2019
150 Seiten bis Donnerstag?
August 2019


150 Seiten bis Donnerstag?

Bild
man standing between broken ends of a bottle reading the scriptures

Illustration von Anna Godeassi

Ich war am Tiefpunkt meines ganzen bisherigen Lebens. Meine Frau hatte die Scheidung beantragt, nachdem sie mich wegen eines anderen Mannes verlassen hatte. Ich war dreißig Jahre alt und lebte bei meiner Mutter. Außerdem war ich kurz davor, meine Arbeitsstelle zu verlieren.

Der Chefredakteur der Zeitung, bei der ich angestellt war, warnte mich: „Wenn Sie noch einmal betrunken zur Arbeit kommen, werden Sie sofort entlassen.“ Auf dem Heimweg fragte ich mich, wie ich bloß mit dem Trinken aufhören könne.

In diesem Augenblick sprachen mich zwei Missionare der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage an. Ich erklärte ihnen, dass ich an ihrer Kirche nicht interessiert sei. Als Journalist fand ich es jedoch angebracht und wichtig, ihnen meine Visitenkarte zu geben.

Einige Tage später sagte mir meine Mutter, dass zwei Amerikaner an der Tür seien, um mit mir zu reden.

„Sie haben eine Visitenkarte von dir“, erklärte sie.

Es waren dieselben Missionare, die ich ein paar Tage zuvor getroffen hatte. Einer von ihnen gab mir eine Broschüre und erzählte mir vom Propheten Joseph Smith. Dann übergab mir sein Mitarbeiter ein Buch Mormon. Er fragte mich, ob ich bereit sei, einige Kapitel zu lesen. Ich bejahte, woraufhin er mir in die Augen sah und mich bat, 150 Seiten zu lesen.

„Unmöglich!“, erwiderte ich.

Er meinte nur: „Wir kommen Donnerstag wieder.“ Bis dahin waren es nur wenige Tage. Ich hielt es nicht für möglich, so viele Seiten in dieser kurzen Zeit zu lesen.

Am nächsten Tag verspürte ich nach der Arbeit den starken Drang, mit meinen Freunden trinken zu gehen. Doch da fiel mir die Warnung des Chefredakteurs ein und ich dachte auch an die 150 Seiten, die ich lesen sollte. Ich ging nach Hause und begann, im Buch Mormon zu lesen. Außerdem las ich die Broschüre über Joseph Smith.

Der Geist berührte mein Herz, als ich von Joseph Smith las. Und als ich mehr über den Erlöser las und erfuhr, verspürte ich, dass das Buch Mormon wahr ist. Schon bald war ich mit den 150 Seiten fertig. Am Donnerstag kamen die Missionare wieder und fragten mich, ob ich im Buch Mormon gelesen hatte.

„Ja“, erwiderte ich. „Alle 150 Seiten!“

Ich wollte mehr erfahren. Als die Missionare mir das Wort der Weisheit erklärten, sagte ich ihnen, ich sei bereit, auf das Trinken zu verzichten.

Am Sonntag darauf besuchte ich zum ersten Mal eine Fast- und Zeugnisversammlung. Ich legte mein neu gewonnenes Zeugnis für Joseph Smith und das Buch Mormon ab. Bald darauf ließ ich mich taufen und wurde als Mitglied der Kirche bestätigt.

Seit meiner Taufe vor 48 Jahren bin ich bemüht, die Gebote zu halten und der Kirche nahezubleiben. Ich heiratete erneut und ging zusammen mit meiner Frau auf Mission. Über die Jahre hinweg habe ich viele Berufungen erfüllt. Derzeit diene ich im Tempel. Immer wenn ich dort bin, danke ich dem Herrn, dass er mich aus der Finsternis herausgeholt und ins Licht geführt hat.