2004
Eine Million in Mexiko
Juli 2004


Eine Million in Mexiko

Die Mitglieder in Mexiko erreichen einen historischen Meilenstein und ihr Glaube und ihr Beispiel beeinflussen immer mehr Menschen in ihrem Land.

Falls es nicht schon geschehen ist, wird Mexiko irgendwann in diesem Jahr das erste Land neben den Vereinigten Staaten sein, das die historische Marke von 1 000 000 Heiligen der Letzten Tage überschreitet.

Das Erreichen dieses Meilensteins spiegelt das Wachstum der Kirche in den letzten Jahren in Mexiko und im übrigen Mittelamerika sowie in Südamerika wider. Das Evangelium wird in Mexiko zwar schon seit über 100 Jahren verkündet (siehe „Wichtige Ereignisse für die Kirche in Mexiko“, Seite 42), doch das Wachstum der Kirche beschleunigte sich erst in den Fünfziger- und in den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts. Als Spencer W. Kimball 1978 der zwölfte Präsident der Kirche wurde, gab es weltweit nur etwas mehr als 3,3 Millionen Mitglieder. Heute gehören allein in Mexiko und im übrigen Lateinamerika mehr Menschen der Kirche an.

Viele Mitglieder bezeugen, dass dieses Wachstum die Erfüllung von Prophezeiungen und die Antwort auf die Gebete der Rechtschaffenen ist. Sie sind sehr dankbar für die Segnungen, die mit dem Wachstum einhergehen. Beispielsweise mussten die mexikanischen Mitglieder jahrzehntelang in die USA reisen, um in einen Tempel gehen zu können. Sie waren begeistert, als 1983 der Tempel in Mexiko-Stadt geweiht wurde. Heute gibt es in Mexiko 12 Tempel, 20 Missionen und 199 Pfähle.

Die Mitglieder der Kirche gehören sämtlichen Gesellschaftsschichten an, angefangen bei qualifizierten Fachkräften in der Metropole Mexiko-Stadt bis hin zu Bauern und Arbeitern in abgelegenen ländlichen Gegenden. Sie alle verbindet das Zeugnis von Jesus Christus und der Wunsch, anderen so zu dienen, wie er es gebietet. Es ist nicht möglich, die Vielfalt der Heiligen der Letzten Tage in Mexiko in Worte oder Bilder zu fassen, doch das Folgende bietet einen kleinen Einblick in das Leben einiger Mitglieder, die stellvertretend für alle stehen.

Die Hochzeit, nach der sie sich sehnten

Der Tempel in Monterrey steht gut sichtbar auf einer Anhöhe neben einer großen Fernverkehrsstraße. Man kommt nicht daran vorbei, ohne das majestätische Gebäude und die angrenzenden Anlagen zu bemerken. Als Román und Norma Rodríguez zum ersten Mal am Tempel vorbeifuhren, sahen sie Plakate, auf denen Tage der offenen Tür angekündigt waren. Sie fühlten sich von dem Gebäude angezogen und hielten an, um es mit ihren Kindern zu besichtigen.

Sie waren schon 15 Jahre zuvor standesamtlich getraut worden und planten nun, als Eltern von drei Kindern, die eindrucksvolle kirchliche Trauung, die sie nie gehabt hatten. Doch bei ihrem Besuch in dem Tempel in Monterrey spürten sie etwas, was sie noch nie gespürt hatten. Román konnte sich diesen Frieden und die Freude nicht erklären. Norma spürte es ebenfalls. Sie beschlossen, mehr über die Lehren der Kirche zu erfahren, die diesen Tempel errichtet hatte. Sie gaben ihren Namen an und baten darum, von Missionaren besucht zu werden.

