Generalkonferenz
Steh auf, er ruft dich
Frühjahrs-Generalkonferenz 2024


Steh auf, er ruft dich

Das Evangelium ist kein Weg, um Herausforderungen und Problemen auszuweichen, sondern die Lösung dazu, dass wir unseren Glauben vergrößern und lernen, mit Widrigkeiten umzugehen

Vor einiger Zeit fragte ich meine Frau: „Kannst du mir vielleicht sagen, warum wir, soweit ich mich erinnere, niemals gravierende Schwierigkeiten im Leben hatten?“

Sie schaute mich an und erwiderte: „Klar! Ich sage dir, warum wir nie gravierende Probleme hatten: Weil du alles so schnell vergisst!“

Ihre schnelle und gewitzte Antwort führte mir einmal mehr vor Augen, dass man, wenn man das Evangelium Jesu Christi lebt, nicht meinen darf, man wäre dann die Schmerzen und Prüfungen los, die für das Wachstum erforderlich sind.

Das Evangelium ist kein Weg, um Herausforderungen und Problemen auszuweichen, sondern die Lösung dazu, dass wir unseren Glauben vergrößern und lernen, mit Widrigkeiten umzugehen.

Diese Wahrheit wurde mir vor einigen Monaten etwas klarer, als ich eines Tages zu Fuß unterwegs war und plötzlich vor meinen Augen alles verschwamm und dunkel und verzerrt war. Das jagte mir Angst ein. Die Ärzte sagten mir daraufhin: „Wenn Sie nicht sofort mit der Behandlung beginnen, könnten Sie binnen weniger Wochen das Augenlicht verlieren.“ Das jagte mir noch mehr Angst ein.

Doch dann erklärte man mir: „Sie brauchen intravitreale Injektionen – Spritzen direkt ins weit geöffnete Auge –, und zwar alle vier Wochen, für den Rest Ihres Lebens.“

Was für ein unliebsamer Weckruf!

Doch er brachte mich zum Nachdenken und ich stellte mir eine Frage, nämlich: „Also gut. Mein körperliches Sehvermögen ist nicht gut, aber wie sieht es mit meiner geistigen Sehkraft aus? Habe ich da eine Behandlung nötig? Und was bedeutet es überhaupt, geistige Klarsicht zu haben?“

Ich dachte über die Geschichte eines blinden Mannes namens Bartimäus nach, die im Markusevangelium geschildert wird. In der Schrift steht: „Sobald er hörte, dass es Jesus von Nazaret war, rief er laut: Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir!“1

In den Augen vieler war Jesus ja eigentlich bloß der Sohn Josefs. Wieso nannte Bartimäus ihn dann „Sohn Davids“? Einfach deshalb, weil er erkannte, dass Jesus tatsächlich der Messias war, der laut Prophezeiung als Nachfahre Davids geboren werden sollte.2

Es ist interessant, dass dieser Blinde ohne körperliches Sehvermögen Jesus erkannte. Er sah geistig, was er körperlich nicht sehen konnte, während viele andere Jesus körperlich sehen konnten, aber geistig völlig blind waren.

Aus dieser Geschichte erfahren wir mehr über geistige Klarsicht.

Es heißt dort weiter: „Viele befahlen ihm zu schweigen. Er aber schrie noch viel lauter: Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!“3

Alle um ihn herum sagten ihm, er solle Ruhe geben, doch er schrie umso lauter, weil er wusste, wer Jesus wirklich war. Er ignorierte all jene Stimmen und rief noch lauter.

Er handelte, statt auf sich einwirken zu lassen. Trotz seiner begrenzten Lebensumstände setzte er sich mithilfe seines Glaubens über diese Grenzen hinweg.

Der erste Grundsatz, den wir hieraus lernen, lautet also: Wir bewahren uns geistige Klarsicht, wenn wir den Blick auf Jesus Christus richten und dem treu bleiben, was wir als wahr erkannt haben.

