Generalkonferenz
Lieber rufen als fallen
Frühjahrs-Generalkonferenz 2024


Lieber rufen als fallen

Ich bezeuge: Wenn wir Gott rufen, werden wir nicht fallen!

Heute möchte ich zu Beginn Zeugnis ablegen, dass ich von ganzem Herzen weiß, dass Gott unsere Gebete hört und jedem von uns individuell antwortet.

In einer Welt, in der viel Unsicherheit, Schmerz, Enttäuschung und Kummer herrschen, neigen wir vielleicht dazu, uns eher auf unsere eigenen Fähigkeiten und Vorlieben sowie auf weltliches Wissen und weltliche Sicherheit zu verlassen. Das könnte dazu führen, dass wir die wahre Quelle des Beistands und der Unterstützung, mit deren Hilfe wir den Herausforderungen dieses Erdenlebens begegnen können, in den Hintergrund rücken.

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Krankenhauszimmer

Ich weiß noch, wie ich einmal wegen einer Erkrankung in der Klinik war und Schwierigkeiten hatte, einzuschlafen. Als ich das Licht ausschaltete und das Zimmer dunkel wurde, sah ich über mir an der Zimmerdecke einen reflektierenden Schriftzug, der lautete: „Lieber rufen als fallen!“ Zu meiner Verwunderung konnte ich die gleiche Botschaft am nächsten Tag in verschiedenen Bereichen des Zimmers lesen.

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Schriftzug „Lieber rufen als fallen“

Weshalb war diese Botschaft so wichtig? Als ich eine Krankenschwester danach fragte, antwortete sie: „Das soll eine Verletzung verhindern, die Ihnen noch mehr Schmerzen bereitet, als Sie ohnehin schon haben.“

Es liegt in der Natur der Sache, dass dieses Leben schmerzhafte Erfahrungen mit sich bringt. Manche haben mit unserem Körper zu tun, andere mit unseren Schwächen oder Bedrängnissen, manche damit, wie andere ihre Entscheidungsfreiheit nutzen, und manche damit, wie wir unsere Entscheidungsfreiheit nutzen.

Gibt es eine machtvollere Verheißung, als die des Erretters selbst, als er sprach: „Bittet und es wird euch gegeben; sucht und ihr werdet finden; klopft an und es wird euch geöffnet“?1

Das Gebet dient unserer Kommunikation mit unserem Vater im Himmel und ermöglicht uns, „lieber zu rufen, als zu fallen“. Es mag jedoch Umstände geben, die uns vielleicht glauben lassen, dass unser Ruf nicht gehört wird, da wir nicht sofort eine Antwort erhalten oder nicht die, die unseren Erwartungen entspricht.

Das führt manchmal zu Besorgnis, Trauer oder Enttäuschung. Rufen wir uns doch in Erinnerung, wie Nephi seinen Glauben an den Herrn zum Ausdruck brachte, als er sagte: „Warum sollte er mich dann nicht unterweisen können, ein Schiff zu bauen?“2 Nun frage ich Sie: Warum sollte der Herr Sie nicht unterweisen können, sodass Sie nicht fallen?

Auf Gottes Antwort zu vertrauen, schließt mit ein, dass wir anerkennen, dass seine Wege nicht unsere Wege sind3 und alles „zu seiner Zeit geschehen“4 muss.

Die Gewissheit, dass wir Kinder eines liebevollen, barmherzigen Vaters im Himmel sind, sollte uns veranlassen, ihn in gläubigem Gebet zu „rufen“, mit der inneren Haltung, immer zu beten und nicht zu ermatten, damit unser Handeln uns zum Wohlergehen unserer Seele gereiche.5 Stellen Sie sich vor, was unser Vater im Himmel empfindet, wenn wir bei jedem Gebet unser Flehen im Namen seines Sohnes Jesus Christus an ihn richten. Welche Kraft und Sanftmut wir dann sicher erfahren werden!

Die heiligen Schriften sind voller Beispiele von Menschen, die Gott angerufen haben, um nicht zu fallen. Helaman und sein Heer riefen in ihrer Bedrängnis Gott an und schütteten im Gebet ihr Herz aus. Sie empfingen Gewissheit, Frieden, Glauben und Hoffnung und erlangten Mut und Entschlossenheit, bis sie ihr Ziel erreichten.6

Stellen Sie sich vor, wie Mose Gott anrief, ja zu ihm schrie, als er vor dem Roten Meer stand und sich die Ägypter zum Angriff näherten, oder Abraham, als er das Gebot befolgte, seinen Sohn Isaak zu opfern.

Bestimmt hatte jeder von Ihnen schon Erlebnisse und wird sie haben, bei denen „rufen“ die Lösung ist, um nicht zu fallen.

Vor dreißig Jahren, als meine Frau und ich uns gerade auf unsere standesamtliche Heirat und die Siegelung im Tempel vorbereiteten, erhielten wir einen Anruf, dass die standesamtliche Trauung wegen eines Streiks nicht stattfinden konnte. Der Anruf kam drei Tage vor der geplanten Trauung. Nach einigen erfolglosen Versuchen, bei anderen Ämtern einen Termin zu bekommen, waren wir bedrückt und bezweifelten, ob wir wie geplant heiraten konnten.