„Ich erinnere mich noch, wie wir uns auf die andere Hochzeit vorbereitet haben“, erzählt Schwester Rodríguez. „Ich war mir nicht sicher, ob wir das Richtige taten. Ich bat den Herrn, mir zu helfen, und ich meine, meine Gebete wurden beantwortet, als wir von der ewigen Ehe erfuhren.“

Am 15. Mai 2003 kehrten Bruder und Schwester Rodríguez sowie ihre Tochter und ihre zwei Söhne nur ein Jahr und acht Tage nach ihrer Taufe zum Haus des Herrn zurück, um so zu heiraten, wie sie es sich ersehnten – die Familie wurde für die Ewigkeit gesiegelt. Sie gehören zur Gemeinde Santo Domingo im Pfahl San Nicolás in Mexiko. Román ist der Ältestenkollegiumspräsident und Norma ist für mehrere Besuchslehrbezirke zuständig. Die Kinder – Vanessa, 14, Román, 11, und Omar, 9 – nehmen sehr gern an der PV, den Programmen für die Jugendlichen und den anderen Aktivitäten der Gemeinde teil.

Bruder Rodríguez und seine Frau können von geistigen Erlebnissen berichten, die ihnen erneut bestätigt haben, dass es richtig war, sich der Kirche anzuschließen. Früher, so sagt Bruder Rodríguez, seien sie mehr an Weltlichem interessiert gewesen. Nun haben sie tiefe Einblicke und geistige Erkenntnis. „Auf einmal passt alles zusammen“, sagt er.

Wie es früher war

Viele Pioniere der Kirche aus verschiedenen Teilen Mexikos berichten Ähnliches: Jahre der Isolation, manchmal auch Verfolgung, langsames Wachstum und in jüngerer Vergangenheit – seitdem die Mitglieder der Kirche in der mexikanischen Gesellschaft besser wahrgenommen werden – Akzeptanz und Respekt.

Francisco Magdaleno und seine Frau Estela aus der Gemeinde Las Aguilas im Pfahl Moctezuma in Guadalajara haben sich Mitte der Sechzigerjahre taufen lassen. In ihrer Heimat gibt es in Sachen Religion tief verwurzelte Traditionen. Zunächst wollten die Nachbarn wenig mit ihnen und ihrer Religion zu tun haben. Doch die Magdalenos lebten einfach weiter nach ihrem Glauben und bemühten sich nach besten Kräften um gute Beziehungen zu ihren Mitmenschen. Das Ehepaar und seine drei Kinder waren alle in Mexiko auf Mission. Die Magdalenos haben erlebt, wie sich schließlich Nachbarn an sie gewandt haben, um ihren Rat in religiösen Fragen einzuholen.

Sixta María Martínez aus der Gemeinde Aeropuerto im Pfahl Centro in Mérida ließ sich 1974 mit 62 Jahren taufen. Sie entwickelte bald großes Interesse für die Tempelarbeit und unternahm mehrere lange Reisen von Süd-Mexiko zum Tempel in Mesa in Arizona. Sie hat sich besonders darüber gefreut, dass sie später auch den Tempel in Salt Lake City besuchen konnte. Im Laufe der Jahre hat Schwester Martínez für fünf vorangegangene Generationen ihrer Familie die heiligen Handlungen im Tempel vollziehen lassen. Schließlich durfte sie erleben, dass nur wenige Kilometer von ihr entfernt in Mérida ein Tempel errichtet wurde. Mit 92 Jahren bemüht sie sich, einmal pro Woche dorthin zu gehen. „Das bereitet mir die größte Freude. Es ist mein Leben“, sagt sie.

