Liahona
Pioniere in der Schweiz
April 2024


Ein Blick in die Vergangenheit

Pioniere in der Schweiz

Die Geschichte der frühen Pioniere in der Schweiz kann auch für uns heute Inspiration und Motivation sein. Die folgenden beiden beeindruckenden Beispiele mögen dies verdeutlichen.

Widmen wir uns zuerst Rudolf Dürsteler (1862–1947) aus dem damaligen Zweig Wald im Kanton Zürich. Dürsteler, in Grüningen geboren, wurde 1882 von John G. Hafen zum Diakon und 1884 von J. Hafen zum Priester ordiniert. Er wanderte im Herbst 1885 aus und heiratete 1889 in Cache in Utah Maria Baumann aus Meilen, Kanton Zürich (1864–1923), die 1882 im Wildbach in Bäretswil von Ulrich Stauffer getauft worden war. Hier ein Auszug aus seinem Tagebuch (Formulierungen und Rechtschreibung entsprechen dem Original):

Wald, 11. Juni 1883. Es sind schon vier Jahre verflossen, seit ich mich in die Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage taufen liess. [Am 11. Mai 1878 in Töbelibach, Wald, Kanton Zürich, durch G. Enz, siehe Taufbuch der Gemeinde Wald, Seite 566.] Während dieser Zeit habe ich viel glücklicher gefühlt als zuvor, und mit freudeerfülltem Herzen danke ich Gott, dass ich den Mormonen-Aeltesten Gehör schenkte und an das, was sie mir erklärten, glaubte. Als sie sagten, dass Gott sich vom Himmel wieder geoffenbart und die Kirche mit der gleichen Organisation wie vor Alters gegründet habe, war ich so einfältig dieses annehmen zu können; denn Paulus, an den ich als einen wahren Diener Gottes glaubte, in seinem Brief an die Epheser sagt: „und er hat Etliche zu Aposteln gesetzt, Etliche aber zu Propheten, Etliche zu Evangelisten, Etliche zu Hirten und Lehrern .... bis dass wir Alle hinan kommen zu einerlei Glauben und Erkenntnis des Sohnes Gottes, und ein vollkommener Mann werden, der da sei in der Masse des vollkommenen Alters Christi; auch dass wir nicht mehr Kinder seien und uns wägen und wiegen lassen von allerlei Wind der Lehre, durch Schalkheit der Menschen und Täuscherei, damit sie uns erschleichen zu verführen.“ Jetzt kann ich sagen, ich glaube nicht mehr, sondern ich weiss, dass die Kirche Christi wieder auf Erden ist, dass Joseph Smith und Brigham Young Propheten Gottes waren, und dass John Taylor einer ist; dass wir das reine Evangelium haben, welches Johannes der Offenbarer sah, wiedergebracht von einem Engel. Tausende bezeugen von diesem und wohl denen, die der warnenden Stimme gehorchen und suchen sich aus Babylon zu erretten. Lasset uns, meine Brüder und Schwestern den Geboten Gottes gehorsam sein, dass wir würdig erfunden werden an seinen Segnungen und Verordnungen Theil zu haben; denn wir haben mit ihm einen feierlichen Bund gemacht und sind verpflichtet, ihm unter allen Umständen getreulich zu dienen. [Siehe Der Stern, August 1883, Nr. 16, Seite 256.]

Das nächste Beispiel verdanken wir Hans Ulrich Bryner (1827–1905). Der gebürtige Illnauer (Kanton Zürich, Schweiz) hinterlässt eine eindrückliche Bekehrungsgeschichte. Wegen starker Verfolgung war er schon im März 1856 ausgewandert und hatte mit der Handkarrenabteilung Willie den langen beschwerlichen Weg nach dem Salzseetal auf sich genommen. Sein Urenkel Jan Snyder berichtet:

Im Alter von 24 Jahren hatte Hans Ulrich Bryner Jr. geheiratet und eine berufliche Laufbahn beim Staat geplant. Bryner handelte mit Nutztieren – Rindern und Schweinen. Er führte ein ideales Leben, als ein schrecklicher Unfall alles veränderte – doch Prüfungen können uns auf einen ewigen Triumph vorbereiten. Gott verwandelte diesen schrecklichen Unfall in einen wunderbaren Segen.

