horton David Haight, war 15, als die zweite Abteilung im Tal ankam, die Abteilung, die der Abteilung von Brigham Young folgte, also wird er wohl zu Fuß über die Prärie gegangen sein. Wenn wir also singen, dass wir „jeden Schritt im Glauben“ gehen – ich habe einen Großvater, der das getan hat. Mit 15 fuhr man nicht im Wagen mit, sondern man war draußen, wo die Arbeit war, wo die Pferde und die Ochsen angetrieben werden mussten und wo man alles tat, was es zu tun gab. Und das Mädchen, das er später heiratete, Louisa Leavitt, wurde 11, als ihre Familie im Tal ankam. Also ist auch meine Großmutter den Weg zu Fuß gegangen.

Wir haben also ein großes Vermächtnis, und ich möchte Ihnen allen sagen, dass die Kirche eine wundervolle Zukunft vor sich hat, wie unser Prophet es aufgezeigt hat. Aber all dies hängt davon ab, wie wir leben, wie wir die uns bekannten Wahrheiten annehmen, wie wir nach den Grundsätzen des Evangeliums leben und was für ein Vorbild wir den Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten und mit denen wir zu tun haben, sind.

Alles ist wohl – wenn wir dem Glauben treu bleiben

Als ich etwa 12 Jahre alt war, spielte ich gern Baseball. Wir hatten kein Sportzeug zu Hause – nur einen alten Baseballhandschuh. Ich dachte, der größte Augenblick meines Lebens käme, wenn ich einmal für die New York Yankees Baseball spielte. Ich hatte vor, in der Meisterschaft für sie zu spielen, wenn es drei zu drei stand. Und wer sollte dann, im entscheidenden Spiel, Schläger sein? Der Werfer, das wusste ich, würde den Ball genau dorthin werfen, wo ich ihn haben wollte, und ich würde ihn weit über das Stadion der Yankees hinaus schlagen und der Held der ganzen Liga sein. Ich dachte, das würde der größte Augenblick meines Lebens. Aber ich muss Ihnen sagen, dass dem nicht so war.

Vor ein paar Jahren saß ich mit meiner Frau Ruby im Los-Angeles-Kalifornien-Tempel in einem kleinen Siegelungsraum. All unsere Söhne waren mit ihrer Frau da – sie waren noch nicht lange verheiratet – und unsere liebe Tochter kniete am Altar und hielt die Hand des jungen Mannes, an den sie gesiegelt werden sollte. Ich sah mich in dem Raum um, und da wurde mir bewusst, dass dies der größte Augenblick meines Lebens war, weil sich in dem Raum alles befand, was mir kostbar war – alles. Meine Frau war dort, meine große ewige Liebe und Partnerin. Unsere drei Kinder waren mit ihren Partnern für die Ewigkeit dort. Und ich dachte: „David, in deiner Jugend hattest du völlig falsche Vorstellungen. Du hast gemeint, irgendein weltliches Ereignis könnte das größte deines Lebens sein.“ Aber jetzt war ich Zeuge dieses großen Ereignisses. Ich war dort, ich spürte es, ich war ein Teil davon, und ich wusste, dass in dem kleinen weißen Siegelungsraum – dem reinen, schönen Raum –, als ich mit meiner ganzen Familie dort war, der größte Augenblick meines Lebens gekommen war.

Ich mag Sie alle sehr und bezeuge Ihnen, dass dieses Werk wahr ist. Wir Heiligen der Letzten Tage müssen dem Glauben, zu dem wir uns bekennen, treu bleiben. Treu! Dem aufwühlenden Zeugnis, das wir erhalten haben, treu. Treu auch ihm, dessen Namen wir auf uns genommen haben, dessen Leben wir nacheifern, von dem wir künden und dessen Werk wir mit verbreiten.

Nach einer Ansprache anlässlich der Herbst-Generalkonferenz 1997.