Amalia Estrada Catero aus der Gemeinde Narvarte im Pfahl Ermita in Mexiko-Stadt ist in der Kirche aufgewachsen. Ihre Großeltern hatten sich Ende des 19. Jahrhunderts taufen lassen. Doch in Amalias Jugendzeit waren sie und ihre Familie die einzigen Mitglieder in ihrer kleinen Heimatstadt. Schwester Estrada konnte sich erst vollständig am Kirchenleben beteiligen, als sie 1956 mit Mitte 30 nach Mexiko- Stadt zog. 1963 besuchte sie auf einer Tempelfahrt nach Mesa zum ersten Mal den Tempel. Jetzt geht sie so oft wie möglich in den nicht weit entfernten Tempel in Mexiko-Stadt. Schwester Estrada, die ausgebildete Lehrerin ist, hat in allen Hilfsorganisationen der Kirche unterrichtet und war auch FHV-Leiterin. Solange sie noch in ihrer Heimatstadt war, war es nicht leicht, einen anderen Glauben zu haben als die meisten anderen. Doch jetzt erlebt auch sie, dass Nachbarn sie fragen, wie sie ein besseres Leben führen können. Ein junger Mann drückte sich nach einem Besuch bei ihr so aus: „Ich habe mit einer wahren Lehrerin gesprochen.“

Die Pfähle werden gestärkt

„Ich habe meinem Mann erst vor kurzem gesagt, wie gesegnet unsere Kinder doch sind“, sagt María Hernández de Martínez aus der Gemeinde Huitzilzingo aus dem Pfahl Chalco. Sie hat sich zum Evangelium bekehrt und ist sehr dankbar für die Siegelung im Tempel und für alle Segnungen, die das Evangelium ihrer Familie bringt.

Ihr Mann Isaías sagt: „Immer wenn ich die Fotos meiner Großeltern betrachte, spüre ich große Dankbarkeit dafür, was sie als Mitglieder der Kirche getan haben.“ Sie hatten sich in den Vierzigerjahren taufen lassen. Isaías’ Großvater und auch sein Vater haben als örtliche Priestertumsführer gedient. Bruder Martínez, der mit 25 als Bischof berufen wurde, ist zurzeit Pfahlsekretär.

Von Beruf ist er Elektroingenieur; seine Frau ist gelernte Erzieherin. Er sagt, in gewisser Weise sei seine Familie ein Beispiel dafür, was viele Mitglieder erreicht haben, weil Großeltern und Eltern alles daran gesetzt haben, ihren Nachkommen eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Daher sind viele der heutigen Führer der Kirche in Mexiko in ihrem Heimatort ein leuchtendes Beispiel dafür, dass man selbst vorankommt, wenn man sich an die Grundsätze des Evangeliums hält.

Armando und Claudia Galíndez aus der Gemeinde Estrella im Pfahl Churubusco in Mexiko-Stadt stehen auch dafür. Er ist Anwalt und Inhaber einer Firma, die anderen Firmen Personalschulungen anbietet. Seine Frau, die eine kaufmännische Ausbildung in der Tourismusbranche hat, arbeitet mit ihm zusammen. Bruder Galíndez ist in Mexiko erfolgreich und widersteht der Verlockung, weiter nördlich noch mehr Geld verdienen zu können. Er hätte zwar gute Aussichten, auch in den Vereinigten Staaten geschäftlich Fuß zu fassen, doch er bleibt lieber in seinem Heimatland, um beim Aufbau der Kirche mitzuhelfen. Er sagt, er wolle dazu beitragen, dass Präsident Spencer W. Kimballs Traum von der Rolle der Mitglieder in der mexikanischen Gesellschaft (siehe „Präsident Kimballs Traum“, Seite 36) in Erfüllung geht.

Armando und Claudia haben sich und den zukünftigen Kindern noch vor ihrer Hochzeit Ziele gesetzt, die auf dem Evangelium beruhen. Bruder Galíndez verwendet auch in seinen Schulungen Evangeliumsgrundsätze, beispielsweise: „Um vom Gewöhnlichen zum Außergewöhnlichen gelangen zu können, müssen wir lediglich erkennen, wer wir sind.“

Wie anderswo in der Welt wenden sich auch in Mexiko manche Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage einige Wochen oder Jahre nach ihrer Taufe vom Glauben ab. Manche kehren nie zurück. Dennoch können einige Priestertumsführer bestätigen, dass es sich auszahlt, wie Präsident Gordon B. Hinckley es sagt, dafür zu sorgen, dass jedes Mitglied einen Freund und eine Aufgabe in der Kirche hat und durch das Wort Gottes geistig genährt wird. Auf diese Weise kann man so manchen einbeziehen und zurückgewinnen, der sich nicht am Kirchenleben beteiligt. Manche Mitglieder kehren auch von selbst zurück, wenn eine Einflüsterung oder ein geistiger Einblick sie daran erinnert, wie viel das Evangelium ihnen bietet.

