2011
Endlich hörte ich auf die innere Stimme
April 2011


Endlich hörte ich auf die innere Stimme

„Sie ist nur eine alte Freundin. Ich habe keine Verabredung mit ihr“, sagte ich mir. Warum ermahnte mich der Heilige Geist also immer wieder, dass ich nicht hier sein sollte?

Als ich das College besuchte, bekam ich einen guten und anspruchsvollen Praktikumsplatz, allerdings an einem weit entfernten Ort. Eine alte Freundin wohnte dort ganz in der Nähe. Wir hatten nicht denselben Glauben, doch dies hatte uns nicht davon abgehalten, eine zwanglose Freundschaft zu pflegen.

Als ich Madeline (Name geändert) kennenlernte, arbeiteten wir beide mit einem anderen Mädchen zusammen, das ein großartiges Vorbild war, eine gute Heilige der Letzten Tage. Ich weiß noch, wie der Heilige Geist mich damals auf kleine Unterschiede zwischen den beiden Mädchen aufmerksam gemacht und mir bewusst gemacht hatte, dass nebensächliche Entscheidungen Einfluss auf den weiteren Lebensweg haben können. An diese geistigen Eingebungen erinnerte ich mich noch nach Jahren.

Nun hatte ich nach ein paar Jahren wieder Kontakt zu Madeline aufgenommen. Ich wollte sie eines Abends besuchen. Überraschenderweise war ich an diesem Abend sehr nervös. Ich nahm den Zug, denn sie wohnte in einer anderen Stadt. Gegen Ende der Fahrt vernahm ich in Gedanken und im Herzen eine Stimme, die sagte: „Du sollst dich nur mit jemandem verabreden, der hohe Grundsätze hat.“

„Das ist doch keine Verabredung“, dachte ich. „Ich sehe nur eine alte Freundin wieder.“ Der Geist wiederholte die Warnung so eindringlich, dass ich schließlich begriff, dass es doch eine Verabredung war, und ich machte mir langsam Gedanken über die Lebensweise und die Lebensgrundsätze meiner alten Freundin. „Sie weiß ja, dass ich der Kirche angehöre“, argumentierte ich. „Sie kennt meine Grundsätze. Es wird kein Problem sein.“

Ich fragte mich jedoch, ob die „feinen Unterschiede“, die ich früher schon bemerkt hatte, dazu geführt hatten, dass unsere Wege inzwischen vielleicht doch weiter voneinander abwichen, als ich dachte. Also hörte ich auf die Eingebungen des Geistes, rief Madeline an und sagte ab. Ich hatte Angst, sie könnte gekränkt sein. Wie sollte ich jemandem, der das Wirken des Heiligen Geistes nicht kannte, eine solche Eingebung erklären?

Ich sagte ihr, dass ich bei einer Sache, die wir für diesen Abend geplant hatten, kein gutes Gefühl hatte. Insgeheim hoffte ich, dies sei ein ausreichender Grund, der Verabredung zu entkommen. Sie war enttäuscht und bot an, dass wir unsere Pläne änderten. Ich war erleichtert und mit der Änderung einverstanden, denn ich dachte, der Geist hätte mich vielleicht wegen der Sache, die wir ursprünglich geplant hatten, gewarnt. Doch das ungute Gefühl verschwand nicht.

Wir verbrachten einen netten Abend, doch von Zeit zu Zeit sagte mir der Geist, dass die Warnung von Bedeutung war. Zunächst schien alles in Ordnung zu sein, doch nach einiger Zeit wurde klarer, dass wir uns, obwohl wir ähnlich aufgewachsen waren, inzwischen in ganz unterschiedliche Richtungen bewegten. Wir hatten einfach nicht die gleichen Grundsätze – nicht einmal im Kleinen. Als sie Wein bestellte, erklärte ich, dass es mir lieber sei, keinen Alkohol bezahlen zu müssen. Sie respektierte meinen Wunsch und zahlte den Wein selbst.

Im weiteren Verlauf des Abends wurde ich immer unruhiger. Nachdem wir mit dem Essen fertig waren, saß ich schon auf der Stuhlkante, bereit, zu gehen. Ich wusste, dass der letzte Zug bald abfuhr, und ich wohnte zu weit weg, um ein Taxi nehmen zu können. Madeline bemerkte meine Sorge und meinte, ich könne bei ihr übernachten. Nun ließ der Geist mir keine Ruhe mehr und bestätigte, was ich bereits wusste: zu bleiben kam nicht in Frage.

Als ich Madeline nach Hause begleitete, gab ich mir große Mühe, ganz ruhig zu erscheinen. „Bist du sicher, dass du nicht bleiben möchtest?“, fragte sie. Ich war ganz sicher. Sie war kein bisschen aufdringlich, aber dennoch war die feine Stimme des Geistes deutlicher als ein Donnerschlag. Ich durfte meinen Zug nicht verpassen!

Ich wartete, bis sie im Haus war, und rannte dann so schnell ich konnte zum Bahnhof, um den Zug noch zu erwischen. Dabei musste ich an Josef in Ägypten denken, wie er vor der Versuchung weggelaufen war (siehe Genesis 39:7-12).

Der Gedanke an die Ereignisse dieses Abends erschreckt mich und macht mich zugleich dankbar: Es erschreckt mich, was hätte sein können, und ich bin dankbar, dass der Heilige Geist bei mir war. Der Heilige Geist sprach zu mir, und ich bin froh, dass ich am Ende endlich auf ihn hörte, auch wenn ich schon früher hätte reagieren sollen.

Ganz eindeutig hat der Herr die Situation an diesem Abend sehr viel klarer gesehen als ich. Wie Jesaja schreibt:

„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege – Spruch des Herrn.

So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken.“ (Jesaja 55:8,9.)

Manche Entscheidungen treffen wir ganz rasch und vergessen sie schnell wieder. Doch mit manchen Entscheidungen sind auch Lektionen verbunden, die wir lieber nicht vergessen. Ich bin sehr dankbar für die Erkenntnis, dass es für uns leichter ist, auf dem Weg zu bleiben, den Jesus Christus uns aufgezeigt hat, wenn wir auf die Eingebungen des Heiligen Geistes hören – vor allem, wenn wir sofort darauf hören.

Illustration von Jeff Ward