Geschichte der Kirche
Verlorengegangenes Manuskript des Buches Mormon


„Verlorengegangenes Manuskript des Buches Mormon“, Themen im Zusammenhang mit der Geschichte der Kirche

„Verlorengegangenes Manuskript des Buches Mormon“

Verlorengegangenes Manuskript des Buches Mormon

Im Juni 1828 erlaubte Joseph Smith seinem Schreiber Martin Harris zögerlich, 116 Seiten des Originalmanuskripts des Buches Mormon auszuleihen. Harris versprach, auf die Seiten aufzupassen und sie nur bestimmten Angehörigen zu zeigen, aber bald darauf verschwanden die Seiten und sind seither nicht wiedergefunden worden. Joseph bemühte sich um göttlichen Rat, wie er bei der verbleibenden Übersetzung vorgehen sollte. Er erfuhr durch Offenbarung, wie er die Übersetzung des Buches Mormon fertigstellen konnte, ohne den im verschwundenen Manuskript enthaltenen Text erneut durchzusehen.1

Bild
Luftansicht von Farmland

Die Farm von Martin Harris bei Palmyra, 1907

Das wenige, was über den Inhalt des verlorengegangenen Manuskripts bekannt ist, erfahren wir von Joseph Smith und dem Propheten Nephi aus dem Buch Mormon. Joseph schrieb, dass die verlorengegangenen Seiten das Buch Lehi enthielten. Wie der Großteil des Buches Mormon war auch Lehis Bericht eine vom Propheten Mormon angefertigte Kurzfassung dessen, was Joseph die Platten Lehis nannte. Lehis Sohn Nephi erklärte, dass dieser Bericht Schilderungen von Lehis Träumen, Visionen und Prophezeiungen sowie Worte an seine Kinder enthielt. Nephi hatte Lehis Bericht gekürzt, bevor er seinen eigenen Geschichtsbericht zusammenstellte.2 Einigen Wissenschaftlern zufolge umfasst Nephis Kurzfassung die ersten Kapitel des Buches Mormon. Andere vermuten, dass das verlorengegangene Manuskript nicht nur das Buch Lehi enthielt, sondern auch von anderen verfasste Inhalte, vielleicht von Mormon oder jemandem, der irgendwann zwischen Lehi und König Benjamin gelebt hat.3

Zu der Zeit, als das Manuskript verschwand, wussten Joseph Smith und Martin Harris noch nichts über Nephis Kurzfassung. Als Joseph erfuhr, dass Harris das Manuskript verloren hatte, dachte er daher, er habe in Hinblick auf seinen göttlichen Auftrag versagt. Joseph übersetzte etwa neun Monate lang nicht weiter. Als er und sein neuer Schreiber Oliver Cowdery später fast am Ende des Berichts angelangt waren, bat Joseph um Offenbarung, ob die verlorengegangenen Seiten erneut übersetzt werden sollten. In der Offenbarung (siehe Lehre und Bündnisse 10) hieß es, dass die Platten Nephis einen Bericht enthielten, der mit dem Buch Lehi vergleichbar sei, doch liege der Schwerpunkt darin mehr auf der geistigen Komponente der Geschichte der Familie Lehis. Joseph erfuhr, dass er die Platten Nephis bis zu der Stelle übersetzen sollte, wo das verlorengegangene Manuskript geendet hatte.4 In der Offenbarung wurde Joseph auch verboten, das Buch Lehi erneut zu übersetzen, und er wurde vor Gegnern gewarnt, die im Besitz des verlorengegangenen Manuskript waren und vielleicht versuchen würden, den Text zu verfälschen und dann die veröffentlichte Ausgabe des Buches Mormon in Verruf zu bringen. Joseph machte sich derart große Sorgen, dass es ein geändertes Manuskript geben könnte, dass er Verschwörer im Vorwort des Buches Mormon davor warnte, sich Gottes Werk entgegenzustellen. Das verlorengegangene Manuskript tauchte nie wieder auf.5

Verwandte Themen: Book of Mormon Translation (Übersetzung des Buches Mormon)

Anmerkungen

  1. Joseph Smith, „History, circa 1841, fair copy“, Seite 13f., josephsmithpapers.org; Lucy Mack Smith, „Lucy Mack Smith, History, 1844–1845“, Buch 6, Seite 10, bis Buch 7, Seite 7, josephsmithpapers.org; Joseph übersetzte das Buch Lehi von Mitte April bis Mitte Juni 1828. Sein Schreiber war hauptsächlich Martin Harris, vielleicht wurde dieser noch von Emma Smith und ihrem Bruder Reuben Hale unterstützt.

  2. 1 Nephi 1:16,17

  3. Joseph Smith, „Vorwort zum Buch Mormon, etwa August 1829“, im Buch Mormon, 1830, Seite III, josephsmithpapers.org; S. Kent Brown, „Lehi’s Personal Record: Quest for a Missing Source“, BYU Studies, 24. Jahrgang, Nr. 1, Winter 1984, Seite 20f.; William J. Critchlow III., „Manuscript, Lost 116 Pages“, in Encyclopedia of Mormonism, Hg. Daniel H. Ludlow, 5 Bände, Macmillan, New York 1992, 2:854f.; Jack M. Lyon und Kent R. Minson, „When Pages Collide: Dissecting the Words of Mormon“, BYU Studies, 51. Jahrgang, Nr. 4, 2012, Seite 120–136. Joseph hat die Zahl 116 möglicherweise als Schätzung der Anzahl der verlorengegangenen Seiten angegeben und nicht, um damit die genaue Anzahl zu nennen (siehe „Revelation, Spring 1829 [DC 10]“, Historical Introduction, josephsmithpapers.org).

    Über 50 Jahre nach dem Tod Joseph Smiths erwähnte Franklin D. Richards, dass Joseph über den Inhalt des verlorengegangenen Manuskripts gesprochen hatte, als die beiden in Nauvoo lebten. Richards hatte in Alma 10:3 gelesen, dass Lehi von Manasse abstammte, was ihn verwirrte, weil die Heiligen vom Buch Mormon so oft als dem „Holz Efraims“ sprachen. Als Richards Joseph Smith zu dem möglichen Widerspruch befragte, erklärte dieser, dass Ischmael und seine Familie von Efraim abstammten und dass im verlorengegangenen Manuskript ein Bericht über Ischmaels Abstammungslinie zu finden war (siehe Franklin D. Richards, „Origin of American Aborigines“, Contributor, 17. Jahrgang, Nr. 7, Mai 1896, Seite 425).

  4. Joseph erfuhr von den Platten Nephis erst im Herbst 1829 (siehe „Revelation, Spring 1829 [DC 10]“, Historical Introduction, josephsmithpapers.org; Lehre und Bündnisse 10:38-46).

  5. „Revelation, Spring 1829 [DC 10]“, in: Book of Commandments, Seite 22ff., josephsmithpapers.org; Joseph Smith, „Vorwort zum Buch Mormon“, im Buch Mormon, 1830, Seite III