2019
Festungen und Freundschaft
August 2019


Festungen und Freundschaft

Die Verfasserin lebt in Virginia.

Amelie und Jakob gehörten nicht der gleichen Religion an. Konnten sie trotzdem gute Freunde sein?

„Sei … den Gläubigen ein Vorbild.“ (1 Timotheus 4:12)

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Forts and Friendship

„Komm, wir holen noch mehr Stöcke“, sagte Amelie zu Jakob.

Jakob sah zum Himmel hinauf. „Ich muss nach Hause. Die Sonne geht schon fast unter.“

„Wir haben aber unsere Festung noch nicht fertig gebaut!“, sagte Amelie.

„Tut mir leid!“, rief Jakob, als er davoneilte. „Ich muss vor dem Sabbat zuhause sein!“

Amelie seufzte. Es war toll, mit Jakob befreundet zu sein, es war aber auch schwierig. Naja, eigentlich war nur eine Sache schwierig. Sie hatten nicht viel Zeit, miteinander zu spielen. Sie waren in der Schule im selben Jahrgang, aber nicht in derselben Klasse. In den Pausen waren sie nicht auf dem gleichen Schulhof. Außerdem verbrachten sie beide den Sabbat mit ihrer Familie. In Jakobs Kirche begann der Sabbat am Freitagabend bei Sonnenuntergang. Für Amelie war Sonntag der Sabbat.

Und was war toll? Da gab es vieles! Zum einen musste sich Amelie keine Gedanken darüber machen, dass Jakob fluchen, etwas Schlechtes anschauen oder sie dazu überreden würde, etwas Schlechtes zu tun. Er und seine Familie gehörten einer anderen Religion an, aber sie glaubten an vieles, woran Amelie auch glaubte. Wie zum Beispiel den Sabbat heiligzuhalten, auch wenn er für sie an unterschiedlichen Tagen war.

Amelie legte die Stöcke beiseite und ging ins Haus.

„Ist Jakob nach Hause gegangen?“, fragte Mama.

„Ja“, sagte Amelie und ließ sich in einen Sessel fallen. „Wir haben kaum Zeit, miteinander zu spielen.“

„Vielleicht könnt ihr euch am Freitag treffen. Da ist keine Schule“, meinte Mama.

„Gute Idee“, sagte Amelie und war schon besser gelaunt. Sie würde alles vorbereiten, damit sie gleich, wenn Jakob kam, an ihrer Festung weiterbauen konnten.

Im Laufe der Woche machte Amelies Lehrerin in der Schule eine Ankündigung. Alle dritten Klassen würden gemeinsam einen Film anschauen.

„Super“, freute sich Amelie. Sie steckte ihre Brotdose in den Rucksack und ging in die Aula.

Jeder suchte sich einen Platz auf dem Boden und die Lehrer schalteten das Licht aus. Amelie war ganz gespannt, als der Film anfing. Es ging um ein paar Jungen, die gemeinsam eine Festung bauten, so wie sie mit Jakob. Falls wir je damit fertig werden, dachte sie. Sie schüttelte den Kopf und schaute wieder auf die Leinwand.

Im Verlauf des Films fiel Amelie aber auf, dass einige schlechte Ausdrücke gesagt wurden. Sie fühlte sich immer unwohler. Sie wusste nicht, was sie tun sollte.

Genau in dem Moment tippte ihr jemand auf die Schulter. Es war Jakob! Er war an allen anderen Schülern vorbeigekrochen, um mit ihr zu reden.

„Amelie, ich glaube, dass wir das besser nicht anschauen sollten“, flüsterte er. „Wir sollten unsere Lehrer fragen, ob wir stattdessen lesen dürfen.“

Amelie atmete erleichtert auf. Es war gut zu wissen, dass sich noch jemand so fühlte. „Ja. Mir gefällt der Film auch nicht.“

Sie und Jakob standen auf und schlichen um ihre Klassenkameraden herum, bis sie zu den Lehrern kamen. Jakob ging zu seiner Lehrerin und Amelie zu ihrer. Sie fragte, ob sie ein Buch lesen dürfe, statt den Film zu schauen, und ihre Lehrerin sagte ja.

Amelie ging zum Lesen in ihr Klassenzimmer und sie sah, dass Jakob dasselbe tat. Er winkte und lächelte. Amelie lächelte zurück. Einen echten Freund zu haben war viel besser als eine fertige Festung.