Generalkonferenz
Säulen und Strahlen
Frühjahrs-Generalkonferenz 2024


Säulen und Strahlen

Auch wir können eine Säule aus Licht erhalten – einen Strahl nach dem anderen

Meine Worte richten sich an diejenigen, die sich Sorgen um ihr Zeugnis machen, weil sie keine überwältigenden geistigen Erlebnisse gehabt haben. Ich bete, dass ich Ihnen zu ein wenig mehr Frieden und Gewissheit verhelfen kann.

Die Wiederherstellung des Evangeliums Jesu Christi fing sozusagen mit einer Explosion von Licht und Wahrheit an! Ein Jugendlicher im Norden des Bundesstaates New York mit dem ganz gewöhnlichen Namen Joseph Smith betritt ein Wäldchen, um zu beten. Er macht sich Sorgen um seine Seele und seinen Stand vor Gott. Er wünscht sich Vergebung seiner Sünden. Und er ist verwirrt und weiß nicht, welcher Kirche er sich anschließen soll. Er braucht Klarheit und Frieden – er braucht Licht und Erkenntnis.1

Als Joseph sich hinkniet, um zu beten und Gott die Wünsche seines Herzens vorzutragen, umschließt ihn dichte Finsternis. Etwas Böses, Beängstigendes und sehr Reales versucht, ihn daran zu hindern – ihm die Zunge zu lähmen, sodass er nicht sprechen kann. Die Mächte der Finsternis werden so intensiv, dass Joseph glaubt, er werde sterben. Doch er nimmt alle Kraft zusammen und ruft Gott an, er möge ihn aus der Macht dieses Feindes befreien, der ihn gepackt hat. Und dann, gerade in dem Augenblick, als er in Verzweiflung versinken und sich der Vernichtung preisgeben will, als er nicht weiß, ob er noch länger durchhalten kann, erfüllt ein herrliches helles Licht das Wäldchen und vertreibt die Finsternis und den Feind seiner Seele.2

Eine „Säule aus Licht“, heller als die Sonne, kommt allmählich auf ihn herab. Eine Person erscheint, und dann eine weitere.3 Sie sind „von unbeschreiblicher Helle und Herrlichkeit“. Die erste, unser Vater im Himmel, nennt ihn beim Namen und sagt, „dabei auf die andere deutend: [Joseph!] Dies ist mein geliebter Sohn. Ihn höre!“4

Mit diesem überwältigenden Aufstrahlen von Licht und Wahrheit beginnt die Wiederherstellung. Es folgt eine regelrechte Flut göttlicher Offenbarung und Segnungen: neue heilige Schriften, wiederhergestellte Priestertumsschlüssel, Apostel und Propheten, Verordnungen und Bündnisse sowie die Wiederaufrichtung der wahren und lebendigen Kirche des Herrn, die eines Tages die ganze Erde mit dem Licht und Zeugnis Jesu Christi und seines wiederhergestellten Evangeliums erfüllen wird.

All dies und viel mehr begann mit dem verzweifelten Gebet eines Jungen und einer Säule aus Licht.

Auch wir haben dringende Bedürfnisse, die uns verzweifeln lassen. Auch wir müssen von geistiger Verwirrung und weltlicher Finsternis befreit werden. Auch wir müssen selbst Gewissheit erlangen.5 Das ist ein Grund, weshalb Präsident Russell M. Nelson uns aufgefordert hat, „in das herrliche Licht der Wiederherstellung“6 einzutauchen.

Eine der großen Wahrheiten der Wiederherstellung ist die, dass die Himmel offen sind – dass auch wir Licht und Erkenntnis aus der Höhe erhalten können. Ich bezeuge, dass dem so ist.

Es gibt jedoch eine Falle geistiger Art, vor der wir uns hüten müssen. Manchmal verlieren treue Mitglieder den Mut und entfernen sich sogar von der Kirche, weil sie keine überwältigenden geistigen Erlebnisse haben – weil sie nicht selbst ihre „Säule aus Licht“ gesehen haben. Präsident Spencer W. Kimball hat uns gewarnt: „Wer immer etwas Spektakuläres erwartet, bemerkt den steten Fluss von Offenbarung oft gar nicht.“7

Dazu passend erinnerte sich Präsident Joseph F. Smith: „Der Herr versagte mir die Wunder [als ich jung war] und zeigte mir die Wahrheit Zeile um Zeile, Weisung um Weisung, hier ein wenig und da ein wenig.“8

Genau dies ist das übliche Muster des Herrn, Brüder und Schwestern. Anstatt uns eine Säule aus Licht zu schicken, sendet uns der Herr einen Lichtstahl, dann noch einen und noch einen.