Yolanda Elsie Díaz de Vega aus der Gemeinde Jardines im Pfahl Reforma in Guadalajara kann sich noch erinnern, wie sie in der Zeit nach ihrer Taufe 1979 abends immer mit ihrem Mann lang aufgeblieben ist, um sich mit dem Evangelium zu beschäftigen: „Wir hungerten förmlich nach den heiligen Schriften.“ Doch sieben Monate nach ihrer Taufe fühlte sie sich von einem alteingesessenen Mitglied zu Unrecht kritisiert und beschloss, die Versammlungen nicht mehr zu besuchen. Vier Jahre lang gingen die Vegas nicht zur Kirche, bis sie schließlich die Sorge wegen der Segnungen, die der Familie deswegen entgingen, zurücktrieb.

Das Ehepaar ist nun seit vielen Jahren aktiv und lässt seine Kinder, die Gemeinde und seine Nachbarn an seiner Stärke teilhaben. Man wird sehr gesegnet, wenn man lernt, wie man eine bessere Ehe führt und anderen dient, sagt Bruder Vega. Das Evangelium habe die Denkweise und den Lebensstil der Familie verändert. Die Kinder sind mit dem Evangelium aufgewachsen und nun eröffnen sich den Enkelkindern die gleichen geistigen Möglichkeiten, weil sie in der Kirche aktiv sind. „Ich bin stolz auf unsere Kinder, weil wir uns nie Sorgen machen mussten, ob die Leute wussten, dass wir der Kirche angehören“, sagt Schwester Vega. Ihre vier Kinder sagen, dass sie aufgrund des Beispiels ihrer Eltern nach dem Evangelium leben.

Auch andere sollen gesegnet werden

Der elfjährige Samuel Briones aus der Gemeinde Primavera im Pfahl Moctezuma in Guadalajara weckte das Interesse seiner Lehrerin, als er sie zu den Tagen der offenen Tür im Guadalajara-Tempel einlud. Nachdem sie den Tempel besichtigt hatte, begann sie, sich mit den Missionaren zu treffen. Der Karatelehrer von Samuel und seinem zwölfjährigen Bruder José Julio wurde aufgrund seines Umgangs mit den zwei Jungen auf das Evangelium aufmerksam. Er ließ sich taufen und ist nun Pfahl-Führungssekretär.

„Viele sind auf der Suche nach der Wahrheit, wissen aber nicht, wo sie zu finden ist“, sagt José Julio senior, der Vater der Jungen. Es sei nicht schwer, anderen zu erzählen, was wir glauben, wenn wir als Mitglieder für den Heiligen Geist empfänglich genug sind, ihre Bedürfnisse zu erkennen, meint Bruder Briones. Seine Frau Josefina hat die Erfahrung gemacht, dass die Samen, die wir pflanzen, zwar Zeit brauchen zu keimen, dann aber schnell wachsen. Sie hatte mit einem Ehepaar über das Evangelium gesprochen, das interessiert zu sein schien, aber wegen terminlicher Schwierigkeiten ihre Einladung zur Kirche stets ausschlug. Als es ihnen schließlich doch möglich war, Josefina zu den Versammlungen zu begleiten, war sogar sie überrascht, wie bereitwillig und rasch das Paar das Evangelium annahm.

