Eigenständigkeit
Lernen


„9: Lernen“, Im Herrn Kraft finden: Emotionale Widerstandskraft, 2021

„9: Lernen“, Im Herrn Kraft finden: Emotionale Widerstandskraft

Lernen – Maximale Dauer: 60 Minuten

1. Uns um andere kümmern wie der Erretter

Lesen:

Der Herr fordert uns auf, uns um unsere Mitmenschen zu kümmern. Die Geschichte von Alma und Amulek ist aufschlussreich. Als Alma erkannte, dass Amulek emotional litt, „führte [er] ihn in sein eigenes Haus und nahm sich seiner in seinen Drangsalen an und stärkte ihn im Herrn“ (Alma 15:18).

Nachdenken:

Wie wurden Sie bereits von anderen Menschen „im Herrn“ gestärkt?

Besprechen:

Wie können wir dazu beitragen, dass andere im Herrn gestärkt werden?

2. Irrtümer über den Dienst am Nächsten

Lesen:

Es gibt einige weit verbreitete Irrtümer im Hinblick auf den Dienst am Nächsten. Wenn Sie die folgenden Irrtümer durchlesen, überlegen Sie, ob Sie auch schon einmal so empfunden haben.

Irrtum 1:

Ich bin zu hundert Prozent dafür verantwortlich, anderen die Hilfe zukommen zu lassen, die sie brauchen.

Die Realität:

Der Erretter ist der Einzige, der der Seele wahre Heilung bringen kann, aber Sie können Teil einer Gemeinschaft sein, die zur Heilung beiträgt und anderen ein Segen ist. Sie werden Teil dieser Gemeinschaft, wenn Sie Ihre einzigartigen Stärken und Sichtweisen einsetzen und bereit sind, sich einzubringen, wann immer Sie können.

Irrtum 2:

Ich muss ein Spezialist darin sein, die Probleme anderer zu lösen.

Die Realität:

Sogar professionelle Berater sehen ihre Aufgabe darin, jemanden lediglich darin zu unterstützen, selbständig Änderungen in seinem Leben vorzunehmen, anstatt ihm ein Handbuch mit Anleitungen zur Verfügung zu stellen. Ihre Aufgabe besteht darin, die Menschen liebzuhaben und sich um sie zu kümmern. Der Erretter übernimmt die Aufgabe, sie zu heilen.

Irrtum 3:

Es gibt schnelle Lösungen für die Probleme des Lebens.

Die Realität:

Unsere Kultur ist geprägt von sofortiger Befriedigung. Für fast alles werden schnelle Lösungen versprochen. Doch gibt es für die Probleme des Lebens nur selten schnelle Lösungen. Veränderungen vorzunehmen, ist ein Prozess, der fast immer länger dauert, als man erwartet. Echter Wandel ist ein Läuterungsprozess, den Sie oder Ihre Angehörigen oder Freunde durchlaufen müssen.

Irrtum 4:

Ich weiß nicht, was ich sagen soll, also sage ich lieber gar nichts.

Die Realität:

Die gute Nachricht ist, dass Sie in den meisten Fällen gar nicht viel sagen müssen. Das größte Geschenk, das Sie anderen machen können, besteht darin, Interesse an ihnen zu zeigen, Fragen zu stellen, liebevoll zuzuhören und dafür zu sorgen, dass sie sich bei Ihnen gut aufgehoben fühlen.

Irrtum 5:

Wenn ich anderen helfe, werden sie immer von mir abhängig sein.

Die Realität:

Wenn Sie anderen beistehen, können Sie gesunde Grenzen setzen, um auf sich und Ihre Familie Rücksicht zu nehmen. Der Herr kann Sie dabei führen, auf eine Weise zu dienen, die die Eigenständigkeit des anderen stärkt. Unterschätzen Sie niemals, welch machtvollen Einfluss kleine und einfache gute Taten im Leben eines Menschen haben können, und haben Sie keine Angst davor, Zeit und Liebe in jemanden zu investieren.

Besprechen:

Sprechen Sie jeweils zu zweit über einen dieser Irrtümer, der Ihnen vielleicht zu schaffen macht, und erarbeiten Sie, wie man diesen Irrtum hinter sich lassen kann.