Diese Lichtstrahlen fallen ständig auf uns herab. Wir erfahren aus den heiligen Schriften, dass Jesus Christus „das Licht und das Leben der Welt“9 ist, dass sein Geist jedem Menschen, der in die Welt kommt, Licht gibt10 und dass sein Licht „die Unermesslichkeit des Raumes“ erfüllt und „allem Leben gibt“11. Das Licht Christi ist buchstäblich überall um uns.

Wenn wir die Gabe des Heiligen Geistes empfangen haben und bestrebt sind, Glauben auszuüben, umzukehren und unsere Bündnisse einzuhalten, sind wir würdig, diese göttlichen Strahlen fortwährend zu empfangen. Elder David A. Bednar hat es einprägsam formuliert: „Wir leben in der Offenbarung.“12

Jedoch ist jeder von uns anders. Keine zwei Menschen erleben Gottes Licht und Wahrheit genau gleich. Nehmen Sie sich etwas Zeit, darüber nachzudenken, wie Sie das Licht und den Geist des Herrn wahrnehmen.

Vielleicht haben Sie das Aufstrahlen von Licht und Zeugnis so erlebt, dass Ihrem Sinn in einer Angelegenheit, die Ihnen Sorgen bereitet hat, Frieden zugesprochen wurde.13

Oder es war eine Eingebung – eine leise, sanfte Stimme –, die an Ihren Verstand und Ihr Herz ergangen ist14 und Sie gedrängt hat, etwas Gutes zu tun, zum Beispiel jemandem zu helfen.

Vielleicht waren Sie in einem Unterricht in der Kirche – oder bei einem Zeltlager für Jugendliche – und haben den starken Wunsch verspürt, Jesus Christus nachzufolgen und treu zu bleiben.15 Möglicherweise sind Sie sogar aufgestanden und haben für etwas Zeugnis abgelegt, wovon Sie hofften, dass es wahr ist, und haben dann gespürt, dass es wahr ist.

Oder Sie haben gebetet und die freudige Zusicherung verspürt, dass Gott Sie liebt.16

Vielleicht haben Sie jemanden Zeugnis für Jesus Christus ablegen gehört und es hat Ihr Herz berührt und Sie mit Hoffnung erfüllt.17

Oder Sie haben im Buch Mormon gelesen und ein Vers hat Ihre Seele berührt, als ob Gott ihn nur für Sie hätte schreiben lassen – und haben dann erkannt: Genau das hat er getan.18

Vielleicht haben Sie die Liebe Gottes zu einem Mitmenschen verspürt, dem Sie geholfen haben.19

Oder es fällt Ihnen gerade schwer, den Heiligen Geist zu verspüren, weil Sie an einer Depression oder Angstzuständen leiden, Sie haben aber die kostbare Gabe und den Glauben, zurückzublicken und sich an vergangene Erlebnisse mit der liebevollen, großen Barmherzigkeit des Herrn20 zu erinnern.

Ich möchte darauf hinaus, dass es viele verschiedene Möglichkeiten gibt, Zeugnisstrahlen vom Himmel zu empfangen. Dies sind natürlich nur einige davon. Sie mögen nicht spektakulär sein, aber sie alle bilden einen Teil unseres Zeugnisses.

Brüder und Schwestern, ich habe keine Säule aus Licht gesehen, aber wie Sie habe auch ich schon viele göttliche Strahlen wahrgenommen. Im Laufe der Jahre habe ich mich bemüht, solche Erlebnisse wie einen Schatz zu hüten. Wenn ich sie wertschätze, so habe ich festgestellt, erkenne und erinnere ich mich an weitere. Ich möchte einige Beispiele aus meinem Leben anführen. Sie mögen einigen nicht sehr eindrucksvoll erscheinen, aber für mich sind sie kostbar.

Ich weiß noch, dass ich als unbändiger Jugendlicher einmal bei einer Taufe war. Kurz vor Beginn der Versammlung fühlte ich mich vom Heiligen Geist gedrängt, mich hinzusetzen und andächtig zu sein. Ich setzte mich hin und blieb für den Rest der Versammlung ruhig.

Vor meiner Mission hatte ich Angst, mein Zeugnis sei nicht stark genug. Keiner aus meiner Familie war je auf Mission gewesen, und ich war mir unsicher, ob ich dem gewachsen war. Ich weiß noch, dass ich verzweifelt studierte und betete, um ein tieferes Zeugnis von Jesus Christus zu erlangen. Eines Tages, als ich den Vater im Himmel anflehte, wurde ich durch und durch von Licht und Wärme erfüllt. Da wusste ich es. Ich wusste es einfach.

Ich weiß noch, wie ich Jahre später eines Nachts aufwachte und ein Gedanke „reiner Intelligenz“ mich spüren ließ, dass ich eine Berufung im Ältestenkollegium erhalten würde.21 Zwei Wochen später wurde ich berufen.