Mauro Gil aus Mérida, der von 1999 bis 2002 Präsident der Mexiko-Mission Torreón war, meint, das Beispiel der Mitglieder wirke sich wahrscheinlich am meisten darauf aus, wie die Missionare empfangen werden. Im Hinblick auf den Einfluss vorbildlicher Mitglieder sagt er: „Ich glaube, das Evangelium wird aus Mexiko ein besseres Land machen.“ Er hat erlebt, wie sich die Lebensumstände der Mitglieder auf der Halbinsel Yucatán nicht nur in geistiger, sondern auch in zeitlicher Hinsicht in den letzten 20 Jahren stetig verbessert haben, weil sie sich an Grundsätze des Evangeliums gehalten haben, unter anderem an das Gesetz des Zehnten.

Die Tempel in Mexiko sind seiner Meinung nach nur ein sichtbares Symbol für den Erfolg und den Fortschritt der Mitglieder. „Sie werden viel Gutes für andere Menschen bewirken. Sie werden unseren Kindern ein Segen sein.“

Die Wirkung des Tempels

Die Mitglieder, die sich noch an die Zeit wochenlanger Reisen zum Tempel in Mesa in Arizona erinnern, freuen sich, dass man nun von fast überall im Land mit dem Auto innerhalb eines Tages einen Tempel erreichen kann. Samstags sieht man auf den Parkplätzen der Tempel in Mexiko häufig zahlreiche Busse, mit denen Mitglieder aus abgelegenen Gegenden angereist sind.

Manche sind schon glücklich darüber, wenn sie mithelfen dürfen, das Haus des Herrn zu säubern. In Guadalajara verabschiedete sich Alfredo Gómez, der Zweite Ratgeber in der Tempelpräsidentschaft, von einem Mitarbeiter, der sich nach dem Putzen auf den Heimweg machte. Präsident Gómez fragte ihn, ob er müde sei. Der Mann bejahte dies, aber er fühle sich dennoch gut und er gehe gestärkt nach Hause.

„Der Tempel ist für die hiesigen Mitglieder von unschätzbarem Wert“, sagt Präsident Gómez. Einige Mitglieder aus weit entfernten Gebieten verzichten sogar auf lebensnotwendige Dinge, beispielsweise Essen, um die Reise finanzieren zu können. „Die Mitglieder wissen, dass es ihr Tempel ist. Sie machen ihn zu ihrem Eigentum, wenn sie herkommen, um an den heiligen Handlungen teilzunehmen – oder einfach, um sauber zu machen.“

Die örtlichen Priestertumsführer legen ihnen diese Arbeit ans Herz und unterstützen sie dabei, erklärt er. „Wenn ich das so sagen darf: Präsident Hinckley wollte die Tempel zu den Mitgliedern bringen, und dann die Mitglieder in den Tempel.“

In ganz Mexiko genießen die Mitglieder die Gottesverehrung im Tempel und die Segnungen, die sich daraus ergeben. Von Matamoros und Ciudad Victoria bis nach Mazatlán und Guaymas, von Puebla und Campeche bis nach Acapulco gibt es Mitglieder, die sich an den Segnungen des Tempels erfreuen, ohne dafür weit reisen zu müssen.

In Monterrey musste beim Bau des Tempels viel Widerstand überwunden werden. Und dennoch gibt es Mitglieder, die bezeugen, dass sie ihn im Traum gesehen und gewusst haben, dass es einen Tempel in Monterrey geben würde, erzählt Tempelpräsident Eran A. Call, der von 1997 bis 2000 den Siebzigern angehörte. Auch in Monterrey sprechen die Mitglieder von ihrem Tempel. Präsident Call erklärt, dass der Monterrey-Tempel ausschließlich mit ortsansässigen Tempelarbeitern, also ohne Missionare, betrieben wird. So mancher im Tempeldistrikt ist vom Geist der Tempelarbeit erfasst worden. Erst vor kurzem brachte eine Gruppe aus einem Pfahl 3000 Namen von Verstorbenen mit, für die sie die heiligen Handlungen im Tempel vollziehen wollte.