Brüder und Schwestern, damit unser geistiges Augenlicht intakt bleibt, müssen wir uns dafür entscheiden, nicht auf die uns umgebenden Stimmen der Welt zu hören. In dieser verwirrenden und verwirrten Welt müssen wir unserem Wissen, unseren Bündnissen und im Halten der Gebote treu bleiben und unsere Überzeugungen noch klarer bekräftigen, so wie jener Mann. Wir müssen unser Zeugnis vom Herrn noch lauter vor der Welt erschallen lassen. Dieser Mann kannte Jesus, blieb seiner Überzeugung treu und ließ sich von den ihn umgebenden Stimmen nicht beirren.

Es gibt heutzutage viele Stimmen, die versuchen, unsere Stimme als Jünger Jesu Christi zu übertönen. Die Stimmen der Welt wollen uns zum Schweigen bringen, aber gerade deshalb müssen wir noch lauter und eindringlicher Zeugnis für den Erretter ablegen. Unter all den Stimmen der Welt zählt der Herr auf Sie und mich, dass wir Zeugnis ablegen, unsere Stimme erheben und zu seiner Stimme werden. Wer gibt denn sonst für Jesus Christus Zeugnis, wenn nicht wir? Wer verkündet seinen Namen und macht seine göttliche Mission bekannt?

Wir haben einen geistlichen Auftrag, der unserer Erkenntnis von Jesus Christus entspringt.

Und was hat Bartimäus im Anschluss gemacht?

Als der Herr ihm gebot, aufzustehen, handelte er erneut voll Glauben.

In der Schrift steht: „Da warf er seinen Mantel weg, sprang auf und lief auf Jesus zu.“4

Dieser demütige, gläubige Mann verstand, dass er sich auf Jesu Gebot hin zu einem besseren Leben aufmachen konnte. Er wusste, dass er besser war, als seine Lebensumstände anmuteten, und als er hörte, wie Jesus ihn rief, warf er zuallererst den Bettlermantel von sich.

Wieder handelte er, statt auf sich einwirken zu lassen.

Vielleicht dachte er etwas wie: „Den brauche ich nicht mehr, denn jetzt ist Jesus ja in mein Leben getreten. Heute beginnt ein neuer Tag. Dieses elendige Leben lasse ich hinter mir. Mit Jesus kann ich ein neues Leben beginnen, voller Glück und Freude in ihm, mit ihm und durch ihn. Es ist mir auch egal, was die Welt von mir denkt. Jesus ruft mich und wird mir helfen, jetzt ein neues Leben zu führen.“

Was für ein bemerkenswerter Wandel!

Mit dem Wegwerfen des Bettlermantels entledigte er sich auch sämtlicher Ausreden.

Darin liegt der zweite Grundsatz: Wir bewahren uns geistige Klarsicht, wenn wir den natürlichen Menschen ablegen, umkehren und in Christus ein neues Leben beginnen.

Dies geschieht, indem wir Bündnisse eingehen und halten, um uns durch Jesus Christus zu einem besseren Leben aufzumachen.

Solange wir nach Ausreden suchen und uns selbst bemitleiden – wegen unserer Lebensumstände, Probleme und all dem Schlechten, was uns widerfährt, und sogar wegen all der schlechten Menschen, die uns, so glauben wir, unglücklich machen –, haben wir uns den Bettlermantel weiterhin umgelegt. Es stimmt, dass Menschen uns manchmal wehtun, bewusst oder unbewusst. Aber wir müssen uns dazu entschließen, mit Glauben an Christus zu handeln und den gedanklichen, uns seelisch belastenden Mantel abzuwerfen, den wir vielleicht noch immer tragen, um Ausreden oder Sünden zu verbergen. Dies können wir in dem Wissen tun, dass Christus uns heilen kann und wird.

Es ist nie eine gute Ausrede, wenn jemand sagt: „Ich bin so, wie ich eben bin – daran sind missliche, unliebsame Umstände schuld. Ich kann und brauch mich deswegen auch nicht ändern.“

Wenn wir so denken, entscheiden wir uns dafür, dass auf uns eingewirkt wird.