Ich erinnere mich an eine Generalkonferenz, bei der ein sehr geschätztes Mitglied des Kollegiums der Zwölf Apostel mit genau den Worten Zeugnis gab, die zu hören ich erhofft hatte, wie ich es einem Freund schon vorher anvertraut hatte.

Ich weiß noch, wie ich mit hunderten Brüdern niederkniete, um für einen lieben Freund zu beten, der in einem kleinen, weit entfernten Krankenhaus bewusstlos an einem Beatmungsgerät lag, nachdem sein Herz aufgehört hatte zu schlagen. Als wir unsere Herzen vereinten und um sein Leben flehten, wachte er auf und zog sich den Beatmungsschlauch aus dem Hals. Heute dient er als Pfahlpräsident.

Und ich weiß noch, dass ich nach einem lebendigen Traum von einem lieben Freund und Mentor, der viel zu früh gestorben war und ein enormes Loch in meinem Leben hinterlassen hatte, mit starken geistigen Gefühlen aufwachte. In dem Traum hatte er freudig gelächelt. Ich wusste, dass es ihm gutging.

Dies sind einige meiner Strahlen. Sie alle haben Ihre eigenen Erlebnisse – plötzliche Lichtstrahlen, die zu einem Zeugnis werden. Wenn wir diese Lichtstrahlen erkennen, im Gedächtnis bewahren und alles vereinen,22 geschieht allmählich etwas Wunderbares und Kraftvolles. „Licht hält fest an Licht“ und „Wahrheit nimmt Wahrheit an“.23 Die Realität und Kraft eines Zeugnisstrahls verstärkt weitere und verbindet sich mit einem weiteren, dann noch einem und noch einem. Zeile um Zeile, Weisung um Weisung, hier ein Strahl und da ein Strahl – ein kleiner wertvoller geistiger Moment nach dem anderen –, so wächst in uns ein Kern aus lichterfüllten, geistigen Erlebnissen. Vielleicht ist kein einzelner Strahl stark genug oder hell genug, um ein vollständiges Zeugnis zu bilden, aber zusammen können sie zu einem Licht werden, das von der Finsternis des Zweifels nicht überwältigt werden kann.

„O ist dies dann nicht etwas Wirkliches?“, fragt Alma. „Ich sage euch: Ja, denn es ist Licht.“24

Der Herr erklärt: „Was von Gott ist, das ist Licht; und wer Licht empfängt und in Gott verbleibt, empfängt mehr Licht; und jenes Licht wird heller und heller bis zum vollkommenen Tag.“25

Das bedeutet, Brüder und Schwestern, dass auch wir im Laufe der Zeit und durch großen Eifer26 eine Säule aus Licht erhalten – einen Strahl nach dem anderen. Und inmitten dieser Säule finden auch wir den liebevollen Vater im Himmel, der uns beim Namen nennt, uns auf unseren Erretter Jesus Christus hinweist und uns auffordert: „Ihn höre!“

Ich gebe Zeugnis für Jesus Christus. Er ist das Licht und das Leben der ganzen Welt – auch Ihrer Welt und meiner.

Ich bezeuge, dass er der wahre und lebendige Sohn des wahren und lebendigen Gottes ist und an der Spitze dieser wahren und lebendigen Kirche steht, die durch seine wahren und lebendigen Propheten und Apostel geführt und geleitet wird.

Mögen wir sein herrliches Licht erkennen und empfangen und uns dann für ihn entscheiden und nicht für die Finsternis der Welt – für immer und ewig. Im Namen Jesu Christi. Amen.

Anmerkungen

  1. Siehe Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:10-13

  2. Siehe Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:14-16

  3. Siehe Joseph Smith, Journal, Nov. 9-11, 1835, Seite 24, josephsmithpapers.org

  4. Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:17

  5. Siehe Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:20. Als Joseph Smith nach der ersten Vision nach Hause zurückkehrte, fragte seine Mutter, ob alles in Ordnung sei. Er antwortete: „Mir ist ganz wohl zumute. … Ich habe für mich selbst herausgefunden, dass der Presbyterianerglaube nicht richtig ist.“ (Hervorhebung hinzugefügt.)