Hoffnung für die Ewigkeit

Das erste Gemeindehaus, das die Kirche in Mérida errichtete, war für die Mitglieder, die beim Bau mithalfen und auch – wie es damals noch üblich war – einen finanziellen Beitrag dafür leisteten, sehr wichtig. Saidy Castillo de Gaona aus der Gemeinde Zacil-Ha 1 im Pfahl Mérida erinnert sich: „Da wir kein Geld hatten, beglichen wir unseren Anteil mit unserer Arbeit – schwerer körperlicher Arbeit.“ Als junge Frau lernte Saidy während des Baus, wie man einen Betonmischer bedient. Außerdem lernte sie dabei ihren späteren Ehemann Noé kennen, der auf Mission berufen worden war, um bei dem Projekt mitzuhelfen.

„Als das Gebäude dann abgerissen wurde, war ich untröstlich“, berichtet sie weiter. „Doch am wichtigsten war, dass stattdessen etwas gebaut wurde, was noch wertvoller ist.“ Jetzt steht auf diesem Grundstück in Mérida der Tempel.

Als Teenager hat Saidy in einem Traum gesehen, wie sie in einem Tempel in Mérida war. „Ich wusste, dass es hier einen Tempel geben würde. Ich betete zum Herrn, er möge mich lang genug auf Erden lassen, dass ich es miterleben könnte.“

Sie und ihr Mann haben vor über 35 Jahren geheiratet. Nicht lange nach der Weihung des Tempels in Mexiko-Stadt wurden sie dort gesiegelt. Viele Jahre lang dienten sie der Kirche treu in verschiedenen Berufungen im Priestertum und in den Hilfsorganisationen. Nach der Weihung des Mérida-Tempels 2000 waren die Gaonas auch bereit, dort zu dienen; sie waren die ersten beiden Tempelarbeiter, die eingesetzt wurden.

Bruder Gaona starb Ende 2002 ganz unerwartet. An diesem Tag hatte er im Tempel gearbeitet. Saidy sagt, sie habe mit dem Verlust ihres Partners nur zurechtkommen können, weil sie wusste, dass die Ehe ewig besteht. „Ohne das Evangelium hätte ich wohl sterben wollen. Weil ich das Evangelium kenne, habe ich die Kraft weiterzumachen. Das Evangelium bedeutet mir alles. Es hat auch meinem Mann alles bedeutet.“

Um die Trauer über den schmerzlichen Verlust überwinden zu können, hat sie sich einmal mehr dem Dienen verschrieben, wie es das Evangelium verlangt. Neben der Arbeit im Tempel findet sie Trost darin, ihren fünf Kindern und den Enkeln zu helfen und ihre Berufungen in der Kirche zu erfüllen. „Ich denke, am glücklichsten bin ich, wenn ich beschäftigt bin“, sagt sie.

Das trifft vielleicht auf jedes Mitglied in Mexiko zu. Am glücklichsten scheinen diejenigen zu sein, die sich bemühen, anderen zu dienen und das Evangelium zu verbreiten. Sie helfen, vielleicht unbewusst, Tag für Tag mit, Präsident Kimballs Traum von einer lebendigen, wachsenden Kirche in Mexiko wahr werden zu lassen.

Präsident Kimballs Traum

„Als ich 1946 Mexiko besuchte, … träumte ich von Ihrem Fortschritt und Ihrer Entwicklung …

Ich sah, dass Sie nicht mehr für andere arbeiteten, sondern zu entscheiden hatten, wer verantwortungsvolle Positionen bekleiden würde …

Ich sah das Volk Lehis als Ingenieure und als Bauherren …

Ich sah, dass viele Ihrer Söhne Anwälte wurden und mithalfen, die Probleme der Welt zu lösen. Ich sah, dass Ihr Volk Unternehmen und Fabriken besaß …

Ich sah, wie Ärzte und Anwälte dafür sorgten, dass es Ihrem Volk gut ging. Ich sah junge mexikanische Männer und Frauen als begehrte Dozenten und Herausgeber von Zeitungen mit großem Einfluss auf die öffentliche Meinung. Ich sah begabte Künstler unter Ihnen …

Ich sah, wie die Kirche im Sauseschritt wuchs und dass es Gemeinden und Pfähle gab … Ich sah einen Tempel Gottes und gehe davon aus, dass Männer und Frauen und Jugendliche hineinströmen werden …

Dies alles habe ich also geträumt. Vielleicht war es eine Vision. Vielleicht hat der Herr mir gezeigt, was dieses große Volk erreichen wird.“

Präsident Spencer W. Kimball (1895–1985) bei einer Gebietskonferenz in Mexiko-Stadt 1977.