Meine Verlobte und ich riefen Gott im Gebet an und schütteten ihm unser Herz aus. Schließlich erzählte uns jemand von einem Amt in einem kleinen Vorort unserer Stadt, wo ein Bekannter Bürgermeister war. Wir zögerten nicht, statteten diesem Bürgermeister einen Besuch ab und fragten, ob es ihm möglich wäre, uns zu trauen. Zu unserer Freude sagte er zu. Seine Sekretärin betonte, dass wir in diesem Vorort eine Bescheinigung erhalten und alle Dokumente am nächsten Tag vor Mittag abgeben müssten.

Am folgenden Tag begaben wir uns in den kleinen Vorort und gingen zur Polizeiwache, um das benötigte Dokument zu beantragen. Zu unserem Erstaunen sagte der Beamte, er werde es uns nicht ausstellen, da es viele junge Paare gäbe, die von zuhause wegliefen, um dort heimlich zu heiraten, was auf uns natürlich nicht zutraf. Wieder überkamen uns Angst und Traurigkeit.

Ich erinnere mich, dass ich im Stillen meinen Vater im Himmel anrief, um nicht „zu fallen“. Da erhielt ich mehrfach eine deutliche Eingebung, nämlich: „Tempelschein, Tempelschein.“ Sofort nahm ich meinen Tempelschein heraus und reichte ihn zum Erstaunen meiner Verlobten dem Beamten.

Zu unserer großen Überraschung sagte der Polizeibeamte: „Warum haben Sie mir nicht gleich gesagt, dass Sie von der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage sind? Ich kenne Ihre Kirche gut.“ Sogleich begann er damit, das Dokument für uns auszustellen. Noch überraschter waren wir, als der Beamte die Wache verließ, ohne ein Wort zu sagen.

Fünfzig Minuten vergingen und noch immer war er nicht zurück. Es war bereits 11:55 Uhr und wir hatten nur bis zum Mittag, um die Unterlagen abzugeben. Plötzlich tauchte er mit einem bildschönen Hundewelpen wieder auf und sagte, dies sei ein Hochzeitsgeschenk. Er überreichte ihn uns zusammen mit dem Dokument.

Mit der Bescheinigung und unserem neuen Hund rannten wir zur Dienststelle des Bürgermeisters. Da sahen wir einen Dienstwagen auf uns zufahren. Ich stellte mich davor. Der Wagen hielt an. Darin saß die Sekretärin. Als sie uns sah, meinte sie: „Es tut mir leid, aber ich hatte Mittag gesagt. Leider muss ich jetzt etwas anderes erledigen.“

Demütig und von ganzem Herzen rief ich im Stillen den Vater im Himmel an und bat ihn einmal mehr um Hilfe, um nicht „zu fallen“. Da geschah plötzlich das Wunder. Die Sekretärin meinte: „Was für ein schöner Hund! Wo könnte ich wohl so einen für meinen Sohn bekommen?“

„Der ist für Sie!“, antworteten wir sofort.

Die Sekretärin blickte uns erstaunt an und meinte: „Gut, gehen wir zurück aufs Amt und bereiten alles vor.“

Zwei Tage darauf wurden Carol und ich standesamtlich getraut und danach wie geplant im Lima-Tempel in Peru gesiegelt.

Natürlich müssen wir bedenken, dass unser „Rufen“ Glaube und Handeln erfordert – den Glauben, zu erkennen, dass wir einen Vater im Himmel haben, der gemäß seiner unendlichen Weisheit Antwort auf unsere Gebete gibt, sowie Taten, die mit dem, worum wir bitten, in Einklang sind. Das Gebet, das „Rufen“, zeigt unsere Hoffnung, doch das Handeln nach dem Beten zeigt, dass unser Glaube real ist – ein Glaube, der in Zeiten des Schmerzes, der Angst oder der Enttäuschung geprüft wird.

Ich empfehle Ihnen Folgendes:

  1. Denken Sie immer zuerst an den Herrn, wenn Sie Hilfe brauchen.

  2. Lieber rufen als fallen! Wenden Sie sich in aufrichtigem Gebet an Gott.

  3. Versuchen Sie nach dem Beten nach besten Kräften, die Segnungen zu erlangen, um die Sie gebeten haben.

  4. Seien Sie demütig und nehmen Sie die Antwort an, die Gott nach seinem Zeitplan und auf seine Weise gibt.

  5. Bleiben Sie nicht stehen! Streben Sie auf dem Weg der Bündnisse weiter vorwärts, während Sie auf eine Antwort warten.

Vielleicht gibt es jemanden, der wegen seiner Umstände gerade jetzt das Gefühl hat, er sei im Begriff, zu fallen, und wie Joseph Smith ausrufen möchte: „O Gott, wo bist du? … Wie lange noch wird deine Hand sich zurückhalten?“7

Beten Sie selbst in solchen Umständen mit „geistiger Schwungkraft“, wie Präsident Russell M. Nelson gesagt hat,8 denn Ihre Gebete werden immer gehört!

Und denken Sie an dieses Lied:

Ehe du dein Haus verließest,

sprachst du dein Gebet

demutsvoll in Christi Namen,

dass in dir ein edler Same

heute werd gesät?

Oh, das Beten bringt dir Frieden,

alles Dunkle dann vergeht.

Unter Freud und Sturm hienieden

denke ans Gebet!9

Beim Beten können wir die Umarmung unseres Vaters im Himmel spüren, der seinen einziggezeugten Sohn gesandt hat, um unsere Last leichter zu machen. Wenn wir Gott rufen, werden wir nicht fallen, das bezeuge ich. Im Namen Jesu Christi. Amen.