  6. Russell M. Nelson, „Schlussbemerkungen“, Liahona, November 2019, Seite 122

  7. Spencer W. Kimball, Gebietskonferenz in München, 1973; zitiert in: Graham W. Doxey, „The Voice Is Still Small“, Ensign, November 1991, Seite 25

  8. Lehren der Präsidenten der Kirche: Joseph F. Smith, Seite 201: „Als ich, noch als Junge, anfing, im Werk des Herrn tätig zu sein[,] habe ich den Herrn oft gebeten, er möge mir doch irgendetwas Wunderbares zeigen, damit ich ein Zeugnis [bekäme]. Aber der Herr versagte mir die Wunder und zeigte mir die Wahrheit Zeile um Zeile, Weisung um Weisung, hier ein wenig und da ein wenig, bis er mich die Wahrheit vom Scheitel bis zur Sohle erkennen ließ und Zweifel und Furcht mich völlig verlassen hatten. Er brauchte dazu keinen Engel aus dem Himmel zu senden und musste auch nicht mit der Posaune eines Erzengels sprechen. Durch die Eingebungen der leisen, sanften Stimme des Geistes des lebendigen Gottes gab er mir das Zeugnis, das ich besitze. Und durch diesen Grundsatz und diese Macht gibt er allen Menschenkindern Erkenntnis von der Wahrheit, die dann bei ihnen verbleibt und sie die Wahrheit erkennen lässt, wie Gott sie kennt, sodass sie den Willen des Vaters tun, wie Christus ihn tut.“

  9. Mosia 16:9

  10. Siehe Lehre und Bündnisse 84:46; siehe auch Johannes 1:9

  11. Lehre und Bündnisse 88:12,13

  12. David A. Bednar, The Spirit of Revelation, 2021, Seite 7

  13. Siehe Lehre und Bündnisse 6:23

  14. Siehe Lehre und Bündnisse 8:2; siehe auch Helaman 5:30

  15. Siehe Mosia 5:2; Lehre und Bündnisse 11:12

  16. Siehe 2 Nephi 4:21; Helaman 5:44

  17. Der Herr hat die Fähigkeit, dem Zeugnis anderer zu glauben, als eine geistige Gabe bezeichnet (siehe Lehre und Bündnisse 46:13,14).

  18. In einer neuzeitlichen Offenbarung heißt es, dass die Worte in den heiligen Schriften „euch durch meinen Geist gegeben“ werden, „und außer durch meine Macht könntet ihr sie nicht haben; darum könnt ihr bezeugen, dass ihr meine Stimme vernommen habt und meine Worte kennt“ (Lehre und Bündnisse 18:35,36).

  19. Siehe Mosia 2:17; Moroni 7:45-48

  20. Siehe 1 Nephi 1:20. Elder Gerrit W. Gong hat davon gesprochen, dass wir „mit offenen Augen auf die liebevolle, große Barmherzigkeit des Herrn [achten], über die wir uns freuen und die wir reichlich erfahren“ („Geistlicher Dienst und Betreuung“, Liahona, Mai 2023, Seite 19), und dass „sich oft erst im Nachhinein am deutlichsten erkennen“ lässt, „wie die Hand des Herrn in unserem Leben wirkt“ („Immer an ihn denken“, Liahona, Mai 2016, Seite 108). Die Gabe, die Hand des Herrn in unserem Leben dankbar zu erkennen und zu würdigen, auch wenn wir sie im jeweiligen Moment nicht erkannt oder gespürt haben, bringt große Kraft. In den Schriften ist oft davon die Rede, welche Kraft darin liegt, sich zu erinnern und an etwas zu denken (siehe Helaman 5:9-12; Lehre und Bündnisse 20:77,79). Dies kann der Offenbarung den Weg bereiten (siehe Moroni 10:3,4).

  21. Joseph Smith hat erklärt: „Man kann daraus Nutzen ziehen, dass man auf die ersten Anzeichen des Geistes der Offenbarung achtet; zum Beispiel: Wenn jemand spürt, dass reine Intelligenz in ihn einströmt, taucht vielleicht plötzlich ein Gedanke in ihm auf, und wenn er diesen beachtet, wird er ihn noch am gleichen Tag oder bald darauf verwirklicht sehen; das nämlich, was der Geist Gottes ihm vorgelegt hat, wird eintreffen. Und wenn man auf diese Weise den Geist Gottes kennen und verstehen lernt, kann man in das Prinzip Offenbarung hineinwachsen, bis man vollkommen wird in Christus Jesus.“ (Lehren der Präsidenten der Kirche: Joseph Smith, Seite 145.)

  22. Siehe Epheser 1:10, Einheitsübersetzung 1980

  23. Lehre und Bündnisse 88:40: „Denn Intelligenz hält fest an Intelligenz; Weisheit empfängt Weisheit; Wahrheit nimmt Wahrheit an; Tugend liebt Tugend; Licht hält fest an Licht.“

  24. Alma 32:35. Alma betonte, dass solche lichterfüllten Erlebnisse, auch wenn sie oft klein sind, in jedem Sinne real sind. Diese Realität zeigt sich noch kraftvoller, wenn sie zusammengenommen ein starkes Ganzes bilden.

  25. Lehre und Bündnisse 50:24

  26. Siehe Alma 32:41