Die Anfänge in Mexiko

Bereits Mitte der Siebzigerjahre des 19. Jahrhunderts sandte Brigham Young Kundschafter nach Mexiko, die nach Orten suchten, wo man eine Kolonie gründen konnte. Sie sollten als Zuflucht vor der Verfolgung in den Vereinigten Staaten dienen und auf diese Weise sollte auch das Evangelium nach Lateinamerika gebracht werden. Die ersten Kolonisten der Kirche kamen 1885 an und schließlich wurden sieben Kolonien am Fluss Casas Grandes im Norden von Chihuahua und zwei weitere am Fluss Bavispe im Norden von Sonora gegründet.

Trotz der Schwierigkeiten, die damit verbunden waren, die Wüste zu erschließen, konnten die Kolonien einige Jahre ungestört gedeihen. 1895 wurde in Colonia Juárez der erste mexikanische Pfahl gegründet. Während der Revolution, die 1910 ausbrach, wurden die Englisch sprechenden Kolonisten aus dem Land vertrieben. Einige kehrten jedoch später zurück und forderten ihre Häuser und Grundstücke zurück. Die meisten Kolonien wurden schließlich aufgelöst, aber in Colonia Dublán und in Colonia Juárez im Norden von Chihuahua leben immer noch viele Nachfahren der ersten Siedler.

Viele Namen der Kolonisten von damals sind in der Geschichte der Kirche bekannt geworden: Bowman, Brown, Call, Eyring, Hatch, Ivins, Romney, Smith, Taylor, Turley und andere. Präsident Marion G. Romney (1897–1988), der Erster Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft war, und auch die Geschwister Camilla Eyring, die Ehefrau von Präsident Spencer W. Kimball, und Henry Eyring, der Vater von Elder Henry B. Eyring vom Kollegium der Zwölf Apostel, wurden dort geboren. Die ersten Siedler haben ihre Aufgabe, den Samen des Evangeliums zu säen, gut erfüllt. Heute gibt es in den Gemeinden des Landes weitaus mehr Mitglieder mexikanischer Abstammung als Nachfahren der nordamerikanischen Pioniere.

In Colonia Juárez steht nun ein Tempel der Kirche: Der Colonia-Juárez-Chihuahua-Tempel in Mexiko wurde 1999 geweiht.

Wichtige Ereignisse für die Kirche in Mexiko

Juli 1847: Pioniere der Kirche kommen unter der Führung Brigham Youngs im Salzseetal an, das im mexikanischen Gebiet liegt.

1874: Präsident Brigham Young beruft Daniel W. Jones, das Buch Mormon ins Spanische zu übersetzen. Das Vorhaben scheitert jedoch, weil Bruder Jones die Sprache nicht beherrscht. Der Spanier Melitón G. Trejo kommt nach Salt Lake City und hilft mit, Auszüge aus dem Buch Mormon auf Spanisch zu veröffentlichen.

6. Januar 1875: Die ersten Missionare der Kirche kommen nach Mexiko.

1876: Die Missionsarbeit wird erneut aufgenommen. Ausgangspunkt ist der Bundesstaat Sonora. Es gibt die ersten Taufen.

15. November 1879: Die ersten Missionare treffen in der Hauptstadt ein: Elder Moses Thatcher vom Kollegium der Zwölf Apostel, Melitón G. Trejo und James Z. Stewart.

November 1879: Der erste mexikanische Zweig wird gegründet. Plotino Rhodakanaty dient als Zweigpräsident.