Wir behalten dann den Bettlermantel an.

Im Glauben zu handeln bedeutet, dass wir auf unseren Erretter vertrauen und daran glauben, dass wir durch sein Sühnopfer und auf sein Gebot hin aufstehen und uns über alles erheben können.

Der dritte Grundsatz steckt in den letzten fünf Worten: „[Er] lief auf Jesus zu.“

Wie konnte er auf Jesus zugehen, wo er doch blind war? Die einzige Möglichkeit bestand darin, auf Jesu Stimme, die ja zu hören war, zu achten.

Das also ist der dritte Grundsatz: Wir bewahren uns geistige Klarsicht, wenn wir die Stimme des Herrn hören und ihm gestatten, uns zu führen.

Genauso wie dieser Mann seine Stimme über die ihn umgebenden Stimmen erhob, war er in der Lage, inmitten aller anderen Stimmen auf die Stimme des Herrn zu hören.

Dies ist derselbe Glaube, durch den Petrus auf dem Wasser gehen konnte, solange er geistig auf den Herrn ausgerichtet war und sich nicht von den ihn umwehenden Winden beirren ließ.

Die Geschichte von dem Blinden endet mit den Worten: „[Er konnte] sehen und er folgte Jesus auf seinem Weg nach.“5

Mit die wichtigste Lektion aus dieser Geschichte ist, dass dieser Mann wahren Glauben an Jesus Christus ausübte und ein Wunder empfing, weil er mit wirklichem Vorsatz darum bat – dem wirklichen Vorsatz, Christus nachzufolgen.

Darin liegt letztendlich der Grund für die Segnungen, die wir in unserem Leben empfangen, nämlich weil wir Jesus Christus nachfolgen. Es geht darum, ihn zu erkennen, seinetwegen Bündnisse mit Gott zu schließen und zu halten, durch ihn unser ureigenstes Wesen zu wandeln und bis ans Ende auszuharren, indem wir ihm nachfolgen.

Damit ich mir geistige Klarsicht bewahre, muss ich, so sehe ich es, den Blick auf Jesus Christus gerichtet halten.

Sehe ich geistig also klar, weil ich Augenspritzen bekomme? Wie kann ich das schon beurteilen? Aber ich bin dankbar für alles, was ich sehe.

Ganz klar sehe ich die Hand des Herrn in diesem heiligen Werk und in meinem Leben.

Wo ich auch bin, sehe ich den Glauben vieler, die meinen eigenen Glauben stärken.

Ich sehe mich von Engeln umgeben.

Ich sehe den Glauben vieler, die den Herrn zwar nicht körperlich sehen, ihn aber geistig erkennen, weil sie ihn sehr gut kennen.

Ich bezeuge, dass dieses Evangelium die Antwort auf alles ist, weil Jesus Christus die Antwort für alle ist. Ich bin dankbar für das, was ich sehen kann, wenn ich meinem Erretter nachfolge.

Ich verheiße: Wenn wir auf die Stimme des Herrn hören und uns von ihm, dem Erlöser, auf seinem Weg der Bündnisse führen lassen, werden wir mit klarer Sicht, geistigem Verständnis und Frieden in Herz und Sinn gesegnet – unser ganzes Leben lang.

Mögen wir laut für ihn Zeugnis ablegen, lauter als die uns umgebenden Stimmen in einer Welt, die mehr von Jesus Christus hören muss, nicht weniger. Mögen wir den Bettlermantel, den wir vielleicht noch tragen, abstreifen und uns über die Welt erheben, sodass wir in und durch Christus ein besseres Leben haben. Mögen wir uns aller Ausreden entledigen, Jesus Christus nicht nachzufolgen, sondern alle guten Gründe dafür finden, ihm nachzufolgen, während wir seine Stimme hören. Darum bete ich im Namen Jesu Christi. Amen.