2007
Limonade und ein Laib Brot
September 2007


Limonade und ein Laib Brot

Als ich sechs Jahre alt war, zog meine Familie in ein neues Haus in unserer Heimatstadt Quetzaltenango in Guatemala. Am Tag des Umzugs waren wir müde und durstig. Mein älterer Bruder nahm mich mit in die Küche und wollte mir ein Glas Wasser geben, aber es gab noch keinen Strom und kein Wasser.

Wir wussten nicht, was wir tun sollten. Es war schon spät und wir kannten niemanden. Da klopfte es an der Tür. Eine freundlich lächelnde ältere Dame stand vor der Tür. „Willkommen in unserer Nachbarschaft“, sagte sie. „Ich bin Ihre Nachbarin, Tenchita. Ich habe mir gedacht, dass Sie vielleicht noch kein Wasser haben, deshalb habe ich etwas Limonade und Brot mitgebracht.“

Ich freute mich so, als ich die Limonade sah, dass ich über das ganze Gesicht strahlte. Ein paar Tage später lud uns Tenchita in die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ein und schenkte uns ein Exemplar des Buches Mormon.

Schon bald hörten wir die Missionarslektionen an, und drei Monate später forderten uns die Missionare auf, uns taufen zu lassen. Meine fünf älteren Geschwister wollten sich taufen lassen, aber meine Eltern fühlten sich nicht bereit. Sie besuchten jedoch weiterhin die Kirche, und sie und ich wurden zwei Jahre später, als ich acht Jahre alt war, getauft und konfirmiert.

Ich war noch jung, aber ich konnte sehen, wie das Evangelium Jesu Christi unsere Familie veränderte. Wie alle Familien hatten wir unsere Probleme, aber die Verständigung wurde immer besser und das Familienleben harmonischer, und wir vertrauten darauf, dass wir Lösungen finden würden durch das, was wir in der wahren Kirche lernten. Wir waren dankbar, dass Tenchita uns mit dem Evangelium bekanntgemacht hatte, aber sie zog bald danach um und wir hörten nichts mehr von ihr.

Dreizehn Jahre später wurde meine Familie im Tempel in Guatemala-Stadt gesiegelt, und ich entschloss mich, auf Mission zu gehen. In meinem ersten Gebiet in der Guatemala-Mission Guatemala-Stadt Süd besuchten wir oft Mitglieder, die krank oder weniger aktiv waren. Einmal bat uns der Bischof, eine ältere Schwester zu besuchen, die krank war und ihr Haus nicht mehr verlassen konnte. Er sagte uns, dass diese Schwester am liebsten Limonade trank.

Als meine Mitarbeiterin und ich bei ihr ankamen, lag die Schwester krank im Bett, aber ich erkannte sie sofort und nahm sie in die Arme. Schwester Tenchita erkannte mich nicht gleich, aber nachdem wir uns eine Weile unterhalten hatten, leuchteten ihre Augen auf. Sie lächelte und sagte: „Ich habe Ihnen Limonade und Brot gebracht.“

Ich dankte ihr, dass sie mir auch das Evangelium gebracht und mir damit auch ermöglicht hatte, auf Mission zu gehen.

Ein Glas Limonade und einen Laib Brot zu verschenken ist leicht und nicht teuer, tut man es aber auf die Weise, wie Schwester Tenchita es getan hat – voller Liebe und Interesse an unserem ewigen Wohlergehen – dann wird es zu etwas sehr Wertvollem. Sie hat mein Leben und das Leben meiner Familie verändert. Auch wir können das Leben von Menschen verändern, indem wir ihnen helfen, ihren Weg zum „lebendigen Wasser“ und zum „Brot des Lebens“ zu finden (Johannes 4:10; 6:48).

Heute bringen meine Familie und ich unseren Nachbarn nicht nur Limonade und Brot, sondern auch das wahre Evangelium Jesu Christi.