25. Januar 1880: Mexiko wird von Elder Thatcher in einem Hotelzimmer in Mexiko-Stadt erstmals für die Missionsarbeit geweiht.

6. April 1881: Elder Thatcher weiht am Vulkan Popocatépetl das Land nochmals für die Verkündigung des Evangeliums und für die Gründung von Siedlungen. Anschließend hält er mit acht anderen an den Hängen des Vulkans die erste Konferenz der Kirche in Mexiko ab.

1885: Die ersten Siedler der Heiligen der Letzten Tage gründen sieben Kolonien in Chihuahua und zwei weitere in Sonora.

1886: Melitón G. Trejo und James Z. Stewart schließen die Übersetzung des Buches Mormon ab und es wird veröffentlicht.

Mitte 1889: Die Missionsarbeit in Mexiko wird aufgrund der Verfolgung, der die Kirche in Utah ausgesetzt ist, zeitweilig eingestellt.

9. Dezember 1895: In den Siedlungen der Heiligen der Letzten Tage in Chihuahua wird der Pfahl Juárez gegründet. Anthony W. Ivins, der später dem Kollegium der Zwölf Apostel angehört, wird der erste Pfahlpräsident.

8. Juni 1901: Die mexikanische Mission wird wieder eröffnet.

September 1907: Rey Lucero Pratt (der später auch als Siebziger dient) wird als Präsident der mexikanischen Mission berufen. Er bekleidet dieses Amt 24 Jahre lang. Von 1901 bis 1910 wird die mexikanische Mission auf die Bundesstaaten Mexico, Hidalgo, Morelos und die Hauptstadt ausgedehnt.

29. August 1913: Präsident Pratt und seine Missionare müssen aufgrund der mexikanischen Revolution, die 1910 ausgebrochen ist, das Land verlassen und die Mission schließen. Der Bürgerkrieg verursacht großes Leid unter den Mitgliedern. Einige werden getötet; Rafael Monroy und Vicente Morales werden 1915 hingerichtet und werden von den Mitgliedern als Märtyrer für den Glauben betrachtet. Wegen des Krieges verlassen viele Mitglieder die Kolonien.

1922: Aus den Vereinigten Staaten reisen erneut Missionare in Mexiko ein.

1937: Die mexikanische Mission veröffentlicht erstmals die Zeitschrift In Yaotlapiyoui , den Vorläufer des Liahona .

1960: Die Kirche gründet Schulen in Mexiko. Die 1964 in Mexiko-Stadt gegründete Oberschule Benemérito de las Américas wird für ihre herausragenden Schüler bekannt.

3. Dezember 1961: Der erste Pfahl von größtenteils mexikanischstämmigen Mitgliedern wird in Mexiko-Stadt gegründet. Es ist der erste spanischsprachige Pfahl der Kirche.

1967: Der Pfahl Mexiko-Stadt wird geteilt – es entsteht der Pfahl Mexiko-Stadt Nord mit Agricol Lozano Herrera als Präsidenten. Er ist der erste Pfahlpräsident mit mexikanischen Vorfahren.

1972: Die Kirche hat in Mexiko 100 000 Mitglieder.

2. Dezember 1983: Der Mexiko-Stadt-Tempel und das dazugehörige Besucherzentrum werden geweiht.

25. Juli 1989: Mit der Gründung des Pfahles Tecalco wird Mexiko das erste Land neben den Vereinigten Staaten mit 100 Pfählen. Nach Schätzungen gibt es in dem Land über eine halbe Million Mitglieder.

11. Dezember 1994: Präsident Howard W. Hunter besucht Mexiko und gründet den 2000. Pfahl der Kirche, nämlich den Pfahl Contreras in Mexiko-Stadt.

2004: In Mexiko gibt es zwei Verwaltungsgebiete, 12 Tempel, 20 Missionen und fast 200 Pfähle; die Mitgliederzahl erreicht 1 000 000.

Abdruck des Fotos mit freundlicher Genehmigung des Museo de Historia del Mormonismo en México, A. C.