3. Angemessen reagieren

Lesen:

Ungeachtet der besten Absichten kann es leicht passieren, dass man bei dem Versuch, jemandem durch eine schwere Zeit zu helfen, Dinge sagt, die nicht sehr hilfreich sind. Lassen Sie sich davon aber nicht abhalten, sich weiterhin zu bemühen, hilfsbereit zu sein. Gott möchte, dass Sie seinen Kinder liebevoll zur Seite stehen. Nehmen Sie Rücksicht auf die Gefühle derer, denen Sie helfen wollen, und achten Sie darauf, dass Sie nichts sagen oder tun, was ihren Schmerz und ihre Schwierigkeiten herunterspielt.

Besprechen:

Welche anderen Aussagen haben Sie schon einmal gehört, die hilfreich oder nicht hilfreich sind?

4. Anerkennung zeigen

Lesen:

Reyna I. Aburto erklärte: „Selbst wenn wir nicht nachempfinden können, was ein anderer durchmacht, kann es ein wichtiger erster Schritt zu Verständnis und Heilung sein, wenn wir anerkennen, dass der Schmerz des Betreffenden real ist.“ („In Schatten und Licht – Herr, verlass mich nicht!“, Liahona, November 2019, Seite 58.) Die Gefühle seines Gegenübers anzuerkennen bedeutet, dass man zunächst seine Gefühle akzeptiert und dann Verständnis für sie aufbringt.

Im Folgenden finden Sie einige Schritte, die Ihnen dabei helfen, jemandem, der mit einem Problem kämpft, Anerkennung zu zeigen:

  1. Hören Sie zu. Seien Sie bei der Sache und hören Sie aufmerksam zu. Nehmen Sie keine Abwehrhaltung ein, wenn Sie selbst etwas zu dem Problem beigetragen haben.

  2. Bemühen Sie sich, verständnisvoll zu sein. Vielleicht müssen Sie mitfühlende Fragen stellen, um besser verstehen zu können, wie sich Ihr Gegenüber fühlt. Geben Sie Ihr Bestes, die Beweggründe zu verstehen.

  3. Akzeptieren Sie die beschriebenen Gefühle. Versuchen Sie nicht, den anderen zu ändern. Behaupten Sie auch nicht, dass es falsch sei, solche Gefühle zu haben. Seien Sie aber auch darauf bedacht, keine ungesunden oder gefährlichen Denkmuster zu unterstützen.

  4. Bringen Sie Mitgefühl zum Ausdruck. Bringen Sie zum Ausdruck, dass es Ihnen wichtig ist, wie es dem anderen geht. Selbst wenn Sie sich nicht in die Situation hineinversetzen oder das Gefühl nicht nachempfinden können, können Sie die geschilderten Gefühle anerkennen, indem Sie sagen: „Du fühlst dich missachtet [oder hoffnungslos, wertlos, bist besorgt, wütend und so weiter]. Das muss schwer für dich sein.“

  5. Zeigen Sie dem anderen, dass Sie ihn liebhaben. Sagen Sie, dass Sie sich um ihn sorgen und dass Sie Vertrauen in ihn haben, dass er das Problem lösen oder überwinden kann.

Lesen:

Hier ein Beispiel, wie Sie jemandem Zuspruch geben, der durch eine schwere Zeit geht.

Julia ist eine alleinerziehende Mutter, deren Sohn kürzlich an einer Überdosis Drogen gestorben ist. Sie lebt allein und hat keine Familie in der Nähe. Maria kommt vorbei, um mit ihr zu sprechen und zu fragen, wie es ihr geht. Maria ist versucht, Julia zu unterbrechen, tut es aber nicht. Sie hört einfach zu. In einem passenden Moment stellt sie Fragen wie: „Wie fühlst du dich jetzt gerade?“ oder: „Was ist für dich am schwierigsten?“ Anstatt zu sagen „zumindest ist er jetzt bei Gott“, versteht sie, dass Julia ihren Sohn einfach sehr vermisst. Maria sagt mitfühlend: „Du vermisst ihn sehr, es tut mir so leid.“ Dann zeigt sie ihre Liebe dadurch, dass sie einfach bei Julia sitzt und mit ihr weint.

Tipp:

Auf der Website der Kirche zum Thema Betreuung finden Sie weitere Anregungen, wie man Mitgefühl zeigen kann; siehe ministering.ChurchofJesusChrist.org.