Eines Tages hatte sich nämlich ein Hinterfuss eines Schweins gelöst und Bryner ins Auge getroffen, sodass ihm das Auge aus der Augenhöhle geschlagen wurde. Freunde wuschen ihm das Auge im nahe gelegenen Fluss Wiedikon und stellten es so gut sie konnten wieder her. Doch eine Infektion durch das Flusswasser nahm ihm die Sehkraft erst auf einem Auge und dann auf dem anderen. Bryner war nun auf beiden Augen blind. Seine berufliche Zukunft war dahin. Die Freunde seiner Frau sagten ihr, sie solle Bryner verlassen, er tauge jetzt nichts mehr.

Eine der wichtigsten Entscheidungen, die wir jemals treffen, ist jedoch, wen wir heiraten. Bryners Frau stand fest zu ihrem Mann; er brauchte sie jetzt mehr denn je. Bryner erlernte ein neues Handwerk: Er lernte, Schuhe aus Leder herzustellen. Während dieser kärglichen Zeit in Bryners Leben hatte er mehrere Träume. Einmal träumte er, dass zwei junge Männer nach Zürich kamen. Sie predigten eine neue Religion und hatten ein Buch. Der eine hatte merkwürdige Augen. In einem anderen Traum hielt der Mann mit den merkwürdigen Augen ein Licht hoch, und Bryner folgte dem Licht um die halbe Welt. Bryners Freunde hingegen dachten, er könne nach London reisen, um sein Augenlicht wiederherstellen zu lassen.

Einige Jahre später kamen zwei Mormonen-Missionare aus Deutschland, um probeweise in Zürich die Missionsarbeit aufzunehmen. Ein paar Kinder kamen daraufhin mit einer Geschichte über zwei Amerikaner und eine neue Religion aus der Stadt nach Hause. Bryner bat sie, die Missionare zu beschreiben. Er erfuhr, dass sie aus dem Buch der Mormonen predigten und dass einer seltsame Augen hatte. Wir erfuhren später, dass er schielte. Diese Beschreibung entsprach dem Mann in Bryners Traum. Er sandte die Kinder aus, die amerikanischen Missionare in sein Haus zu holen. Bryner wollte ihnen einige Fragen stellen. Schon bald nahm Bryner sich vor, sich taufen zu lassen. Die Missionare segneten Bryner, dass sein Augenlicht erhalten bleiben möge, und allmählich kehrte es zurück.

In der Nacht vor seiner Taufe wurde Bryner von einem bösen Geist angegriffen, der ihn würgte und verlangte, dass er versprach, sich nicht taufen zu lassen, doch Bryner wollte dieses Versprechen nicht geben. Er wurde getauft, und es fanden Versammlungen in seinem Haus statt. Die Verfolgung wurde intensiv. Bryner musste Zürich verlassen. Er nahm seine Familie den Rhein hinauf, durch Deutschland, über den Kanal nach England und schliesslich über den Atlantik nach Amerika. In St. Louis kaufte er einen Wagen und Ochsen, um den Heiligen in den Handkarrenabteilungen Willie und Martin nach Salt Lake zu folgen. Dabei liess er eine Frau zusammen mit seiner Frau im Wagen sitzen, während er selbst zu Fuss nach Salt Lake ging, wobei er sich an der Rückseite des Wagens festhielt. Ein Gemälde in der Hauptstadt des Bundesstaates Utah zeigt Bryner, wie er sich an der Rückseite des „Last Wagon“ festhält, während er über die Prärie nach Utah geht. Er liess sich in St. George nieder, wo er als erster Mensch auf dem dortigen Friedhof begraben wurde. Er hatte das Licht gefunden und war ihm um die halbe Welt gefolgt (nach www.familysearch.org/tree/person/details/K2W3-49H, frei übersetzt).