5. Die Entscheidungsfreiheit des anderen achten

Lesen:

Der Vater im Himmel hat jedem die Gabe der Entscheidungsfreiheit gegeben. Jeder Mensch ist für seine Entscheidungen selbst verantwortlich, ungeachtet der Hilfe, die Sie anbieten. Wenn Sie sich um jemanden kümmern, denken Sie daran, dass Sie nicht dafür verantwortlich sind, seine Probleme zu lösen oder seine Entscheidungen zu überwachen. Es ist wichtig, dass Sie für sich gesunde Grenzen setzen, während Sie anderen hilfreich zur Seite stehen.

Der Erretter möchte, dass Sie die Entscheidungsfreiheit Ihrer Angehörigen achten, was aber nicht unbedingt bedeutet, dass Sie untätig zusehen müssen. Bemühen Sie sich um den Heiligen Geist, damit Sie erkennen, wie Sie dem anderen so beistehen können, dass seine Entscheidungsfreiheit respektiert wird und er nicht das Gefühl hat, man beachte ihn gar nicht.

Hier finden Sie Anregungen, was man neben dem Anerkennen von Gefühlen und dem Zuhören noch tun kann:

  • Fasten und beten Sie für den Betreffenden.

  • Widmen Sie ihm im Tempel Zeit und denken Sie über ihn nach.

  • Suchen Sie professionelle Hilfe und Beratung.

  • Informieren Sie sich zum Thema emotionale Gesundheit.

  • Schreiben Sie aufmunternde Worte oder schicken Sie dem Betreffenden eine humorvolle Nachricht, um ihm ein Lächeln zu entlocken.

  • Bitten Sie um Priestertumssegen und den Rat von Priestertumsführern.

  • Nehmen Sie an einer Selbsthilfegruppen für Angehörige und Freunde teil.

  • Seien Sie stets in erreichbarer Nähe, wahren Sie aber gleichzeitig gesunde Grenzen.

  • Kümmern Sie sich in einer Weise, wie es dem anderen zusagt und so, dass seine Entscheidungsfreiheit nicht verletzt wird und er nicht das Gefühl hat, man beachte ihn gar nicht.

Besprechen:

Erzählen Sie von einem aufbauenden Erlebnis, als Sie einmal gestärkt wurden oder anderen Kraft gegeben haben.

6. Geduldig mit dem anderen ausharren

Lesen:

Sich um Angehörige oder Freunde zu kümmern, kann herausfordernd sein und einen zum Teil auch überfordern. Versuchen Sie bei Ihren Bemühungen, den Bedrängten beizustehen, verständnisvoll zu sein und niemanden zu verurteilen. Sie können sich den Rat aus den heiligen Schriften zu Herzen nehmen und „mit der ganzen Kraft des Herzens zum Vater [beten], dass [Sie] von dieser Liebe erfüllt werde[n]“ (Moroni 7:48), nämlich der Nächstenliebe oder Liebe Christi.

Wenn ein geliebter Mensch mit emotionalen Problemen zu kämpfen hat, sind Sie oft so damit beschäftigt, sich um ihn zu kümmern, dass Sie dabei ganz vergessen, sich auch um sich selbst zu kümmern. Auch Sie können Hilfe und Unterstützung erhalten. In Selbsthilfegruppen können Angehörige mehr über gesundheitliche Probleme, Unterstützungsmöglichkeiten und den Umgang mit den Symptomen erfahren. Wenden Sie sich an vertrauenswürdige Freunde und Gesundheitsexperten, um Hilfe für sich und Ihren Angehörigen zu erhalten. Der Beistand von Angehörigen und Freunden kann sich positiv auf die Behandlung schwerwiegender sozialer und emotionaler Probleme auswirken.

Elder Jeffrey R. Holland gab diesen Rat: „Denjenigen, die jemanden betreuen, sage ich: Ruinieren Sie in dem eifrigen Bestreben, die Gesundheit eines anderen zu fördern, nicht Ihre eigene. Seien Sie in allem weise. Laufen Sie nicht schneller, als Sie Kraft haben [siehe Mosia 4:27]. Was Sie auch sonst noch geben können oder nicht – Sie können auf jeden Fall beten und ungeheuchelte Liebe aufbringen [siehe Lehre und Bündnisse 121:41].“ („Wie ein zerbrochenes Gefäß“, Liahona, November 2013, Seite 42.)

Besprechen:

Was hat Ihnen dabei geholfen, ein gesundes Gleichgewicht zwischen der Sorge um andere und der Sorge für sich selbst zu finden?